Prolog
Die Weihnachtspause war wieder eine sehr wichtige Auszeit, um Gedanken zu sortieren und das neue Jahr intellektuell grundgereinigt begrüssen zu können. Weihnachten und die Tage danach habe ich wieder sehr genossen. Gute Gespräche und exzellentes Essen im Kreise der Lieben sind für mich unglaublich wertvoll.
Leid taten mir wieder diejenigen, die nichts besseres zu tun hatten, als das Weihnachtsfest zu dämonisieren. In den sozialen Medien haben in der Zeit vor Weihnachten auffällig viele Nutzer auf einmal AfD-wählende Verwandte, deren Sportpalastreden sie im Familienkreis tagelang ertragen müssen. Wenig glaubwürdig. Auch das Problematisieren von Familie an sich erfreut sich in diesem Zusammenhang ungebrochener Beliebtheit. Ich bin für meine Familie und die guten Freunde, welche ich dazu zähle, sehr dankbar.
Natürlich gibt es Stolpersteine, wenn die große Familie zusammenkommt, denn dann treffen auch unterschiedliche Meinungen aufeinander. Ich empfinde das immer als Bereicherung, auch wenn ich manche Weltbilder für nicht nachvollziehbar halte. Das geht anderen in meiner Familie mit meinem allerdings genauso. Trotzdem stehen Zuneigung, gemeinsame Grundwerte und gegenseitiger Respekt im Vordergrund. Deshalb eskaliert es nicht.
Ein Teil meiner Familie ist konservativ und liberal, der andere sozialdemokratisch und grün. Dass ich deshalb von klein auf eine große Bandbreite von Ansichten kennenlernen durfte, womit bereits früh die Erkenntnis einherging, dass niemand im Besitz der absoluten Wahrheit ist und man Dinge mit guten Argumenten unterschiedlich sehen kann, empfinde ich als Gewinn. Leider ist in den letzten Jahren in der Gesellschaft die Entwicklung zu beobachten, dass abweichende Meinungen als Bedrohung empfunden werden. Dem versuche ich auch 2024 im Rahmen meiner Möglichkeiten entgegenzuwirken. Nur mit Dialog unter Demokraten kann man den Populisten, Radikalen und Extremisten aller Richtungen den Wind aus den Segeln nehmen.
Ich hoffe, dass Sie ebenfalls ein schönes Weihnachtsfest und einen angenehmen Jahreswechsel hinter sich haben. Dafür, dass Sie mir auch in diesem Jahr als kritische Leser treu bleiben, bedanke ich mich im Voraus. Ihre Meinung können Sie mir weiterhin entweder per Mail oder in Form eines Kommentars mitteilen.
Desweiteren gibt es seit Dezember die Möglichkeit, diesen Newsletter zu fördern. Die Details finden Sie am Ende der Ausgabe. Grundsätzlich bleibt diese Publikation kostenlos.
Nun aber los. Heute geht es unter anderem um Entscheidungen, Charakterschwäche und Erkenntnis.
Politik und Gesellschaft
Tagesaktuell, aber dennoch relevant, ist die Nachricht, dass aus der “Werteunion”, einer der CDU nahestehenden, von dieser allerdings nicht als offizielle Parteiorganisation anerkannten Vereinigung, eine Partei werden soll. Abgesehen davon, dass Parteineugründungen aus vielen Gründen selten eine gute Idee sind: Ich halte eine weitere Partei, in deren Darstellung der Weltuntergang nur einen Wimpernschlag entfernt ist, für verzichtbar.
Die Werteunion um den früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen bereitet die Gründung einer eigenständigen Partei mit selbem Namen vor. Das geht aus Beschlussvorlagen für die Mitgliederversammlung des Vereins hervor, die t-online vorliegen.
