Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #4
Die vierte Ausgabe des Newsletters bedeutet auch, dass ich diesen nun in der vierten Woche schreibe. Rückmeldungen sind überwiegend positiv, was mich sehr freut. Insgesamt war es die richtige Entscheidung, auf die zeitraubenden und sinnlosen Diskussionen auf Twitter grundsätzlich zu verzichten. Das ist mir diese Woche wieder klargeworden, als ich temporär rückfällig wurde. Vergeudete Lebenszeit.
Nun aber los.
Politik/Gesellschaft
Empört wurde sich in dieser Woche über eine angebliche Äusserung von Dorothee Bär. Sie habe sich bezüglich der Corona-App despektierlich über weniger begüterte Menschen geäussert, die sich kein neues Mobiltelefon anschafften, indem sie Bequemlichkeit dafür als Grund nannte. Die sozialen Medien explodierten. Niemand machte sich die Mühe, den betreffenden Artikel zu lesen. Andernnfalls wäre man auch schnell darauf gekommen, dass nichts dahinter ist. Im Artikel steht:
Die CSU-Staatsministerin Bär wies die Kritik zurück. „Jeder, der die App nutzt, hilft auch denjenigen, die die App momentan noch nicht nutzen können“, sagte sie. Gelegentlich sei es auch nicht nur eine soziale Frage. „Manchmal ist es auch ein Problem der Bequemlichkeit“, betonte die CSU-Politikerin.
Es hätten sie schon einige Berufsgruppen, die sich durchaus ein neues Handy leisten könnten, darauf angesprochen, dass die App für sie nicht verfügbar sei, weil sie noch ein Iphone 6 haben. „Die sagen dann, sie seien zu bequem, sich ein neues Handy zu kaufen.“
Diese Meldung passt hier eigentlich nicht hinein, weil ihre Relevanz auf den ersten Blick nicht über den Status der tagesaktuellen Empörung hinausgeht. Das Beispiel zeigt aber sehr gut, dass ein nicht unerheblicher Teil der Nutzer sozialer Medien verfälschte Zitate für authentisch hält, wenn sie seine Sicht auf die Welt bestätigen. Fake News sind eben immer die Anderen und Aufregung macht mehr Spaß.
Kampf gegen Corona: Staatsministerin Bär dämpft Hoffnung auf Corona-App-Nutzung mit alten Handys
Auf vielen Smartphones funktioniert die Corona-Warn-App des Bundes nicht. Dies liege auch daran, dass manche zu bequem seien, sich ein neues Handy zu kaufen, sagt Staatsministerin Bär.
Zum Thema “Twitter” ein Beitrag, welcher sich mit dem rechtlichen Aspekt von Blocklisten beschäftigt. Mein Problem mit dieser Art der Blasenbildung ist vor Allem die dahinterstehende Geisteswelt, auf die der Autor am Ende des Artikel ebenfalls kurz eingeht.
Wie kann es sein, dass in einer freiheitlichen Demokratie viele Menschen bereit sind, sich von anderen vorgeben zu lassen, welche Meinungen sie wahrnehmen können und welche aus dem Diskurs ausgeschlossen werden? Bislang geschieht das nur im „virtuellen Raum“. Und künftig?
Soziale Medien: Twitter-Blocklisten sind einfach – und einfach gefährlich - WELT
Jeder hat das Recht, sich seine soziale Blase zu schaffen – im Internet ebenso wie im unmittelbaren Miteinander. Auch das ist Freiheit. Schwierig wird es jedoch bei Blocklisten. Denn hier kommt der Datenschutz ins Spiel.
Identitätspolitik zementiert Unterschiede und spaltet die Gesellschaft in immer kleinere Gruppen auf. So wird es zunehmend schwerer, Konsens zu erzielen. Es fällt positiv auf, dass diese Erkenntnis inzwischen offenbar auch in Milieus aufflackert, in denen identitäres Denken sonst besonders verbreitet ist. In diesem Fall findet dies in Form eines Artikels im “Neues Deutschland” statt, wo ich es als Letztes erwartet hätte. Man kann nur hoffen, dass sich kritische Stimmen mehren. Natürlich werden im Text auch unsinnige Behauptungen aufgestellt. Es ist zum Beispiel nachweislich falsch, dass Kritik an der leider viel zu sehr beachteten TAZ-Kolumne und ihrer Autorin ausschließlich von Rechts komme. Über diese Dinge kann man aber hinwegsehen, weil die Richtung stimmt. Aller Anfang ist schwer.
