Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #81
Prolog
Auch in dieser Woche ist wieder ausreichend Material für den Newsletter zusammengekommen. Was mich nach wie vor stört: Mehrmals die Woche werden mir Artikel empfohlen, die ich wirklich gern lesen würde. Leider bieten die Verlage immer noch nicht die Option an, für einzelne Texte zu bezahlen. Was sie davon abhält, erschließt sich mir nicht. Da ich nicht bereit bin, dauerhaft fünf Zeitungen zu abonnieren, bleiben diese Artikel dann eben aussen vor. Schade.
Eine gute Nachricht war, dass Manuela Schwesig mit ihrem Versuch gescheitert ist, den Politiker Christoph Ploß rechtlich zu belangen. Dieser hatte in der Talkshow bei Markus Lanz im Zusammenhang mit Nord Stream 2 folgendes gesagt:”Dann haben sie weitere Personen in der SPD-Spitze wie Manuela Schwesig, die klar sagt: 'Also diese Völkerrechtsverletzungen, die interessieren mich nicht. Hauptsache, die Pipeline kommt in Betrieb.' Sie hat das ziemlich deutlich gesagt.” Schwesig verlangte eine Unterlassungserklärung, die Ploß sich weigerte zu unterschreiben. Daraufhin musste sich die Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg damit befassen.
Das Dreier-Gremium ließ Schwesig ohne mündliche Verhandlung wissen, dass sie keinen Anspruch auf Unterlassung habe, da es sich nicht um ein Zitat handele. Es hieß “Bei Berücksichtigung des Kontextes der Äußerung und des Charakters der Auseinandersetzung als hitzige Diskussion stellt sich die angegriffene Äußerung als politische Meinungsäußerung und nicht als Wiedergabe eines Zitats dar." Die Formulierung, jemand "sage" etwas, sei vielmehr ein Stilmittel, "um politische Positionen zusammenzufassen". Bei Ploß´ Aussage handele es sich um eine "wertende Zuspitzung, nicht hingegen um ein wörtliches Zitat".
Das Gericht verwies außerdem darauf, dass Ploß sich in einer TV-Livesendung geäußert habe, "in der sich die Diskutierenden häufig ins Wort fallen und die mit Schärfe geführt wird". Ein gutes Ergebnis. Der Versuch, eine zulässige Meinungsäußerung als Falschzitat verbieten zu lassen, ist fragwürdig. Dieser Stil sollte nicht Schule machen. Die Nerven scheinen hier allerdings aus gutem Grund freizuliegen. Schwesigs merkwürdiges Engagement in Sachen Pipeline wird sicher noch länger Thema sein.
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Nun aber los.
Heute geht es unter anderem um eine Kolumne, den Kulturbetrieb und Lebensentwürfe.
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Politik und Gesellschaft
Inzwischen überlege ich wirklich, eine Sonderreihe “Mythos Cancel Culture” zu starten, denn die Fälle, in denen ein System zum Tragen kommt, dass - wie seine größten Profiteure nicht müde werden zu betonen - gar nicht existiert, häufen sich weiter. Ein aktuelles Beispiel ist der Kolumnist Harald Martenstein. Nach einem Text, in dem er nach Meinung mancher Antisemitismus verharmloste, löschte der Tagesspiegel diesen, ohne das dem Verfasser auch nur mitzuteilen. Daraufhin kündigte Martenstein nach 22 Jahren beim Blatt. Ein nachvollziehbarer Schritt. Nun wird vielfach behauptet, hier handele es sich gar nicht um Cancel Culture. Wie man vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein vorher abgenommener und bereits veröffentlichter Text nach massiver Kritik ohne Rücksprache mit dem Autor gelöscht wird behaupten kann, er sei nicht gecancelt worden, ist für mich nicht nachvollziehbar. Benedict Neff hat in der NZZ einen lesenswerten Text dazu geschrieben.
Am 6. Februar 2022 widmete sich Martenstein dem Phänomen der Corona-Demonstranten, die mit Judensternen und der Aufschrift «ungeimpft» gegen die staatliche Politik auf die Strasse gehen. Er kommt in der Kolumne zu dem Schluss, dass sich die Demonstranten damit zum «totalen Opfer» stilisieren wollten. Dies sei immer eine Anmassung und eine Verharmlosung und für die Überlebenden des Holocaust schwer auszuhalten. Antisemitisch sei die Aktion aber nicht, schreibt Martenstein, denn die Träger würden sich ja mit den verfolgten Juden identifizieren.