Am 20. Januar sollen die rund 4.000 Mitglieder demnach über weitreichende Änderungen in ihrer Satzung entscheiden. Die Entwürfe sehen vor, dass der Verein umbenannt wird in "WerteUnion Förderverein e. V.". Weiter heißt es wörtlich: "Das Recht, den Namen 'WerteUnion' und die Wort-/Bildmarke 'WerteUnion' zu nutzen, wird dauerhaft und unwiderruflich auf die Partei 'WerteUnion' übertragen, deren Gründung der Vorstand initiiert."
Bei einer Auflösung des Vereins solle das Vermögen an die "Partei WerteUnion" fallen. Die Vorschläge gehen zurück auf eine Vorstandssitzung vom 27. Dezember, der Vorstand will die Zustimmung der nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitglieder.
Maaßens Werteunion bereitet Parteigründung vor - T-Online
Claudine Gay hat, wenn auch viel zu spät, die richtige Entscheidung getroffen und ist zurückgetreten. Dass sie diese in ihrer Rücktrittserklärung teilweise mit Rassismus begründet, gehört zum üblichen Vorgehen in diesem Milieu. Es ist leider nicht zu vermeiden, dass sich Rassisten durch diesen Vorfall irrtümlich in ihrem Weltbild bestätigt sehen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass eine Hochstaplerin und Antisemitin Präsidentin von Harvard bleibt. Dass sie überhaupt in diese Position kommen konnte, wäre ein eigenes Thema. Stichwort “Affirmative Action”. Josef Joffe, ehemaliger Mitherausgeber der “Zeit”, der in Harvard promovierte, stellt das Ereignis in einen größeren Zusammenhang.
Nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober tobten Israel- und Judenhass auf dem Campus, wo 31 Studentengruppen sofort die Schuld «in Gänze» dem «Apartheidstaat» zuschoben. Die Präsidentin Claudine Gay konnte sich in einem Kongress-Hearing nicht dazu durchringen, das Abschlachten von 1200 Zivilisten zu verdammen; schliesslich käme es auf den «Kontext» an. Ex-Präsident Lawrence Summers schrieb auf X, ihm sei «übel geworden» angesichts des moralischen «Versagens» seiner Universität.
Es kam noch dicker. Der ersten schwarzen Frau an der Harvard-Spitze wurde alsbald Plagiarismus vorgeworfen. Die leicht erkennbare Schummelei verdunkelt Gays bescheidene akademische Leistungen – elf nicht gerade bahnbrechende Aufsätze in 18 Jahren. Drei Monate lang stand der Aufsichtsrat zu ihr, die Nase im Wind. Am Mittwoch trat sie «im besten Interesse» der Universität zurück, wie sie erklärte. Doch nicht ohne ein letztes Mal die Rassenkarte auszuspielen, die ihren rasanten Aufstieg befördert hatte. Sie sei das Opfer des «rassischen Ressentiments».
Was ist los, auch in anderen Leuchttürmen? Seit Jahren leiden sie am «Woke-Virus», wofür noch kein Vakzin entwickelt worden ist. Zumindest in den Sozial- und Geisteswissenschaften verdrängt die Indoktrination die Intellektualität, der Aktivismus die leidenschaftslose Analyse. «Universität» kommt von «universal», doch längst zerfällt die Studentenschaft in identitäre Fraktionen – Schwarze, Muslime, Hispanics, LGBTQ –, die sich an abgesonderten Lagerfeuern wärmen. Triggerwarnungen und «safe spaces» schützen die Jungen vor «verstörenden» Ideen. Unpassende Redner werden niedergebrüllt oder ausgeladen.
Die Verwaltung guckte wie in Harvard zu oder gab ihren Segen. Eine Befragung von 55 000 US-Studenten zum Zustand der Redefreiheit an 254 Unis ergab 2023 ein düsteres Bild. Insgesamt bekundeten fast sechs von zehn Studenten, ihr Ruf würde leiden, wenn sie ungenehme Meinungen vortrügen. Auf der Freiheits-Tabelle landete ausgerechnet Harvard ganz unten auf Platz 254.
