Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #76
Prolog
Die Tatsache, dass in Berlin nichts funktioniert, erfüllt eine ähnliche Funktion wie das Wetter in London. Man regt sich permanent darüber auf, allerdings würde ein zentrales Thema für den Smalltalk wegfallen, wenn sich das auf einmal änderte. Deshalb möchte ich Ihnen die neueste Mitteilung nicht vorenthalten.
Die BVG hat bekanntgegeben, dass sie aufgrund der vielen Ausfälle wegen Coronaerkrankungen bei Mitarbeitern den Busverkehr einschränken muss. Es ist bereits Alltag, dass Busse ohne Angabe von Gründen nicht fahren. Regelmäßig fallen auch mehrere hintereinander aus. Vergleichbares habe ich in noch keiner anderen Großstadt erlebt. Ein Busfahrer erklärte mir bereits vor einigen Jahren, der Grund dafür sei, dass viele Fahrer in Rente gingen und nicht genug Nachwuchs vorhanden sei. Er prognostizierte, dass dieser Zustand sich bis auf Weiteres nicht ändern würde. Nun wird der Takt also auch regulär reduziert. Wer in Berlin Termine hat, verlässt sich auch in Zukunft besser nicht auf den Bus.
In letzter Zeit werde ich regelmäßig gefragt, warum ich mich bisher so gut wie gar nicht zum Themenkomplex Corona geäußert habe. Der Grund dafür ist, dass mich das allgemeine Niveau der Diskussion abstößt. Eine differenzierte Debatte ist leider kaum möglich und oft auch gar nicht erwünscht.
Die Nachricht der Woche ist, dass die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den gesamten Bundesvorstand einer Regierungspartei wegen Untreue ermittelt. Darunter sind gleich zwei Bundeminister. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Der einzige Grund, warum viele Medien bisher eher verhalten berichten und die sozialen Netzwerke nicht explodieren ist, dass es sich bei der Partei um die Grünen handelt. Gern wird eingewendet, es ginge ja nur um 1500 bzw. 1200 € und die Kirche solle im Dorf bleiben. Es liegt mir fern, hier kriminelle Energie zu unterstellen und selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung. Bei Christian Wulff, um ein ähnliches Beispiel zu nennen, ging es damals um 753,90€. Trotzdem war monatelang die Hölle los und seine Karriere zuende. Wulff ist eben in der CDU. Als die Staatsanwaltschaft anfing zu ermitteln, trat er zudem zurück. Auch das wird in diesem Fall wohl nicht passieren. Eine unangenehme Doppelmoral.
Bezüglich der Außenministerin, die mich in manchen Punkten bisher durchaus positiv überrascht, muss man sich inzwischen fragen, inwiefern sie nach teilweise erfundenem Lebenslauf, einem Buch voller Plagiate, jahrelang nicht gemeldeten Nebentätigkeiten und nun vielleicht auch Untreue, noch als Vorbild taugt. Was kommt als nächstes? Andere Politiker sind in der Vergangenheit schon wegen eines Bruchteils dieser Verfehlungen zurückgetreten. Siehe Wulff.
Maja Göpel hat der Zeitschrift “Liberal” ein Interview gegeben, in dem sie zu einem “Liberalismus 2.0” aufruft. Ihre Gedanken sind durchaus interessant. Mit Liberalismus haben sie allerdings nichts zu tun. Sie sind vielmehr eine Pervertierung des ursprünglichen Begriffs und im Prinzip eine intellektuelle Kriegserklärung. Göpel, die ja nicht irgendjemand ist, liegt mit ihrem Versuch, Liberalismus umzudefinieren, voll im Trend. Von Empörung ist trotzdem abzuraten. Viel eher sollten diese Bälle aufgenommen und souverän zurückgespielt werden. Unbegreiflich, dass das bisher kein Liberaler mit Gewicht getan hat.
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Nun aber los.
Heute geht es unter anderem um kulturelle Aneignung, das Grundgesetz und schlechtes Benehmen.