Tags darauf hat die Chefredaktion des «Tagesspiegels» eine Stellungnahme publiziert, eine Distanzierung. Neun Tage später wurde der Text gelöscht, und mittlerweile hat sich der Autor mit einer letzten Kolumne von den Lesern verabschiedet. Begleitet wurden die Tage von Empörung, Kritik und Verteidigungen.
Man könnte die Sache als erledigt betrachten, aber die Stellungnahme der Zeitung verdient doch etwas Aufmerksamkeit. Nach intensiver Auseinandersetzung, heisst es da, sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Kolumne so nicht hätte veröffentlicht werden sollen. Es gehöre zwar zum Selbstverständnis der Zeitung, ein breites Meinungsspektrum abzubilden, die Voraussetzung dafür sei aber die Einhaltung redaktioneller Standards. Dabei gelte unter anderem: «Nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des ‹Tagesspiegels› angemessen.» Und weiter: «Wir verzichten auf Provokationen um der Provokation willen und vermeiden Graubereiche, die zu Missverständnissen einladen oder verleiten.»
Inwiefern Martensteins Kolumne gegen die Standards verstossen haben soll, wird nicht verständlich. Aber unweigerlich bleibt man beim Wort «Graubereiche» hängen. Die Behauptung, dass die demonstrative Zweckentfremdung des Judensterns nicht zwingend antisemitisch sei, stellt wohl genau so einen Graubereich dar. In diese Zonen scheint die Zeitung keine Gedankenarbeit mehr investieren zu wollen, weil zu gefährlich.
Das Problematische an der Reaktion des «Tagesspiegels» ist, dass genau an diesem Punkt abgebrochen wird, und zwar aus Prinzip: weil es potenziell kompliziert, unangenehm wird und weil die Welt am Ende nicht so eindeutig ist, wie man sie gern haben möchte. Die Debatte wird da abgeklemmt, wo das mediale Schwarz-Weiss-Schema (das sonst von seriösen Zeitungen kritisiert wird) zu versagen droht. Die Stellungnahme des «Tagesspiegels» heisst in umstrittenen Fällen auch: Differenzierung nicht erwünscht. Die Löschung des Beitrags wiederum wirkt im Zeitalter des Internets, das alles und nichts vergisst, ein bisschen naiv.
Dass Martensteins Meinungsäusserung den Rahmen des Sagbaren bei einer durchaus bekannten deutschen Hauptstadtzeitung zu sprengen scheint, ist kein gutes Zeichen. Aber auch nicht verwunderlich.
Auch der immer kluge Alan Posener hat sich über das Thema Gedanken gemacht. Er argumentiert etwas anders, kommt aber zu keinem anderen Schluß als Neff.
Glossen aber, die Graubereiche, Missverständnisse, Provokationen und Emotionen vermeiden, sind keine Glossen mehr. Natürlich soll niemand „persönlich verletzt“ werden; aber die Mode, sich durch Äußerungen über geschichtliche, kulturelle, religiöse, ethnisch oder geschlechtliche Fragen „persönlich verletzt“ zu fühlen, bedroht die freie Diskussion.
„Was darf die Satire? Alles“, meinte Kurt Tucholsky 1919. Auch wenn „halb Deutschland auf dem Sofa sitzt und übelnimmt“. Was darf die Satire, wo die Maßstäbe des „Tagesspiegels“ gelten? Fast nichts.
Gelöscht, wie in Orwells „1984“ – So wird die freie Diskussion bedroht - Welt
Ähnlich Beunruhigendes spielt sich an Berliner Bühnen ab. Persönlich bin ich ja der Meinung, dass Theater in Berlin insgesamt eine beunruhigende Sache ist, aber das würde zu weit führen. Der ehemalige Intendant der Volksbühne Klaus Dörr ist auf der Website des Hauses nicht mehr zu finden. Die Geschichte dahinter ist grotesk. Sie zeigt aber auch eine Entwicklung, die man im Auge behalten sollte. Ein hervorragender Artikel von Birgit Walter.