Schon vor einer halben Generation tat sich eine breite ideologische Kluft in der amerikanischen Professorenschaft auf. Insgesamt überwogen Linke die Konservativen mit 72 zu 15 Prozent. Bei den «weichen» Fächern war der Unterschied noch krasser: 88 zu 3 Prozent in Literatur, 81 zu 2 in Politologie, 80 zu 5 in Philosophie, 77 zu 9 in Soziologie. Zugespitzt: Ein weisser Historiker, der sich heute als Kenner des 19. Jahrhunderts bewirbt, hätte keine Chance gegen eine schwarze Frau, die «Kolonialismus» oder «Sklaverei» mit der korrekten Perspektive anbietet.
Derlei war ganz im Sinne der geschassten Harvard-Präsidentin. Lange vor dem 7. Oktober hatte Claudine Gay als frischgebackene Dekanin der Faculty of Arts and Sciences 2020 ein Konzept für den radikalen Umbau vorgelegt. Die Vorrede handelte von «systemischem Rassismus» und «weisser Oberherrschaft». Auf dem Programm standen nun «Rassengerechtigkeit» und die Befreiung von «struktureller Ungleichheit». Sie betonte ihre «Verpflichtung», die «Transformation» voranzutreiben. Mehr Administratoren und Professoren müssten her, um «antirassistisches Handeln» und «inklusive Praxis» durchzusetzen.
Wo soll dieses Kastensystem hinführen – jeder Gruppe ihre Suppe? Vergleiche mit Deutschland anno 1933 bis 1945 liegen häufig schief. Dennoch: Was in Amerika derzeit links abläuft, war damals ein ultrarechtes Projekt. Im November 1933 unterzeichneten 900 deutsche Professoren ein Bekenntnis zu Hitler. In Freiburg verkündete Martin Heidegger: «Der neue Student (. . .) geht durch den Arbeitsdienst, steht in der SA oder SS. (. . .) Das Studium heisst jetzt Wissensdienst.» Es folgte die Vertreibung jüdischer Gelehrter.
So weit wird es weder in Amerika noch in Europa kommen, wo die liberale Demokratie fest gemauert in der Erde steht. Doch sei an Max Webers berühmten Aufsatz von 1919, «Wissenschaft als Beruf», erinnert. Er witterte schon 1919 das Unheil. Der Lehrer müsse «rein der Sache dienen», dozierte er. Politik «gehört nicht in den Lehrsaal», genauso wenig wie der «Prophet und Demagoge». Die sollten «hinaus auf die Gassen gehen und öffentlich reden». Schliesslich: Die «erste Aufgabe» des Dozenten sei es, «seine Schüler unbequeme Tatsachen anerkennen zu lehren, die für die (eigene) Parteimeinung unbequem sind».
Die Erosion der Exzellenz hat die allerbesten amerikanischen Universitäten erfasst, jedenfalls in den ideologieanfälligen Geistes- und Sozialwissenschaften. Wie steht es um die Zukunft? Die «Konterrevolution» läuft seit dem Urteil des Supreme Court, zumal in den staatlichen Universitäten, wo die Legislative anders als bei den Privaten mitredet. Zum Beispiel an der Universität Wisconsin, einem alten Treibhaus des Korrekten. Das Parlament hat ein Drittel der DEI-Positionen gekappt und will einen Lehrstuhl für «klassischen Liberalismus» finanzieren. Ist das Indoktrination von rechts? Der Erlass schützt ausdrücklich die «akademische Freiheit», das Recht eines jeden, «ohne Gängelung zu lehren».
