Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #5
In diesem Newsletter wird es wieder zu einem Teil um Fragen der Hautfarbe bzw. meine Sicht dazu gehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal soviel über dieses Thema nachdenken würde, denn in meinem bisherigen Leben hat es bisher eine untergeordnete Rolle gespielt.
Seit den Neunziger Jahren kenne ich Diskussionen mit anderen Dunkelhäutigen, die behaupten, Deutschland sei ein strukturell rassistisches Land und ich müsse mich als Opfer fühlen, was ich beides anders sehe und auch immer offen kundgetan habe. Allerdings hielt ich diese Bewegung lange für recht unbedeutend. Die meisten Dunkelhäutigen, die ich kannte/kenne, sehen die Sache so wie ich.
Der Einfluss dieser Bewegung hat - auch international - zugenommen und durch den Tod von George Floyd tauchen ihre Vertreter nun überall in den Medien auf und können ihre Erzählungen unwidersprochen loswerden.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich behaupte nicht, dass es keinen Rassismus gibt, bestreite aber, dass er in Deutschland strukturell ist. Das Gefühl, eine meiner Meinung nach falsche Sicht der Dinge nicht so stehenlassen zu können, war einer der Gründe, mit diesem Newsletter anzufangen. Ich kann den geneigten Leser allerdings beruhigen: Die Themenauswahl wird weiterhin divers (Ha!) sein.
Nun aber los.
Politik/Gesellschaft
Die Wahl von Barbara Borchardt als Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern, über die ich hier bereits berichtet habe, löst endlich immer mehr offene Kritik aus. CSU-Generalsekretär Blume äusserte sich dergestalt, dass eine Gegnerin der Verfassung nicht Hüterin der Verfassung sein könne. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Haldenwang bezeichnete die Personalie als “unerträglich”. Angela Merkel blieb in der Fragestunde des Bundestags zurückhaltend und konnte sich lediglich dazu durchringen, die Wahl Borchardts als “unbefriedigend” zu bezeichnen. Das überrascht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sie zum Beispiel nach der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen sehr deutliche Worte fand. Damals hatte sie, entgegen aller Gepflogenheiten, auf der Pressekonferenz bei ihrem Besuch im südafrikanischen Pretoria verkündet, sie hielte den Vorgang für “unverzeihlich” und deshalb müsse „auch das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden". Abgesehen davon, dass es hochgradig problematisch ist, wenn sich eine Bundeskanzlerin in dieser Form zu einem demokratischen Wahlergebnis äussert, fällt der Doppelstandard auf. Gleichzeitig wundert man sich über die Wahlerfolge der AfD. Es ist tragisch, wie einfach es dieser Partei gemacht wird.
Bundestag - Schwerin - Merkel: Borchardt-Wahl "unbefriedigend" - Politik - SZ.de
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wahl der umstrittenen Linke-Politikerin Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern als…
Um Doppelmoral geht es auch in der aktuellen Spiegel-Kolumne von Nikolaus Blome. Bisher fand ich die Texte seit seiner Verpflichtung im Hause Augstein eher mäßig. Dieser ist allerdings sehr gelungen. Hoffentlich bleibt der Standard erhalten.
Regel eins: Äußerungen, die Menschenverachtung und linke Machtfantasien bedienen, hat man rechts von der Mitte gefälligst zu ertragen. Wenn sich trotzdem Widerspruch erhebt, gilt Regel zwei, wonach Satire alles darf, auch solche Satire, die erst im Nachhinein zur Satire erklärt wird, wogegen übrigens kein Widerspruch möglich ist, weil Satire ja alles darf (auch sich selbst von Verantwortung freisprechen). Mit Zirkelschlüssen wie diesen kommt man links außen tatsächlich oft genug davon, nicht aber rechts außen. Herrn Gauland von der AfD würde es zum Glück nicht gestattet, seine rassistischen Sprüche ex post als “Satire” zu verharmlosen. Ebenso wenig kam seine Kollegin von Storch damit durch, eine menschenverachtende Entgleisung mit dem realsatirischen Hinweis zu bereinigen, sie sei auf der Computer-Maus “abgerutscht”. Und das ist auch gut so.