In die Schlagzeilen geriet er erstmals vor einem Jahr, als ihn die Tageszeitung taz als übergriffigen „Sexisten“ bezeichnete und die Frage stellte: War der Kultursenator gewarnt? Gewarnt. Als wäre ein Straftäter dem Gefängnis entflohen und bilde eine Gefahr.
Klaus Dörr wies sämtliche Vorwürfe zurück. Doch egal, der Ton war gesetzt, der nächste MeToo-Fall in der Welt. Der Intendant legte drei Tage nach der taz-Veröffentlichung sein Amt nieder, übernahm die Verantwortung. Er wollte sich der medialen Schlammschlacht entziehen. Die fand nun ohne ihn statt. Die Presse sog den Fall gierig auf und schmückte ihn aus. Die Frauenzeitschrift Brigitte stellte Dörr in eine Reihe mit dem Regisseur Dieter Wedel und dem verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein, drei Fotos, gleich groß nebeneinander unter dem Titel: „Belästigt, vergewaltigt, Freispruch?“ Als sei einer der drei nach einer Vergewaltigung freigesprochen worden.
Man stutzt schon beim ersten Lesen der taz, die sich der „Aufdeckung“ des Falles rühmt, denn der Hauptvorwurf läuft auf angebliches „Anstarren“ von Frauen hinaus. Der einzige zitierte fiese Spruch („... jeder will dich ficken!“) fiel – wenn überhaupt – vor sieben Jahren nach viel Wein auf einer Premierenfeier in Stuttgart. Ansonsten stellt die taz vor allem unkonkrete Behauptungen auf wie „enge, intime, körperliche Nähe und Berührungen, erotisierende Bemerkungen“, Mobbing, Machtmissbrauch. Was genau ist gemeint? In den Gedächtnisprotokollen der Beschwerdeführerinnen der Volksbühne – es sind sieben, nicht wie kolportiert zehn –, liest es sich so: Klaus Dörr hat einer Frau „die Hand auf die Schulter gelegt“, angeblich auch auf ein Bein, es reichte „bis zu Handküssen zur Begrüßung“. Die „sexistischen“ Begriffe heißen „Maus“, „Theatermaus“, „Tante“; Machtmissbrauch meint wohl SMS nach Feierabend aufs Privathandy. Eine Schauspielerin will nach einem Gespräch mit Dörr Existenzangst bekommen haben, sie ist 63 und unkündbar, weil länger als 15 Jahre am Haus.
So, und jetzt stellen wir noch mal kurz klar, an was für einem Ort wir uns gerade befinden. An der größten Bühne Berlins mit hochemanzipiertem, 270-köpfigen Ensemble, berühmt für Inszenierungen mit ungenierten Tabubrüchen entlang zivilisatorischer Abgründe? Oder in einem stalinistischen Erziehungsheim, in dem geknechtete Insassen nicht Laut geben dürfen? So angstgeschüttelt, dass sie einfache Sätze nicht sprechen können: Chef, bitte keine Hand auf meine Schulter! Castorf dürfte sich gekugelt haben vor Lachen, als er die Nachrichten von seiner alten Bühne las. Was passierte denn, wenn eine Kollegin verlangte, Dörr möge keine „unangemessenen SMS“ senden? Dann, schreibt die taz, hat sich der Intendant entschuldigt und keine Nachricht mehr geschickt. Warum haben das die anderen Frauen nicht gekonnt?
So einen muss nicht jede Kollegin mögen, aber jede kann sich Sprüche verbitten, zur Not über Frauenbeauftragte und Personalräte. Doch die Beschwerdeführerinnen der Volksbühne hielten sich eher an die linksradikale Feministin (Selbstbeschreibung) Sarah Waterfeld. Sie hatte 2017 mit ihrem Kollektiv „Staub zu Glitzer“ unter Dercon die Volksbühne besetzt, bis das Haus von der Polizei geräumt wurde.