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Politik und Gesellschaft
Einen interessanten Artikel über die mangelnde Distanz mancher Medien zu NGOs hat Christian Maertin am Beispiel der Diskussion um den aktuellen “Pestizid-Atlas” der Böll-Stiftung geschrieben.
Journalisten brauchen für komplexe Themen Vorbereitungszeit. Daher stellen ihnen Unternehmen, Fachzeitschriften, Forschungseinrichtungen und andere umfangreiche Dokumente häufig mit Sperrfrist vorab zur Verfügung. Dabei herrscht die stillschweigende Vereinbarung, dass die Nachricht nicht vor Ablauf der Frist verbreitet wird. Journalisten haben so die Möglichkeit, sich kritisch mit den Zahlen, Daten, Fakten und Thesen auseinanderzusetzen. Sie können bei Vorwürfen die Gegenseite anhören und gegebenenfalls mit Experten diskutieren, die nicht an der Entstehung der Studie oder der Dokumente beteiligt waren.
Absolut unüblich und unjournalistisch ist es jedoch, wenn Journalisten sich verpflichten lassen, die Daten und Erkenntnisse aus der Studie nicht mit Gesprächspartnern zu diskutieren. Wer solche Bedingungen stellt, will seine Interpretation und Sichtweise durchsetzen. Institutionen, Unternehmen oder Forscher, die so etwas verlangen, fürchten Kritik.
Das Dokument hatte die Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit verschiedenen NGOs erarbeitet und Journalisten vorab zur Verfügung gestellt – verbunden mit der Bedingung, mit niemand über die Inhalte zu sprechen oder gar den Atlas mit irgendjemand zu teilen.
Nun ist es von außen schwer zu beurteilen, welche Redaktionen sich diesem Diktat entwarfen. Fast niemand sah jedenfalls die Notwendigkeit, die Botschaften der Böll-Stiftung vor der Berichterstattung nochmal mit Hilfe unabhängiger Experten gegenzuchecken.
Die Folge: Wissenschaftlich nicht nachvollziehbare Hochrechnungen über Pestizidvergiftungen und -todesfälle, falsche Mengenangaben, Grafiken mit irreführenden Maßstäben und unpräzise Angaben hinsichtlich der (Umwelt)-Toxizität von Pflanzenschutzmitteln wurden eins zu eins an eine Öffentlichkeit durchgereicht, die glauben musste, die Angaben seien journalistisch sauber recherchiert und geprüft. In einem Interview mit Spiegel Online, das nach der Veröffentlichung des Pestizid-Atlas erschien, sagte Kathrin Grahmann, Wissenschaftlerin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung über die undifferenzierten Angaben:”Fachleuten, etwa am Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, wäre das sofort aufgefallen.”
Um es klar zu sagen: Das Ziel der Autoren des Pestizid-Atlas, ihre Botschaften möglichst unhinterfragt in den Medien zu platzieren, ist legitim. Journalisten, denen spektakuläre Daten oder vermeintliche Sensationen angeboten werden, machen sich jedoch zu Komplizen ihrer Informationsgeber, wenn sie sich dem Diktat unterwerfen, vor dem Ende der Sperrfrist mit niemand darüber zu sprechen. Sie nehmen in Kauf, dass sie Zahlen und Botschaften verbreiten, die sie nicht verifiziert haben. Sie fungieren als PR-Agentur der betreffenden Firmen, Forscher oder Institutionen. Mit unabhängigem oder gar kritischem Journalismus hat das aus meiner Sicht nichts zu tun.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil betreffend der Einführung paritätischer Listen bei der Landtagswahl in Thüringen abgewiesen. Ähnliche Paritätsregelungen waren in der Vergangenheit bereits mehrfach von Verfassungsgerichten einkassiert worden. Auch in diesem Fall lohnt es sich, die Begründung - eine schallende Ohrfeige - in Gänze zu lesen.