Hate Speech: Links gewinnt - Kolumne - DER SPIEGEL
Ausgerechnet ein Rechter wie Minister Seehofer erspart der Linken, sich endlich mit der eigenen Einäugigkeit und Doppelmoral zu befassen.
Den meiner Meinung nach definitiven und sich gut als Abschluss eignenden Text zur Causa “TAZ-Kolumne” hat der immer zu ausführliche aber sprachlich brilliante ehemalige Vorsitzende des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs Thomas Fischer geschrieben. Damit ist dann (hoffentlich) auch wirklich alles zu dieser Sache geschrieben. Ein Lesevergnügen.
Die Dame von der “taz” schrieb: Wenn die Polizei abgeschafft ist, sollten Polizisten auf der Mülldeponie arbeiten, “auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.” In dieser Anordnung gibt es nur zwei Parteien: “Sie” (Polizisten) und “Abfall”. “Sie” und “Polizisten” sind dasselbe; der Satz bedeutet also nicht etwa, dass Polizisten sich unter Polizisten am wohlsten fühlen. Dazu bräuchte man sie nicht auf die Halde bringen. Sondern sie fühlen sich da am wohlsten, wo sie “wirklich nur von Abfall umgeben” sind, denn der Abfall ist “ihresgleichen”. Wenn Worte noch Bedeutungen haben sollen, ist dieser Sinn des Satzes offenkundig; da beißt kein chefredaktionelles oder kolumnistisches oder sonstiges Mäuschen ein Fädchen ab. Also lassen wir mal das sinnlose “Auslegen” nach dem Maß der höchstpersönlichen Inkompetenz und staatspolitischen Traumdeutung. Wenn A zu B sagt, er sei Abfall, ist damit nicht gemeint, B sei ein güldenes Ringlein. Auch nicht, wenn vor drei Jahren in Rio einmal ein Goldring auf der Müllhalde gefunden wurde. Es fallen natürlich großen Geistern wieder allerlei schöne Nebelworte ein, “Pressefreiheit” vorne weg, “Satire” hinterher, “Authentizität” ist auch dabei. Aber völlig doof ist das Publikum ja nun auch nicht: Wer “ihresgleichen Abfall” sagt, muss nicht hinterher mit Karl Kraus daherkommen.
Die Anzeige - Thomas-Fischer-Kolumne zu Seehofer vs taz - DER SPIEGEL - Panorama
Eine Kolumnistin bezeichnet Polizisten als Müll. Polizisten sind tief betroffen. Ein Innenminister hätte beinahe Strafanzeige erstattet. Wir fürchteten uns wieder sehr.
Aus den USA vernimmt man im Zusammenhang mit Themen der sozialen Gerechtigkeit, Umweltschutz und auch Rassismus immer häufiger den Begriff “woke”. Dieser steht für eine Normkritik, die bestehende Normen nicht nur kritisch hinterfragt, sondern abschaffen und durch andere, den eigenen Vorstellungen Entsprechende, zu ersetzen versucht. Die Vertreter dieser übersteigerten Form der politischen Korrektheit bescheinigen sich selbst ein höheres Bewusstsein für die Probleme der Welt. Dies nimmt teils groteske Formen an und Kritik an dieser Haltung kommt inzwischen auch von Menschen, denen man vorgibt, helfen zu wollen. Die britische Stylistin und Kommentatorin Ayishat Akanbi hat bereits 2018 ein Video aufgenommen, in dem sie sich mit den kritischen Aspekten beschäftigt.
Bereits seit einigen Jahren nehme ich wahr, dass es in Berlin eine Gruppe gibt, welche die Mohrenstraße umbenennen möchte, weil sie den Namen für rassistisch hält. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die von mir begrüßte Repolitisierung der Gesellschaft, also die Tatsache, dass sich wieder mehr Menschen für politische und gesellschaftliche Themen interessieren, leider oft nicht mit der zwingend dazugehörigen Bildung einhergeht. Götz Aly hat in der Berliner Zeitung darüber geschrieben.