Mit der Frage, wie der Aufstieg der AfD zu erklären ist und wie man diesen stoppen kann, beschäftige ich mich seit Jahren. Auch der Vergleich mit den USA spielt dabei eine Rolle, denn die Mechanismen sind ähnlich. Deshalb freut es mich, dass Bernd Ulrich, Chefredakteur der “Zeit”, sich in einem lesenswerten Artikel ebenfalls mit dem Thema beschäftigt. Dabei kann ich ihm in vielem zustimmen. Die bizarre Behauptung, Liberalismus beginne bei der Linkspartei, gehört selbstverständlich nicht dazu. Offensichtlich meint er damit das demokratische Spektrum. Es ist zu begrüßen, dass sich inzwischen auch links der Mitte die Erkenntnis durchsetzt, dass man die Antworten auf bestimmte Fragen nicht mehr fürchten darf. Zumindest nicht, wenn einem eine funktionierende Demokratie am Herzen liegt.
"Nie wieder ist jetzt!" – das ist ein gängiger Spruch in diesen Tagen. Klingt gut, ist aber falsch. Das eben ist kein Kämpfen: die AfD immer öfter, immer lauter und immer emotionaler als Wiedergängerin der NSDAP zu beschreien. Wenn man die Rechtspopulisten auf das historisch bereits Bekannte reduziert, dann wird man ihnen schwerlich das Handwerk legen können, die AfD ist mehrheitlich nicht faschistisch, Trump wiederum ist die faschistische Ideologie eh zu anstrengend.
Noch problematischer an der Nie-wieder-Attitüde sind die Rückwirkungen auf alle, die da warnen. Denn wer sagt: "Nie wieder ist jetzt", der ist moralisch und politisch so dermaßen auf der sicheren Seite, dass alle echte Sorge von politischem Behagen verdrängt zu werden droht.
Auf der Suche danach, was kämpfen bedeuten könnte, lässt sich vielleicht schon mal eine Regel identifizieren: Der Kampf für die Demokratie kann nicht ausschließlich in der eigenen politisch-moralischen Komfortzone stattfinden. Solange es nicht schmerzt, ist es noch kein Kampf.
Deshalb hier eine schmerzliche Frage: Wie kann es, verdammt noch mal, sein, dass jenen im Westen, in Deutschland zumal, die in Politik, Wirtschaft, Bildung und Medien nach wie vor fast alle Schlüsselpositionen innehaben, ihre Hegemonie so durch die Finger rinnt? Die AfD stellt keinen Minister, keine relevante Chefredakteurin steht ihr nahe, kaum ein CEO möchte mit ihren Leuten gesehen werden, ihre Lösungsvorschläge sind hohl, ihre Expertise ist schwach, ihre Patchwork-Ideologie fadenscheinig. Wie ist es dann möglich, dass der liberale Teil der Gesellschaft dieses Phänomens nicht Herr wird, ja dass die AfD immer stärker wird, je lauter man sie bekämpft?
Über die Antworten wird noch viel zu diskutieren sein, eines jedoch kann man jetzt schon sagen: Die Lösung findet sich nicht beim Starren auf die AfD, noch weniger, wenn man sie ständig ins sepiabraune Nie-wieder-Licht rückt. Nein, die Antwort findet sich beim Blick in den Spiegel, der liberale, vernünftige, mächtige Teil der Republik muss einiges gewaltig falsch machen.
Hier mal ein Vorschlag zur liberalen Selbstkritik: Während die Rechten eine emotionale Antwort auf die epochalen Herausforderungen – Machtverlust des Westens, Klimakrise, Migration – haben, finden die vernünftigen Kräfte kaum noch Zugang zu den Gefühlen der Menschen. Rechtspopulisten sagen den Leuten: Euer Leben könnte genauso sein wie immer, wenn nur diese linken Eliten nicht wären, die Probleme erfinden, um euch zu gängeln.
Die erste gute Nachricht des Jahres wäre dann: Wenn Fehler der Liberalen den Erfolg der Illiberalen erklären, dann haben sie es in der Hand, mit einer anderen Politik und Kommunikation das Blatt zu wenden. Jedenfalls wäre die Diskussion über eine solche Wende sinnvoller, als die erste Hälfte des Jahres damit zu verbringen, sich vor der zweiten Hälfte zu fürchten.
