Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #40
Heute wird der Newsletter 40 und ich freue mich immer immer noch über eine wachsende Leserschaft. Bis auf den Wochentag des Erscheinens hat sich seit Anfang Juni 2020 inhaltlich nichts geändert. Die Themen, welche ich hier behandle, weil ich sie bezüglich der Entwicklung der Gesellschaft für relevant halte, sind nach wie vor aktuell. Die Freiheit ist von vielen Seiten unter Beschuss und ich hoffe, meinen bescheidenen Beitrag zu ihrer Erhaltung leisten zu können. Das liest sich natürlich viel apokalyptischer, als es gemeint ist. Mir liegt nichts ferner als die Weltuntergangserotik, die von manchen Milieus betrieben wird. Trotzdem müssen bestimmte Positionen mehr Raum im Diskurs bekommen.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um identitären Aktivismus, fragwürdige Koalitionen und eine Biene.
Willkommen im Club!
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Politik und Gesellschaft
Harald Martenstein, der bereits in der letzten Ausgabe mit seinem Artikel über den Verlust von Kneipen vorkam, hat sich in einer Kolumne mit identitärem Aktivismus beschäftigt.
Sie sind Menschensortierer. Sie sehen nicht den Einzelnen, sie denken in Gruppen. Wir und die. Die Gläubigen und die Ungläubigen. Die Partei und die Feinde der Partei. Unser Volk und die anderen, Minderwertigen. Jetzt also: die Diskriminierten und die Privilegierten.
Immer gibt es die Fantasie einer reinen, sauberen Gesellschaft, in der alle Fragen geklärt sind. Immer gibt es die Feinde, die ausgeschaltet werden müssen, und eine neue, von oben verordnete Sprache, immer soll die Erinnerung an eine Vergangenheit ausgemerzt werden, die anders war.
Ich habe gelernt, auf das Wort „gefährlich“ zu achten. Wer andere Meinungen „gefährlich“ nennt, verrät, wo er hinwill. Es sind immer Stellvertreter, die anderer Leute Freiheit gefährlich finden, nicht ein Gott, ein ganzes Volk oder die Benachteiligten selbst.
Das Kollektiv zählt, nicht das Individuum. Was du wirklich willst und wer du wirklich bist, wissen die Aktivisten besser als du selbst. Der Arbeiter, der die Partei kritisiert, hört für die Partei auf, Proletarier zu sein, er ist jetzt Konterrevolutionär. Der Gläubige, der zweifelt, heißt Ketzer. Und die Migrantin oder der Homosexuelle, der sich gegen die selbst ernannten Stellvertreter stellt, verwandelt sich in einen „Token“, einen Agenten des Feindes.
Der Fluch des Aktivismus - Tagesspiegel
Heike Göbel trifft mit ihrem Kommentar über die Wahlergebnisse der FDP in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in der FAZ genau die Punkte, die ich auch sehe. Die Begeisterung für die Idee einer Ampelkoalition auf Bundesebene, in der die FDP untergehen würde, teile ich nicht.
Wenig ist zu sehen von der behaupteten Offenheit für neue Technologien. Angriffspunkte genug für eine liberale Partei, müsste man meinen. Die Marktpartei FDP tut sich schwer, die grüne Industriepolitik zu entzaubern und sich zugleich mit liberalen Alternativen als glaubwürdige Klimaschützer zu profilieren.
Mit dem Ampel-Flirt stärken die Liberalen sowohl klar nach links strebenden Sozialdemokraten den Rücken, als auch die Grünen, die marktwirtschaftlicher tun, als sie sind. Was gibt es für die FDP da zu gewinnen?
Sie müsste ihre Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag setzen, der Schulden und Steuern erhöht, weil SPD und Grüne Subventionen mit Marktwirtschaft verwechseln. Sie müsste unterschreiben, dass der Staat Mindestlöhne und Mieten diktiert, wenn ihm die Marktergebnisse nicht passen. Sie regierte mit zwei Parteien, die Gründergeist nur schätzen, solange Unternehmen klein sind, keine Flächen verbrauchen und jede sozialpolitische Einmischung ins Geschäft schlucken.
Natürlich ist die Union für alle Versuchungen wider Markt und Freiheit ebenfalls anfällig. Sie bietet Liberalen aber immer noch mehr Anknüpfungspunkte und Raum für eigenes Profil. Mit Avancen Richtung Rot und Grün weckt die FDP Zweifel, wofür sie steht. Diese Zweifel kann sich die einzige Marktpartei nicht leisten.