Auch Dörr lehnte ihr künstlerisches Projekt an der Volksbühne ab. War es ein Racheplan, was nun folgte? Waterfeld rühmt sich heute, acht Monate lang für Dörrs Sturz und das Ende der „patriarchalen Tyrannei“ gekämpft zu haben. Erzählt auf Instagram, wie sie die Frauen zu der Beschwerde gebracht und die Presse mobilisiert hat, „Überredungskunst“ einsetzen musste. Denn die Frauen wollten partout keine Namen nennen, nicht vor die Kamera, weshalb die Fernsehkollegin absprang. Zuletzt habe Waterfeld, erzählt sie, die taz aktiviert, die dann die läppischen Vorwürfe skandalisierte. Am Tag von Dörrs Rücktritt habe sie eine halbe Stunde lang geweint – vor Glück. Enttäuscht nur, weil die taz ihre, Waterfelds, monatelange Recherchearbeit einfach unerwähnt ließ.
Solche Kräfte bestimmen, was an der Spitze eines Berliner Staatstheaters passiert? Nicht der Kultursenator?
Nun, der hörte sich über Stunden an, was betroffene Frauen vorzutragen hatten und ließ ihre Gedächtnisprotokolle rechtlich prüfen. Fachanwälte bestätigten ihm, dass derart vage, unkonkrete Vorwürfe sicher nicht mal für eine Abmahnung reichten. Monate später konfrontierte der Kulturstaatssekretär den Intendanten mit den Vorwürfen der Mitarbeiterinnen. Aber es gab keinen einzigen Vermittlungsansatz, nicht einen Versuch der Konfliktlösung, nichts. Nach Erscheinen des taz-Artikels ließ Lederer den Intendanten fallen, nahm den Rücktritt an, drei Monate vor Ende der Amtszeit. Spreizte sich im Kulturausschuss, wie er sofort Verantwortung übernommen habe für die betroffenen Frauen.
Reicht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht bis zum Intendanten? Doch, doch! Als 2019 Vorwürfe über den rabiaten Führungsstil der Gorki-Theater-Intendantin Shermin Langhoff aufkamen, setzte Lederer sofort einen Mediationsprozess in Gang. Verlängerte danach Langhoffs Vertrag bis 2026, ohne es der Öffentlichkeit mitzuteilen, „vergessen“ – behauptete er im Onlineportal Nachtkritik. Monate später berichtete der Spiegel über massive Vorwürfe gegen Langhoff („Das Gorki bin ich!“), weit konkreter als an der Volksbühne. Langhoff blieb. Klar – sie ist eine Frau mit türkischen Wurzeln, ihr migrantisches Theater hat Erfolg, wird goutiert von linker Klientel. Da hat der Senator einen Kompass, was zu tun ist.
Der gewesene Volksbühnen-Intendant, der nach jahrzehntelanger untadeliger Arbeit keinen Job mehr bekommt, findet nicht mal mehr Erwähnung auf der Website. Der Mann hat Handküsse auf dem Gewissen! Wobei Klaus Lederer natürlich nicht gerichtet hat. Diesen Part überließ er der radikalen Aktivistin und der skandalisierenden Presse.
So wie an der Volksbühne, bei den Festspielen und wer weiß wo noch. Welche Rolle Recht und Gesetz in der Zukunft spielen könnten, wenn Denunzianten und Moralisten die Hoheit über die Wahrheit übernehmen, wenn sich der Gender-, Sensibilisierungs- und Antidiskriminierungswahn weitere Räume in der Kultur erschließt und „Opfer“ kreiert, zeigt die neue Dienstverordnung im Theater an der Parkaue. Die besagt: Es wird unwiderleglich vermutet, dass jemand beleidigt oder diskriminiert wurde, wenn er sich beleidigt oder diskriminiert fühlt. Dann folgt eine Art Strafkatalog.
Unwiderleglich! Was, wenn derart bizarre Regeln Schule machen? Und es fiel noch kein Wort darüber, was aseptische Arbeitsverhältnisse – wie hier angestrebt –, was das Lauern auf falsche Worte oder Gesten für die Kreativität an den Bühnen bedeuten können.
Der „Sexist“ mit den Handküssen - Berliner Zeitung
Auch an der Berliner Schaubühne geschieht Eigenartiges. Dort werden private Äußerungen von Schauspielern sanktioniert.