Politische Talkshows sind mir bereits seit vielen Jahren ein Graus: Vorhersehbare Gäste erzählen nach dem bekannten Drehbuch Vorhersehbares. Auch um die weltanschaulich Diversität stand es nicht zum besten. Als positive Ausnahme habe ich immer Frank Plasberg empfunden. Dass dieser seine Entscheidung für Louis Klamroth bei “Hart aber fair” inzwischen bereut, ist ein offenes Geheimnis. Er hat sich allerdings bisher vornehm zurückgehalten. Nun hat er zusammen mit seinem Geschäftspartner Jürgen Schulte in einem Interview mit “DWDL” seinem Ärger zum ersten Mal Luft gemacht, was interessante Einblicke in den Charakter seines Nachfolgers gewährt. Ein weiterer Beleg dafür, dass das Milieu der Achtsamen oft eher rücksichtslos agiert.
Wie kam es zum Bruch, nur ein Jahr, nachdem Louis Klamroth Ihre Nachfolge angetreten hat?
Schulte: Das muss man rückwärts erzählen. Wir haben die Entscheidung Ende Mai vom WDR erfahren. Ein paar Tage davor war Louis Klamroth beim Sender und hat die Zusammenarbeit mit uns als 100-prozentigem Auftragsproduzenten aufgekündigt. Wiederum ein paar Tage davor hatten wir erfahren, dass die ARD-Videoprogrammkonferenz Louis als Moderator für "Hart aber fair" gesetzt hatte. Die Botschaft lautete also: "Hart aber fair" geht nur weiter, wenn Louis Klamroth moderiert. Louis hat dann irgendwann augenscheinlich entschieden, das Format in Zukunft mit der Florida Factual zu produzieren, deren Mitgesellschafter er ist. Die Gründung der Florida Factual erfolgte etwa zu der Zeit, als Louis die Zusammenarbeit mit uns aufkündigte. Von der Gründung haben wir übrigens bei DWDL erfahren.
Wie lief das Gespräch mit Louis Klamroth?
Schulte: Mit uns hatte Louis zuvor nie darüber gesprochen. Er ist zum WDR gegangen. Der WDR hat uns informiert.
War Ihnen nach Bekanntwerden der Gründung der Florida Factual schon klar, dass da was im Busch ist?
Schulte: Als wir mit Louis darüber sprachen, warum er nicht mehr mit uns produzieren möchte, war der Artikel bei DWDL bereits erschienen. Damit war die Begründung öffentlich. So eine Firma gründet man ja nicht an einem Tag bei einer Tasse Tee. Es wird schon eine geraume Zeit Vorbereitungen dazu gegeben haben.
Sind Sie persönlich enttäuscht?
Plasberg: Die Sendung hieß ja nicht Illner, Will oder Maischberger. Aus diesem Grund war es die Idee zu zeigen, dass das Format stärker ist als der Moderator. Dafür sollte das Team ein Jahr lang Luft haben. Wir hatten zuvor lange nach einem Nachfolger gesucht – und Louis Klamroth war vor allem unsere Wahl. Ich habe mir geschworen, meinem Nachfolger nichts nachzurufen. Das hat bisher auch sehr gut geklappt, obwohl mir das immer schwerer fällt.
Haben Sie die Sendung in den vergangenen Monaten gesehen?
Plasberg: Ja, der Fernseher lief bei uns montags. Aber davor saß nur meine Frau, sie hat die Sendung mit Interesse geschaut. Für mich wäre das Arbeit gewesen und ich wollte Abstand gewinnen. Es gab nach meinem Abschied auch kaum Kontakt zu Louis. Seit meiner letzten Sendung haben wir vielleicht ein- oder zweimal gesprochen, bevor wir dann gemerkt haben: Er will den Bruch. Er war auch von Anfang an so gut wie nie hier in der Firma. Das war für die Truppe neu und gleichzeitig verstörend, dass er offensichtlich die Distanz gesucht hat.