Grüner Vorsprung, gelbe Schwäche - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Dass unter dem positiv klingenden Label des Antirassismus inzwischen auch Dinge vor sich gehen, die kein vernünftiger Mensch gutheißen kann, thematisiere ich hier seit der ersten Ausgabe. Eine sehr kluge Kritikerin ist Caroline Fourest, deren Buch „Generation Beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei“ (Edition Tiamat, Berlin 2020) ich sehr empfehlen kann. Sie hat nun in der TAZ einen Artikel über Verbindungen linker Kreise mit Islamisten geschrieben.
So geschieht es, dass Bewegungen, die den Anspruch erheben, fortschrittlich zu sein, die Sache der Frauen oder die Redefreiheit verraten, um sich mit intoleranten Aktivisten zu verbünden, deren regressive Weltanschauung für Freiheit nichts übrig hat. Das müssen wir heute in Europa feststellen. Studenten der extremen Linken und militante Islamisten protestieren zuweilen Hand in Hand, manchmal auch gewalttäig, gegen Verfechter einer universalistischen, feministischen und säkularen Linken, denen sie Veranstaltungen an Universitäten verbieten wollen.
In Frankreich protestierten Vertreter studentischer Gewerkschaften und Islamisten gegen die (posthume) Lesung eines Textes von Charb, dem von Islamisten bei dem Anschlag vom 7. Januar 2015 ermordeten Chefredakteur von Charlie Hebdo. Dieser Text richtete sich gegen genau jene Verwirrung, die das Wort „Islamophobie“ stiftet, so es dazu benutzt wird, Säkulare zu Rassisten zu stempeln.
Daher die Besorgnis der Ministerin für Hochschulbildung Frédérique Vidal. Ihre Ungeschicklichkeit bestand darin, dass sie eine „Untersuchung“ zum Thema „Islam-Linke“ forderte, womit sie den Eindruck erweckte, die akademische Freiheit in Frage stellen zu wollen. Sie hätte besser nur einen Bericht bestellt oder eine große Diskussion über Pluralität und akademische Freiheit angeregt. Denn darum geht es im Grunde.
Sagten Sie „Islam-Linke“? - TAZ
Julia Ruhs, über deren Kritik am Gendern ich in der letzten Ausgabe berichtete, hat sich auf dem Portal “Meedia” in einem Inteview geäussert, in dem sie ihre Position erneut präzisierte und auch Reaktionen auf ihren Kommentar schilderte.
Mich stört vor allem, dass das Gendern – zum Beispiel mit dem Sternchen – keine natürliche Veränderung der Sprache ist. Sondern eine, die erst in den letzten Jahren immer mehr forciert wurde. Normalerweise wird Sprache ja nicht komplizierter, wenn sie sich wandelt, sondern vereinfacht sich eher. Beim Gendern ist das Gegenteil der Fall. Außerdem liegen die Gründe für fehlende Gleichbehandlung von Männern und Frauen doch nicht in der Sprache, sondern immer noch in der Realität.
Ich glaube, dieses Thema verlangt schon danach, von einer jungen Journalistin kommentiert zu werden. Jedem älteren, vor allem männlichen Kollegen wäre im aktuellen Diskursklima sofort abgesprochen worden, sich über das Thema äußern zu dürfen – weil er zu alt ist oder als Mann von dieser angeblich diskriminierenden Sprache eh nicht betroffen ist. Aber ich bin mir sicher, ich spreche schon dem ein oder anderen Kollegen aus der Seele.
Klar habe ich das geahnt, schließlich ist das Gendern ein sehr polarisierendes Thema. Aber ich kenne sehr viele junge Frauen, die genau so denken wie ich. Deren Stimme wird zu selten gehört. Manchmal scheint es fast, als wären per se alle junge Frauen fürs Gendern, aber das stimmt so einfach nicht – deswegen finde ich es schon wichtig, mal den Mund aufzumachen. Dadurch, dass ich selbst auch in den sozialen Medien unterwegs bin, musste ich natürlich damit rechnen, bei so einem Kommentar auch viel Gegenwind zu bekommen. Das gehört dazu und ist auch okay, solange es nicht beleidigend wird. Leider gibt es auch Applaus von einer Seite, mit der ich nichts zu tun haben will, aus politisch sehr rechten Kreisen.
Julia Ruhs: „Viele junge Frauen sind gegen das Gendern“ - Meedia
Kultur
Coverversion der Woche: The Rolling Stones - I’m A King Bee
Der Song, welcher unzählige Male gecovert wurde, stammt ursprünglich von Slim Harpo, der ihn 1957 schrieb und aufnahm. Die Originalversion bekam 2008 einen Grammy Hall of Fame Award.