aa) Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das Paritätsgesetz in die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie der Freiheit und der Chancengleichheit der Parteien eingreift. Diese Annahme erscheint verfassungsrechtlich jedenfalls nicht von vornherein unhaltbar.
bb) Des Weiteren vertritt er die Auffassung, dass auch dem Thüringer Verfassungsrecht das (Gesamt-)Repräsentationsverständnis des Grundgesetzes zugrunde liege, dem eine paritätische „Spiegelung“ der Geschlechter im Parlament fremd sei, sowie dass die Integrationsfunktion der Wahl ein paritätisches Wahlvorschlagsrecht nicht erfordere und das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Thüringer Verfassung (ThürVerf) verankerte Gleichstellungsgebot das Paritätsgesetz nicht zu rechtfertigen vermöge. Die Beschwerdeführenden haben nicht substantiiert dargelegt, dass diese Argumentation auf sachfremden Erwägungen beruht und der Thüringer Verfassungsgerichtshof insbesondere den Inhalt von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 ThürVerf in krasser Weise missdeutet hat.
Susanne Schröter, Professorin für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam sieht die Integrationspolitik der Ampel-Koalition auf einem Irrweg. Sie begründet ihre Befürchtungen in der NZZ.
Die neue deutsche Bundesregierung will sich laut Koalitionsvertrag vom Integrationsparadigma zugunsten eines Teilhabeparadigmas verabschieden. Das bedeutet zuallererst den Verzicht auf das Einfordern integrativer Leistungen von Migranten, wie sie im Programm des Förderns und Forderns niedergelegt waren. Das Gelingen der Integration wird jetzt ausschliesslich als Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft verstanden. Diese soll sich verändern und an die neuen Verhältnisse anpassen, die gern als «postmigrantisch» verklärt werden.
Das schärfste Instrument dieses Plans für eine verordnete gesellschaftliche Umgestaltung sind an Forderungen von Lobbyorganisationen ausgerichtete Antidiskriminierungsrichtlinien gegen «gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit».
Organisationen, die man künftig finanziell fördern möchte, denunzieren Kritik an islamistischen Vereinigungen gern als «antimuslimischen Rassismus». Schweigeverordnungen sind, passend zum linksintellektuellen Zeitgeist, das Gebot der Stunde. Zahlreiche muslimische NGO und ihre Unterstützer haben es verstanden, die Selbstanklage bürgerlicher Kreise, die sich schon deshalb für rassistisch halten, weil sie weiss und nichtmuslimisch sind, optimal für sich zu nutzen.
So sollen die Begriffe «konfrontative Religionsausübung», «aggressive Religionsbekundung» und «religiöses Mobbing» aus dem öffentlichen Diskurs verbannt werden, weil sie angeblich Muslime diskriminieren. Befragt wurden tatsächlich Personen im Kontext von Moscheegemeinden, von denen viele ein fundamentalistisch-reaktionäres Islamverständnis vertreten, was die Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci veranlasste, von einem «Who’s who des politischen Islam» zu sprechen.
Darüber hinaus geht es um ein Gesamtpaket aus Handlungsanweisungen und Weltauffassungen, die junge Islamisten in Klassenzimmern und Pausenhöfen durchzusetzen wissen. Dazu gehört beispielsweise das Fasten während des Ramadans.
Fazit: Es geht hier nicht um religiöse Rechte oder gar die grundgesetzlich verbürgte Freiheit des religiösen Bekenntnisses, sondern allein um islamistische Dominanz. Die Leidtragenden sind religiöse Minderheiten, insbesondere jüdische Schüler, aber auch liberal eingestellte Muslime, die einem andauernden religiösen Mobbing ausgesetzt sind.
Erschwert werden auch die pädagogischen Kernaufgaben der Schulen, etwa in Sachen Gleichberechtigung von Frauen.
