Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #3
Themen in dieser Woche sind unter Anderem eine TAZ-Kolumne, weitere Auswirkungen der Causa George Floyd und ein nicht ganz neues Gesetz. Nun aber los.
Politik/Gesellschaft
Mein Held der Woche ist Patrick Hutchinson. In einer Zeit, in der viele Gruppen daran arbeiten, Diskurse zu ethnisieren und damit eine Spaltung herbeizuführen, zeigte er, dass ein humanistisches Menschenbild alternativlos ist. Während einer Demonstration rettete er einen weissen Rechtsextremisten davor, durch entfesselte Demonstranten lebensgefährlich verletzt, wenn nicht getötet zu werden.
“I wasn’t thinking, I was just thinking of a human being on the floor. It wasn’t going to end well had we not intervened,” Mr Hutchinson said. “I had no other thoughts in my mind apart from getting to safety.”
London protests: 'We stopped somebody from being killed' - BBC News
Patrick Hutchinson was pictured carrying a man to safety following a clash between demonstrators.
In der letzten Zeit erscheinen erstaunlich häufig lesenswerte Artikel in der TAZ. Leider schaffen es auch Texte an der Chefredaktion vorbei, bei denen meine Kinnlade auf dem Boden zerschellt. Eines dieser Erzeugnisse ist die aktuelle Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah. Die Dame fällt mir schon seit Jahren immer wieder durch ressentimentgeladene, menschenverachtende Machwerke auf. Dieses Mal übertrifft sie sich in in negativer Hinsicht allerdings selbst. Boris Rosenkranz hat den Vorfall zusammengefasst.
"taz" verteidigt Müll-Kolumne | Übermedien
Eine “taz”-Kolumnistin setzt Polizist*innen mit “Abfall” gleich. Die Chefredakteurin der Zeitung verteidigt das, auch nach heftiger Kritik.
In Zeiten von “Fake News!”-/ und “Lügenpresse”-Gebrüll ist es besonders wichtig, dass Medien seriös agieren. Das Portal “Medienpolitik” hat u.a. dazu ein Interview mit Dr. Sascha Hölig vom Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut geführt.
„Der Journalismus muss sein Erscheinungsbild im Internet überdenken“ › Medienpolitik.net
Klassische journalistische Medien beschädigen mit ihren Inhalten in sozialen Netzwerken oft ihre Glaubwürdigkeit 18.06.2020.
Der Bundestag hat ein Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Rahmen des NetzDG beschlossen. Klingt erst einmal gut. Wenn man sich das Gesetz genauer anschaut, relativiert sich das. Zuerst frage ich mich natürlich, warum das Gesetz sich nur gegen Rechtsextremismus und nicht gegen Extremismus im Allgemeinen richtet. Das aber nur nebenbei. Besonders knackig ist der Teil über die Meldepflicht sozialer Netzwerke.
Solche Anbieter sollen verpflichtet werden, ein System einzurichten, wonach bestimmte strafbare Inhalte an das BKA zu melden sind. Erfasst sein sollen nur solche Inhalte, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung eines Straftatbestandes gibt und die anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in den sogenannten sozialen Medien haben können.
Es geht also nicht um objektiv strafbare Inhalte, sondern um solche, die von juristischen Laien in sozialen Netzwerken, als solche angesehen werden. Die Formulierung “die anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in den sogenannten sozialen Medien haben können” bietet zusätzlich so viel Interpretationsspielraum, dass Willkürentscheidungen, die schon vorher Alltag waren, nun noch drastischere Folgen haben werden. Die gemeldeten Inhalte werden, noch bevor klar ist, ob überhaupt eine Strafbarkeit vorliegt, zusammen mit den persönlichen Daten der betreffenden Nutzer in der Datenbank des Bundeskriminalamts gespeichert. Es gibt keinerlei Einspruchsmöglichkeit und die Nutzer werden auch nicht innerhalb einer bestimmten Frist benachrichtigt. What could possibly go wrong?
Deutscher Bundestag - Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität beschlossen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 18. Juni, den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur besseren Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (19/17741) auf Empfehlung des Rechtsausschusses (19/20163) angenommen. Die Koalitionsfraktion stimmten für ihren Entwurf, Linksfraktion und AfD l…
Gesetzentwurf:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/177/1917741.pdf
Meine kritische Haltung dazu, dass bezüglich Rassismus in Deutschland nur Dunkelhäutige in den Medien zu Wort kommen, welche die Behauptung eines strukturellen Problems aufstellen und das Bild des Dunkelhäutigen als wehrloses Opfer zeichnen, habe ich hier bereits vermittelt. Nun ist kürzlich im Spiegel endlich mal ein Artikel erschienen, der eine von mir vermisste differenzierte Sichtweise darstellt. Autor ist der dunkelhäutige Berliner Polizist Thilo Cablitz.