Kaum wird eine politische Strömung größeren Erfolg haben, die behauptet: Wenn ich dich als »Müll« bezeichne, ist das legitimer Protest; wenn du mich als »Müll« bezeichnest, ist das Menschenfeindlichkeit. Dieser Widerspruch mag den Widersprüchen der Gesellschaft entspringen, den meisten Leuten fällt er trotzdem als unhaltbar ins Auge.
Identitätspolitik: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns (neues-deutschland.de)
Die Kampagne gegen Hengameh Yaghoobifarahs Taz-Kolumne »All cops are berufsunfähig« kommt von rechts. Man muss sich ihr entgegenstellen und die Redefreiheit verteidigen. Doch die Forderung, der Text sei unbedingt zu loben, ist Ausdruck einer Kriegslogik.
Die öffentlich-rechtlichen Medien halte ich grundsätzlich für eine gute Sache. Eine der Kernaufgabe dieser Anstalten ist, das Meinungsspektrum im Land abzubilden. Das klappt leider oft nicht. Selbst der Deutschlandfunk, jahrzehntelang der Goldstandard für seriöse, neutrale Berichterstattung im Radio, hat seine weltanschauliche Neutralität abgelegt und berichtet immer häufiger aktivistisch. Das hat wohl mit einem Wechsel in der Chefredaktion zu tun. Ein besonderer Dorn im Auge, oder besser im Ohr, waren in den letzten Jahren die Fernsehkommentare z.b. in der ARD. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass Kommentare meinungsbasiert sind. Das ist auch in Ordnung, solange sie als solche erkennbar sind. Leider ist die Ausrichtung sehr einseitig. Das hängt mit der politischen Haltung von Journalisten zusammen, die inzwischen durch mehrere Studien belegt ist. Mir wäre das völlig egal, wenn nicht jeder Bürger eine monatliche Abgabe dafür zahlen müsste. Vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass auch der Rest des politischen Spektrums in den Kommentaren abgebildet wird. Nun ist zum Thema der Vorfälle in Stuttgart ein sehr differenzierter Meinungsbeitrag erschienen. Hoffentlich wird es solche in Zukunft häufiger geben.
Thomas Berbner, NDR, kommentiert die Stuttgarter Randale und den Umgang mit der Polizei
Wir befinden uns im Jahr 2020. In der ganzen westlichen Welt werden im Moment Statuen von Menschen zerstört, die - mal berechtigt, mal unberechtigt - für heutzutage nicht mehr verehrenswert gehalten werden. In der ganzen westlichen Welt? Nein! Die unbeugsame Gelsenkirchener MLPD stellte sich diesem Trend entgegen und errichtete eine zwei Meter hohe Leninstatue. Die Stadt reagierte darauf genau richtig mit der Kampagne “Kein Platz für Lenin”.
Es ist ein großes Problem, dass im Diskurs immer häufiger moralisch-identitär, statt auf der Basis von Fakten argumentiert wird. Diese Entwicklung ist in den USA - lagerübergreifend - schon sehr weit fortgeschritten. Auch in Deutschland nehme ich das verstärkt wahr. Der Text “The New Truth” von Jacob Siegel greift diese Entwicklung und ihre Gefahren auf.
Those in possession of this vision do not offer the possibility of redemption or transcendence, they come to deliver justice. In possession of justice, the arguer-commander is free at any moment to throw off the cloak of reason and proclaim you a bigot—racist, sexist, transphobe—who must be fired from your job and socially shunned.
The New Truth - Tablet Magazine
When the moral imperative trumps the rational evidence, there’s no arguing
Kultur
Der Regisseur Joel Schuhmacher ist im Alter von 80 Jahren in New York gestorben. Mir ist er vor Allem wegen des hervorragenden Coming-Of-Age-Films “St. Elmo’s Fire” und natürlich “Falling Down” von 1993 mit Michael Douglas und Robert Duvall bekannt, den ich an dieser Stelle empfehlen möchte.
Kurt Cobains Martin D-18E, die Gitarre, welche er beim “MTV Unplugged”-Konzert spielte, wurde für sechs Millionen Dollar versteigert. Ich habe den Auftritt damals sofort gesehen, als er ausgestrahlt wurde und halte ihn für einen der besten aller Zeiten.
Auktions-Rekord: Kurt-Cobain-Gitarre erzielt mehr als sechs Millionen Dollar
Die Versteigerung der legendären „Unplugged“-Gitarre des 1994 verstorbenen Nirvana-Sängers hat gleich fünf Rekorde gebrochen: unter…
Coverversion der Woche: Johnny Cash - Solitary Man