In Familien und Moscheen wird vermittelt, dass die eigentliche Tugend eines Mädchens in seiner Sittsamkeit und Unterordnungsbereitschaft bestehe. Solche Indoktrination wirkt. Laut DeVi bekunden viele der sich fromm gebenden muslimischen Schülerinnen kein sonderliches Interesse an schulischen Leistungen, da ihr Ideal das einer Hausfrau und Mutter vieler Kinder ist. Ohnehin steht weltliche Bildung grundsätzlich unter Verdacht, wenn sie nicht mit islamistischen Doktrinen übereinstimmt.
Grüne und Repräsentanten der Partei Die Linke wittern Islamfeindlichkeit. Andere möchten die islamistischen Umtriebe als normales Verhalten in der Adoleszenz verstanden wissen. Wieder andere machen die Lehrer verantwortlich, weil sie sich angeblich zu wenig mit ihrem eigenen Rassismus auseinandersetzen.
Diese Art der Realitätsverweigerung hat eine lange Tradition. Bereits 2009 hatten Güner Balci und Nicola Graf in einem eindrucksvollen Dokumentarfilm mit dem Titel «Kampf im Klassenzimmer» auf die grassierende Feindlichkeit gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft in Klassen mit mehrheitlich muslimischen Schülern aufmerksam gemacht.
Der Institution Schule kommt in Einwanderungsgesellschaften wie der deutschen eine wichtige Rolle zu. Sie soll eine neue Generation befähigen, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten, und muss die Grundlagen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer immer pluralistischer werdenden Umwelt legen.
Gerade für Kinder und Jugendliche aus prekären Milieus könnte Schule ein Raum sein, in dem es möglich ist, die engen Grenzen der Herkunftsfamilie zu überschreiten und sich auf anderes einzulassen. Sie könnten sich Kenntnisse aneignen, die in ihren Milieus als häretisches Wissen geächtet, aber in unserer Gesellschaft der Schlüssel für erfolgreiche berufliche Laufbahnen sind. Nur dann hätten sie tatsächliche Teilhabechancen.
Nicht erst seit den bizarren Diskussionen um die Übersetzung des Gedichts von Amanda Gorman wird in identitätspolitisch erleuchteten Kreisen die Forderung laut, Rollen in Filmen oder Theaterstücken dürften nur Menschen spielen, die mit der gespielten Person Ethnie, sexuelle Orientierung, Geschlecht oder Religion teilten. Nun wird die Schauspielerin Helen Mirren des “Jewfacing” bezichtigt, weil sie als Nichtjüdin im Biopic über die ehemalige israelische Premierministerin, Golda Meir spielt. Das ist so absurd, dass man eigentlich darüber lachen müsste. Leider zieht das Thema weite Kreise.
Bereits 2019 unterzeichneten 20 jüdische Schauspieler und Dramatiker - darunter auch Lipman - einen offenen Brief, in dem sie die Besetzung der Londoner Aufführung des erfolgreichen Broadway-Musicals "Falsettos" kritisierten, in dem es um eine dysfunktionale jüdische Familie geht. Bis auf den Komponisten und den ursprünglichen Regisseur waren alle Beteiligten nicht jüdisch. Die Unterzeichner des Briefes warfen der Produktion "einen erschreckenden Mangel an kulturellem Feingefühl und schlimmstenfalls die offene Aneignung und Auslöschung einer Kultur und Religion vor, die sich zunehmend in einer Krise befindet".
Man dürfe den Begriff "Jewfacing" allerdings nicht mit der rassistischen Praxis des "Blackfacing" gleichsetzen, meint die Kulturreporterin PJ Grisar. "Blackface" war ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ein gängiges Theatergenre - Menschen ergötzten sich in den "Blackface Minstrel Shows" daran, dass weiße Schauspieler sich schwarz anmalten und die versklavten schwarzen Plantagenarbeiter und Hausangestellten als dümmliche Witzfiguren verhöhnten. Heute gilt das als höchst beleidigend. Grisar erwähnt übrigens auch, dass der "König der Blackface-Darsteller", Al Jolson (1886-1950), ein Jude war.