Ein Berliner Schauspieler schreibt auf Facebook ein bisschen vor sich hin. Er hat einen Fernsehabend über Kolonialismus verfolgt und fragt sich nach der Moral in der Geschichte. Es gewinne in ihr, schreibt er, fast immer der Fortschritt, der die Moral auch fast immer auf seiner Seite habe. Man vermutet, er meint: weil Fortschritt eben Fortschritt sei. Hätten die „Indianer“ sich gegen die Einwanderer aus Europa behauptet, schreibt der Schauspieler, gebe es die Vereinigten Staaten nicht. Aber der Fortschritt geht mit Gewalt und ungeheuren Verlusten einher. „Die ‚Indianer‘ hatten die Zeit nicht auf ihrer Seite“.
So weit, so unklar und ein wenig durcheinander. Jetzt aber kommt das Haus, an dem der Schauspieler arbeitet, die Berliner Schaubühne. Sie gibt eine Pressemitteilung zu seiner Äußerung heraus. Er verharmlose den Massenmord an der indigenen Bevölkerung Amerikas, sein Text sei rassistisch und diskriminierend, man entschuldige sich. Der Schauspieler entschuldige sich ebenfalls. Er habe sich auf Facebook und auch „intern“ entschuldigt und sich zudem entschlossen, an einem „Einzelcoaching zum Thema Rassismus und Diversität“ teilzunehmen. Das Haus selber fühle sich mitverantwortlich. Das ist nicht nur des Tons halber interessant. Es wird so getan, als läge in den Sätzen des Schauspielers ein Vergehen vor, das nur geheilt werden könne, wenn alle Instanzen der Entschuldigung bis hin zu einem Diversitäts-Coaching durchlaufen werden.
Was der Schauspieler gesagt hat und inwiefern es rassistisch war, wird nicht mitgeteilt, sondern vorausgesetzt. Die Pressemitteilung lobt das eigene Haus dafür, dass „bei solchen Vorfällen adäquate Maßnahmen erfolgen“. Vom therapeutischen zum polizeilichen Ton. Damit wir uns recht verstehen, wir wollen die Ausführungen des Schauspielers gar nicht verteidigen. Aber bedarf es Umerziehungsmaßnahmen, wenn sie gefallen sind? Von der Bühne herab hat er sie nicht vorgetragen.
Vor welchem Tribunal muss sich die Schaubühne also ostentativ reinigen, wenn ein Schauspieler außerhalb des Theaters etwas Zweideutiges sagt? Und wäre sie ganz sicher, dass innerhalb des Theaters und von seinen Bühnen herab garantiert nie etwas ähnlich Zweideutiges gesagt wird? Diese Sicherheit anzustreben wäre fatal. Denn wer würde schon ein eindeutiges Theater aufsuchen wollen, das alles bekräftigt, was wir ohnehin über die Welt, die Gesellschaft und das Gute wie Böse in der Geschichte denken?
Schauprozess an der Schaubühne - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Eine Rede der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch hat für Wirbel gesorgt. In dieser bezog sie sich auf den Grünen-Abgeordneten Markus Ganserer, der sich den Namen “Tessa Ganserer” ausgesucht hat. Ich bin weit davon entfernt, der AfD in irgendeiner Position zuzustimmen und natürlich sind von Storchs Worte nicht von den Werten der Aufklärung motiviert. In dieser Rede referiert sie allerdings lediglich Fakten. Markus Ganserer ist rechtlich und biologisch ein Mann. Eine Geschlechtsumwandlung sowie die Änderung des Namens im Pass hat er immer abgelehnt. Er trägt Frauenkleider und hat sich einen weiblichen Namen gegeben. Solche Menschen nennt man Transvestiten. Selbstverständlich soll jeder so leben, wie er möchte. Dass er auf einem Frauenquotenplatz im Bundestag sitzt, wirkt allerdings wie eine bizarre Idee von Monty Python. Man kann nur hoffen, dass das sogenannte “Selbstbestimmungsgesetz”, mit dem unter anderem jeder sein Geschlecht per Sprechakt wechseln könnte, nicht verabschiedet wird. Die Folgen wären verheerend. Vor allem für Frauen. Männer könnten sich dann einfach als Frau deklarieren in weibliche Schutzräume eindringen. Es ist wichtig, dass man solche Themen nicht dem rechten Rand überlässt, sondern sie im demokratischen Spektrum differenziert diskutiert. Ähnlich sieht es Uwe Steinhoff im “Cicero”.