War Ihr Rückzug vor einem Jahr rückblickend ein Fehler?
Plasberg: Vielleicht wäre es besser gewesen, ich höre auf und im Januar ist eine völlig neue Sendung da – mit anderem Namen, anderen Farben und das Publikum hängt von der Decke. Aber das Ziel, das wir gemeinsam abgesprochen hatten, war zunächst den Wechsel in der Moderation zu schaffen. Deswegen habe ich ein Jahr vor meinem Vertragsende aufgehört. Für mich persönlich ist der Abgang wunderbar gelungen, für die Firma leider nicht. Ich musste 66 Jahre alt werden, um einen vordergründig so freundlichen Menschen mit einer solchen Vorgehensweise kennenzulernen.
"Für mich ist der Abgang wunderbar gelungen, für die Firma leider nicht" - DWDL
Kultur
Ein weiteres Beispiel für die ideologische Unterwanderung des Kunstbetriebs, ist die aktuelle Caspar David Friedrich-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, die Alan Posener kommentiert.
Reden wir vom Ärgernis der Didaktisierung, Infantilisierung und Indoktrinierung des Publikums.
Texte an der Wand erklären, was man sehen soll. Nicht sehen soll man den liberalen Bürger Caspar David Friedrich, der den nationalen Befreiungskrieg gegen Napoleon begrüßte und am Scheitern der Hoffnungen auf Demokratie und nationale Einheit nach dem Wiener Kongress verzweifelte. Stattdessen wird „das neuartige Verhältnis von Mensch und Natur in Friedrichs Landschaftsdarstellungen“ betont.
Im Gegensatz zu seinem englischen Zeitgenossen William Turner, der Dampflokomotiven und -schiffe malte und die Großstadt als Thema der Landschaftsmalerei entdeckte, hatte Friedrich bei aller fortschrittlichen politischen Gesinnung ein eher rückschrittliches Verständnis unberührter Natur.
Und genau das ist es, was den Ausstellungsmachern gefällt. Friedrichs Gemälde „Das Eismeer“ etwa zeigt riesige Eisschollen, die ein Schiff zerquetscht haben. Das Bild ist Symbol für den Winter der Restauration, in der die Hoffnungen der Revolution zerdrückt wurden. In einem anderen Bild Friedrichs mit dem gleichen Thema trägt das Schiff sogar den Namen „Hoffnung“. In Hamburg aber wird das Werk „angesichts der Klimakrise“, wie Kunsthallendirektor Alexander Klar schreibt, zum Sinnbild der „Zerbrechlichkeit und der Gewalt der Natur“ verfälscht.
In einem „Vermittlungsraum“, in dem „die Unermesslichkeit globaler Krisen erfahrbar“ werden soll, müssen sich darum die Besucher überlegen, wie wir die Erde retten können und entsprechende Bildchen malen. Im „Rückgriff auf Friedrichs Bilder“, wie es im Katalog heißt, üben die im Vermittlungsraum ausgestellten modernen Künstler „deutliche Kritik am Heldentum, imperialen Gesten und unökologischem Verhalten“. Tadah!
Natürlich darf der Postkolonialismus nicht fehlen. Friedrich war zwar Maler einer nationalen Befreiungsbewegung gegen den französischen Imperialismus. Daher auch seine Betonung deutscher Symbole wie etwa der Eiche. Aber das wird nicht erklärt, stattdessen gefragt, wie man die Vereinnahmung des Malers durch Nationalisten und Rassisten verhindern könne.