Die Entscheidung darüber, wer "jüdisch genug" ist, um eine Rolle zu übernehmen, könnte zu unschönen Entwicklungen im Casting-Prozess von zukünftigen Produktionen führen. Der britische Schauspieler Elliot Levey, der zurzeit in der Rolle des "Herrn Schultz" im Londoner Musical "Cabaret" zu sehen ist, erzählte im "Jewish Chronicle" von einem prominenten nicht-jüdischen Kollegen, der sich um die Rolle eines Juden bewarb. "Er hatte ein Foto eines jüdisch aussehenden Mannes bei sich und behauptete, es sei sein Großvater."
Für Levey ist "die Vorstellung, dass Menschen Papiere vorlegen müssen, um ihre jüdische Abstammung nachzuweisen, damit sie eine jüdische Rolle spielen können, ein dystopischer Albtraum".
Wer darf in die Rollen jüdischer Figuren schlüpfen? - Deutsche Welle
Bei Bundestagsdebatten empfand ich es schon immer als ungehobelt, wenn Abgeordnete dem Redner nicht nur nicht zuhören, sondern sich demonstrativ mit ihren Mobiltelefonen beschäftigen, ihn also offen ignorieren. Das stört auch Simon Strauß, der sich dazu in der FAZ äussert.
Es ist eine Unart, eine Missachtung zwischenmenschlicher Umgangsformen und ein fatales Eingeständnis des Schaucharakters der politischen Debatte, dass Spitzen – und insbesondere Regierungspolitiker im Parlament – bei Redebeiträgen der Opposition ostentativ auf ihr Telefon starren. Als hätte man seine Schuldigkeit mit dem Verlesen irgendeiner vorgeschriebenen Erklärung oder Rede ja getan und müsste sich jetzt nur noch die Zeit bis zur Kaffeepause oder bis zum nächsten Fernsehinterview vertreiben, in dem man dann wieder voller Pathos den demokratischen Wert der Debatte beschwören kann. Was ist das für ein Zeichen nach außen?
Wie ein arroganter Literaturwissenschaftler auf einer Tagung sah er aus, der nach seinem eigenen glänzenden Vortrag nur noch die Zeit absitzt und lustlos etwas herumdaddelt, während seine drittklassigen Kollegen sprechen. Er sitzt aber nicht mehr im Konferenzsaal oder im Literaturhaus, sondern auf einem der heißesten Stühle der Regierungsbank im Deutschen Bundestag, als Minister verantwortlich für die Geschicke einer der größten Wirtschaftsnationen. Daher ist sein Wegschauen nicht nur eine Stilfrage. Es verstößt gegen die Regularien der offensiven Konfrontation.
Gegen den Auftrag, die politische Gegnerschaft im Land öffentlich kenntlich zu machen. Auch in der Mimik und Gestik. Von Angesicht zu Angesicht. Vom Fechten oder Boxen kennt man die Regel, dass sich Kontrahenten vor und nach dem Kampf in die Augen zu schauen haben. Wer seinen Gegner nicht anschaut, der kann ihn nicht besiegen, so lautet dabei die Annahme. Nun mag der pazifistisch gesinnte grüne Vizekanzler Habeck glauben, dass er besonders cool, postheroisch und gelassen wirkt, wenn er das hässliche Gerede seines Parlamentskollegen (denn ein Kollege ist es bei aller gegenseitiger Verachtung ja doch) gar nicht zur Kenntnis nimmt; aber souverän wirkt das nicht.
Reden Sie, ich schaue weg - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kultur
Coverversion der Woche: Slim Smith - Ain't Too Proud To Beg
Gestern hatte David Ruffin, Sänger und Mitgründer der Temptations Geburtstag. Das ausgewählte Stück wurde im Jahr 1966 von Norman Whitfield (der es auch produzierte) und Edward Holland Jr. komponiert. Es gelangte auf Platz 13 der “Billboard Pop Charts” und an die Spitze der “Billboard R&B Charts”, wo es sich acht Wochen lang halten konnte. Sänger ist, Überraschung, David Ruffin.
Epilog
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