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Bei dem Text von Bernd Ulrich bin ich ausnahmsweise anderer Meinung als Sie. Lesenswert ist er m.E. allenfalls in dem Sinne, daß er die nahezu abenteuerliche Ignoranz der Zeit und anderer Leitmedien gegenüber dem eigenen Versagen und der eigenen Rolle beim Aufstieg der neuen Rechten illustriert.

Ich war lange Jahre treuer Leser der Zeit, bis mir irgendwann die vielen Unsauberkeiten bis hin zu propagandistischen Verdrehungen auffielen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die feministische Propaganda von Zeit, SZ et al.: die Fehler in diesen Mythen (um nicht zu sagen Lügen) findet jeder, der sich etwas genauer damit beschäftigt und die angeblichen Beweise bzw. die Originalquellen nachliest. Inhaltlich mag das Thema nicht so wichtig sein, weil aber die Wahrheitsverdrehung sowohl qualitativ als auch quantitativ ein derartiges Ausmaß hat (Relotius war kein Zufall), zerstört sie jedes Vertrauen.

Ulrich fragt allen Ernstes: "Kann es denn wirklich sein, dass hier das Große Ganze bedroht ist, wenn man selbst so liberal ist ...". Zugleich hofiert man die Grünen mit ihrem Frauenstatut, das Männer zu politischen Untermenschen macht und m.E. unmittelbar verfassungswidrig ist: Parteien haben zwar sehr viel Freiheit in ihren Zielen, nach Art 21 GG (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html) muß aber "Ihre innere Ordnung ... demokratischen Grundsätzen entsprechen". Menschen aufgrund angeborener biologischer Merkmale zu Bürgern zweiter Klasse zu machen, ist zutiefst undemokratisch, antiliberal und ein klassisches faschistoides Konzept. Wer solche Konzepte hoffähig macht und knallhart durchsetzt (s. z.B. Vorgänge im Saarland bei der letzten BTW), leistet unschätzbare Zuarbeit für die AfD: schlimmer sind die auch nicht, denn die haben noch nicht einmal ein "Deutschenstatut", das Zuwanderer ganz offiziell diskriminiert.

Man könnte noch eine Reihe weiterer Beispiele diskutieren (Genderdeutsch, Transaktivismus, desaströs falsche, von Wunschdenken getrieben Einschätzung der Energieversorgung, Realitätsleugnung bei den Migrationsproblemen), warum die Grünen - deren Konzepte von Merkel durchgesetzt wurden - die AfD hoffähig gemacht haben. Nichts davon kommt im Text von Ulrich vor, und deswegen halte ich seine Lageanalyse für grundlegend verfehlt, ebenso die darauf basierenden Therapievorschläge.

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