Sie hob diese Fremden, die sich damals in Berlin aufhielten, in den Rang eines freundlich begrüßten neuen Standes. Wie die anderen Namen der Friedrichstädter Straßen hatte die Mohrenstraße niemals einen herabsetzenden Beiklang. Vielmehr symbolisierte sie die Achtung vor anders sprechenden, anders aussehenden Menschen. Und genau diese Haltung gilt es für die gewiss bunte Zukunft Berlins zu bewahren.
Kolumne : Auf zur Rettung der Mohrenstraße!
Eine Aktivistengruppe will die Berliner Mohrenstraße wegbenennen, weil der Name Menschen afrikanischen Ursprungs beleidige. Das ist nicht der Fall, schreibt Götz Aly. Der Name stand einst für die Achtung vor anders sprechenden, anders aussehenden Menschen.
Nach dreiundzwanzig Jahren im Konzern hat Karen Parkin, Personalchefin von Adidas, diesen auf Druck einer Gruppe von Mitarbeitern nun verlassen. Vor einem Jahr hatte sie auf einer internen Veranstaltung bezüglich Rassismus in den USA gesagt, das sei “noise”, der nichts mit Adidas zu tun habe. Für diese unbedachte (aber ganz sicher nicht rassistische) Äusserung hat sie sich entschuldigt. Dass in Zeiten, in denen permanent von Diversität gesprochen wird, die einzige Frau im Vorstand wegen einer verunglückten Aussage von ihrem Posten gedrängt wird, ist eine gefährliche Entwicklung.
Sportartikelhersteller: Adidas trennt sich von Personalchefin Karen Parkin
Rassismus soll sie nicht entschieden genug entgegengetreten sein. Nun trennt sich Adidas mit sofortiger Wirkung von der einzigen Frau im Vorstand.
Zum Abschluss dieser Rubrik ein Artikel von Claus Richter, dem ehemaligen Redaktionsleiter des ZDF-Politmagazins Frontal21 über Haltungsjournalismus.
Dazu gehörten unter anderem die strikte Trennung von Bericht und Kommentar, die genaue Prüfung der Fakten, die Pflicht, die Gegenseite ausführlich zu Wort kommen zu lassen, das Zwei-Quellen-Prinzip, Meinungspluralismus. Dabei waren Casdorff und andere keineswegs Gegner eines engagierten Journalismus, lehnten aber einen aktivistischen, parteiischen Journalismus ab. Auch aus taktischen Gründen. Wer mit seiner journalistischen Arbeit etwas erreichen, Aufklärung und kritisches Nachdenken bei den Lesern oder Zuschauern fördern wollte, sollte sich vor allem auch an die wenden, die nicht schon zu 100 Prozent die Meinung der Autoren teilten. „News analysis“ statt Predigt, mündige Bürger statt Gemeinde.
Journalismus und Gesinnung - Wer predigen will, sollte in die Kirche gehen | Cicero Online
Der neue Journalismus führt Haltung ins Feld, wenn Gesinnung gemeint ist. Haltung unterliegt ständiger Prüfung, auch der Selbstkritik, Gesinnung nicht. Das ist gefährlich für die Glaubwürdigkeit des Journalismus und widerspricht altgedienten Regeln.
Kultur
Die Abwanderung kultureller Highlight aus der Hauptstadt war hier bereits Thema. Nun gibt erneut Ärger. Diesmal um den Hamburger Bahnhof. Dieser gehört nämlich weder der “Stiftung Preußischer Kulturbesitz”, noch der Stadt Berlin, sondern der Bahn. Eine spannende Geschichte.
Teure Posse um das Berliner „Museum für Gegenwart“ im Hamburger Bahnhof
Das Museum im „Hamburger Bahnhof“ macht Kummer: Das Gebäude gehört noch immer nicht der Stadt und enthält eine Sammlung, die bald…
Der Fotograf Stefan Draschan stellte sich in Museen, um darauf zu warten, dass Besucher optisch zu den Kunstwerken passten. Daraus entstand die Fotoserie “People matching artworks”.
peoplematchingartworks.tumblr.com
Coverversion der Woche: Amy Winehouse - Cupid