So wurde der afro-amerikanische Kitsch-Maler Kehinde Wiley aufgefordert, zwei Werke beizusteuern. Man schämt sich fast, die Armut seiner Lösung auszusprechen: Wiley ließ die „Kreidefelsen auf Rügen“ und den „Wanderer über dem Nebelmeer“ vergrößern und ersetzt Friedrichs weiße Protagonisten durch Schwarze. Tadah! Kunscht! Das Ergebnis freilich wirkt wie eine Propagandatafel der AfD gegen den „Großen Austausch“.
Wie in Hamburg Museumsbesucher indoktriniert werden - Welt
Coverversion der Woche: Day Wave - Ceremony
Zum heutigen Geburtstag von Bernard Sumner war klar, dass es ein Song von Joy Division oder New Order sein muss. Das Stück “Ceremony” wurde von Joy Division geschrieben und einige Male live gespielt. Veröffentlicht wurde es jedoch erstmals nach dem Tod von Ian Curtis im Januar 1981. Die Band hatte sich inzwischen unter dem Namen “New Order” neu formiert.
New Order veröffentlichte den Titel ein zweites Mal im September des Jahres mit dem Mitglied Gillian Gilbert als Single. Diese Version war dann auf dem Album “Substance” erhalten.
Es ist immer schwierig, Songs legendärer Bands zu covern. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Diese von Day Wave aus dem Jahr 2015 ist allerdings sehr gelungen.
Epilog
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Bei dem Text von Bernd Ulrich bin ich ausnahmsweise anderer Meinung als Sie. Lesenswert ist er m.E. allenfalls in dem Sinne, daß er die nahezu abenteuerliche Ignoranz der Zeit und anderer Leitmedien gegenüber dem eigenen Versagen und der eigenen Rolle beim Aufstieg der neuen Rechten illustriert.
Ich war lange Jahre treuer Leser der Zeit, bis mir irgendwann die vielen Unsauberkeiten bis hin zu propagandistischen Verdrehungen auffielen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die feministische Propaganda von Zeit, SZ et al.: die Fehler in diesen Mythen (um nicht zu sagen Lügen) findet jeder, der sich etwas genauer damit beschäftigt und die angeblichen Beweise bzw. die Originalquellen nachliest. Inhaltlich mag das Thema nicht so wichtig sein, weil aber die Wahrheitsverdrehung sowohl qualitativ als auch quantitativ ein derartiges Ausmaß hat (Relotius war kein Zufall), zerstört sie jedes Vertrauen.
Ulrich fragt allen Ernstes: "Kann es denn wirklich sein, dass hier das Große Ganze bedroht ist, wenn man selbst so liberal ist ...". Zugleich hofiert man die Grünen mit ihrem Frauenstatut, das Männer zu politischen Untermenschen macht und m.E. unmittelbar verfassungswidrig ist: Parteien haben zwar sehr viel Freiheit in ihren Zielen, nach Art 21 GG (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html) muß aber "Ihre innere Ordnung ... demokratischen Grundsätzen entsprechen". Menschen aufgrund angeborener biologischer Merkmale zu Bürgern zweiter Klasse zu machen, ist zutiefst undemokratisch, antiliberal und ein klassisches faschistoides Konzept. Wer solche Konzepte hoffähig macht und knallhart durchsetzt (s. z.B. Vorgänge im Saarland bei der letzten BTW), leistet unschätzbare Zuarbeit für die AfD: schlimmer sind die auch nicht, denn die haben noch nicht einmal ein "Deutschenstatut", das Zuwanderer ganz offiziell diskriminiert.
Man könnte noch eine Reihe weiterer Beispiele diskutieren (Genderdeutsch, Transaktivismus, desaströs falsche, von Wunschdenken getrieben Einschätzung der Energieversorgung, Realitätsleugnung bei den Migrationsproblemen), warum die Grünen - deren Konzepte von Merkel durchgesetzt wurden - die AfD hoffähig gemacht haben. Nichts davon kommt im Text von Ulrich vor, und deswegen halte ich seine Lageanalyse für grundlegend verfehlt, ebenso die darauf basierenden Therapievorschläge.