In ihrer Rede zum Weltfrauentag hat die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch festgestellt, dass der grüne Abgeordnete Markus Ganserer ein Mann ist. Dafür wurde sie von Mitgliedern der Ampelkoalition im Bundestag und in den sozialen Medien als „transphob“ und „menschenverachtend“ beschimpft. Vielmehr aber sind diese Beschimpfungen realitätsfeindlich und frauenverachtend, schreiben sie doch dem Selbstempfinden eines Mannes größere Wichtigkeit zu als der weiblichen Realität.
Wenn die Ampel und er also meinen, er sei eine Frau, müssen sie den Begriff wohl anders meinen. Aber wie? Sie wissen es selbst nicht. Die ZEIT-Journalistin Mariam Lau stellte kürzlich fest, dass auf ihre an Ganserer gerichtete Frage hin, was denn nun eigentlich eine Frau sei, „die Atmosphäre etwas eisig“ wurde. Statt eine Definition zu liefern, erklärte Ganserer: „Pilze wurden lange Zeit den Pflanzen zugeordnet, sie bilden aber eine eigene dritte Domäne eukaryotischer Lebewesen.“
Richtig. Und Biologen haben klare Kriterien, nach denen sie sowohl Pilze von Pflanzen als auch Männer von Frauen unterscheiden können. Umgekehrt bleiben Ganserer und die Ampel jedes Kriterium dafür schuldig, ihn als Frau zu zählen. Es ist nicht nur so, dass sie keine biologische Definition bieten. Sie haben überhaupt keine, nicht einmal eine ideologische. Sie stellen eine bloße Behauptung auf und quittieren rationalen Widerspruch mit Vorwürfen der „Menschenfeindlichkeit“ und „Transphobie“.
Die eigene Frauenfeindlichkeit der Ampel zeigt sich darin, dass das anvisierte Selbstbestimmungsgesetz es Männern erlaubt, ihren amtlichen Geschlechtseintrag und damit ihren rechtlichen Status durch simple Selbstdeklaration zu ändern. Dies würde ihnen Zugang zu normalerweise und aus guten Gründen Frauen vorbehaltenen Domänen verschaffen, wie Frauengefängnissen, Frauenkriminalitätsstatistiken, Frauensport, Preisen und Stipendien für Frauen, Frauentoiletten, Frauenhäusern oder über Quoten für Frauen reservierte Posten (wie ja bereits im Falle Ganserers). Zudem zwingen die Gesetzesentwürfe von FDP und Grünen Bürger unter Androhung von Geldstrafe dazu, Männer nach entsprechender Änderung des Geschlechtseintrags „Frauen“ zu nennen und sie mit weiblichen Personalpronomen anzureden.
Die Ampel leugnet daraus erwachsende Gefahren und Ungerechtigkeiten für Frauen sowie die Verletzung der Meinungs- und Gewissenfreiheit. Doch britische Statistiken zeigen, um nur ein Beispiel zu nennen, dass sogenannte „Transfrauen“ mit fünf mal größerer Häufigkeit sexuelle Übergriffe gegen Frauen in Frauengefängnissen begehen als andere Gefangene. Die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen ist der Ampel offenbar weniger wichtig als die Macht sich als Frauen deklarierender Männer, andere zu Projektionsflächen ihrer Selbstwahrnehmung fremdzubestimmen.
Der Abgeordnete ist ein Mann - Cicero
Interessant dazu ist auch die Meinung einer Transsexuellen, die Markus Ganserer ebenfalls nicht als Frau sieht. Sie weist auch darauf hin, dass der entscheidende Punkt dabei die Geschlechtsdysphorie ist.
Kultur
Coverversion der Woche: Telephoned - Nearly Lost You
Vorgestern starb Screaming Trees-Sänger Mark Lanegan mit nur 57 Jahren. Der mit Abstand größte Hit seiner Band war 1992 “Nearly Lost You” auf dem Album “Sweet Oblivion”. Die Version von Telephoned erinnert mich im Gegensatz zum krachig-grungigen Original eher an die Sneaker Pimps. Auch nicht schlecht.
Epilog
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