Person of Color und Polizist: Mein Leben passt in keine Schublade - DER SPIEGEL - Panorama
Die Mutter weiß, der Vater schwarz, multikulturell aufgewachsen, dann Polizist geworden: Unser Gastautor kennt Rassismus in vielen Facetten. Er hat gelernt, dass Vorurteile menschlich sind - und immer falsch.
Das Oberlandesgericht Köln hat ein Urteil gefällt, welches feststellt, dass der Volksverhetzungsparagraf auch vor pauschaler Verunglimpfung von Frauen schützt. Der entscheidende Teil:
Der Paragraf, mit dem Volksverhetzung unter Strafe gestellt wird (§ 130 StGB), greift auch bei der pauschalen Verunglimpfung von Frauen ein. Zwar ist der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift der Schutz von Minderheiten, das Gesetz erfasst aber nach Wortlaut, Sinn und Zweck auch Angriffe auf die Menschenwürde von Frauen.
Das könnte in anderen Fällen noch interessant werden, wenn auch Verunglimpfung von Gruppen unter Volksverhetzung fällt, die keiner Minderheit angehören. Mit fällt da die im Moment beliebte, allerdings gleich mehrfach diskriminierende Formulierung “alter, weißer, heterosexueller Mann” ein. Es bleibt spannend.
Oberlandesgericht Köln: LetztePressemitteilung
Behördeninternet: Oberlandesgericht Köln
Letzte Woche hatte ich bezüglich der wegen Rassismusvorwürfen aus dem Programm genommenen “Fawlty Towers”-Folge geschrieben, dass John Cleese im Jahr 2013 einer geschnittenen Version der Folge zugestimmt hätte, weil ich das in einem Artikel gelesen hatte. Seine Reaktion auf die aktuellen Vorfälle lässt daran zumindest Zweifel aufkommen.
I would have hoped that someone at the BBC would understand that there are two ways of making fun of
human behaviour
One is to attack it directly.
The other is to have someone who is patently a figure of fun, speak up on behalf of that behaviour
Thank of Alf Garnett...
...we laughed at Alf's reactionary views. Thus we discredited them, by laughing at him
Of course, there were people - very stupid people - who said 'Thank God someone is saying these things at last'
We laughed at these people too
Now they're taking decisions about BBC comedy
But it's not just stupidity
The BBC is now run by a mixture of marketing people and petty bureaucrats
It used to have a large sprinkling of people who'd actually made programmes
Not any more
So BBC decisions are made by persons whose main concern is not losing their jobs...
...That's why they're so cowardly and gutless and contemptible
I rest my case
Zwischendurch wurde ich in diesem Zusammenhang wieder an einen brillianten Kurzfilm erinnert, den John Cleese 1987 für den Parteienzusammenschluss SDP/Liberal Alliance aufnahm. Besonders gefällt mir der Teil, in dem er Extremismus erklärt.
Der Rest des Films ist nicht minder sehenswert. https://www.youtube.com/watch?v=VKp7HDv01hk
Kultur
Ab dem UNESCO Welttag des Audiovisuellen Erbes am 27. Oktober werden verschiedene ÖR-Anstalten ihre Archive öffnen und historische Beiträge online verfügbar machen. Zu Beginn gilt dies aus rechtlichen Gründen leider nur für Material bis zum Jahr 1966, an einer Erweiterung wird allerdings bereits gearbeitet. Der SWR macht das schon eine ganze Weile unter dem Titel “SWR Retro”. Bisher sind 8000 Filme hochgeladen. Empfehlenswert.
Videos zu SWR Retro | Themen & Sendereihen im Überblick | ARD Mediathek
Videos zu SWR Retro | Themen & Sendereihen im Überblick | ARD Mediathek
Die Sängerin und Komponistin Dame Vera Lynn, wegen ihrer Beliebtheit bei der britischen Truppe auch “The Force’s Sweetheart” genannt, ist im Alter von 103 Jahren gestorben. Den meisten ist sie wahrscheinlich durch ihren Song “We’ll Meet Again” bekannt, der in der Schlußsequenz von einem meiner Lieblingsfilme “Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb” erklingt.
We'll Meet Again - Dr Strangelove: Final Scene
Bei Twitter wurde die Behauptung aufgestellt es gäbe keine guten Coverversionen. Das kann ich so natürlich nicht stehenlassen. Ganz nach meinem Motto “Weniger Grabenkämpfe, mehr Musik.” werde ich von nun an jede Woche das Gegenteil beweisen.
Coverversion der Woche: The Mamas & The Papas - Dancing In The Street