Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #2
Diese Woche ist immer noch der Todesfall George Floyd ein wichtiges Thema. Meiner Meinung nach wird zu wenig darauf geschaut bzw. zu unkritisch hingenommen, was - neben der berechtigten Empörung - im Windschatten dieser Angelegenheit Dubioses vor sich geht.
Die Art und Weise, wie über dieses Thema debattiert wird, zeigt erneut, wie beschädigt die weltweite Diskussionskultur ist. Die Herangehensweise, zu akzeptieren, dass andere Menschen zu Themen grundsätzlich andere Meinungen haben können, diese Meinungen nicht normativ auszugrenzen, sondern sich diskursiv mit ihnen auseinanderzusetzen, ist nicht nur aus der Mode, Menschen die sich ihrer bedienen, machen sich verdächtig. Das ist keine gute Entwicklung.
Nun aber los.
Politik/Gesellschaft
Im Rahmen der Demonstrationen zum Tod von George Floyd wurden inzwischen mehrere Statuen zerstört, welche die Demonstranten für problematisch hielten. Das größte Aufsehen erregte das Versenken der Statue des Sklavenhändlers Edward Colston im Hafenbecken von Bristol.
Beschmiert wurde das Denkmal von Winston Churchill am Londoner Parliament Square mit “Churchill was a racist.”. Der Spruch trifft zu, denn zu seiner Zeit war in der westlichen Welt nahezu jeder Rassist. Das macht es nicht besser, aber es war schon immer falsch, die Vergangenheit nach heutigen Maßstäben und Moralvorstellungen zu beurteilen. Churchill war - nicht ganz unerheblich - übrigens auch derjenige, der, während die USA neutral waren und Russland mit dem deutschen Reich kooperierte, von 1940 bis Juni 1941 Nazideutschland allein bekämpfte. Er war derjenige, der die Gefahr erkannte, als sie in Großbritannien sonst niemand sehen konnte/wollte. Chamberlain glaubte Hitler und die Mehrheit (Links und Rechts) dämonisierte ihn. Er hatte lediglich fünf Unterstützer im Parlament. In a nutshell: Ohne Churchill hätte Hitler den Krieg gewonnen. Es ist also insgesamt deutlich komplexer.
Auch in Deutschland gibt es die Debatte um die Entfernung von Denkmälern oder die Umbenennung von Straßen schon länger. Die Bildnisse/Statuen von Lenin, Marx, Mao oder Stalin sind in diesem Zusammenhang interessanterweise kein Thema. Über die Frage, wie mit negativen Relikten der Vergangenheit umzugehen ist, sollte debattiert und demokratisch entschieden werden. Es ist allerdings barbarisch und eines Rechtsstaats unwürdig, wenn ein wütender Mob eigenmächtig Monumente niederreisst.
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Der Leiter der “Opinion”-Redaktion der New York Times, James Bennet, hat gekündigt. Grund dafür war scharfe Kritik an seiner Entscheidung, eine Kolumne des republikanischen Senators Tom Cotton zu veröffentlichen, in der sich dieser für den Einsatz des Militärs gegen gewalttätige Plünderer bei den Ausschreitungen im Rahmen der Demonstrationen zum Tod von George Floyd einsetzte. Gesetzliche Grundlage dafür ist der Insurrection Act. Diese Forderung muss man nicht gutheissen, aber sie ist im Rahmen des demokratischen Meinungsspektrums zulässig. Dass man Meinungsvielfalt bei der New York Times nicht schätzt, ist nicht neu. Dass ein Ressortleiter dort seinen Job verliert, weil er intellektuelle Diversität unterstützt, allerdings. Für eine Zeitung, deren Auffassung von Meinungsfreiheit lange Zeit so weit ging, dass sie sogar Artikel von Adolf Hitler und Sirajuddin Haqqani, einem Anführer der Taliban druckte, ist das eine Zäsur.
When journalists stop believing in debate
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Diesen Vorfall nahm Philipp Oehmke im Spiegel zum Anlass, einen zustimmenden Artikel mit dem Titel “Die Zeit der Neutralität ist vorbei” zu verfassen. Diesem konnte sein Kollege Florian Gathmann nicht zustimmen und antwortete mit dem Artikel “Wir müssen so neutral sein wie möglich”. So geht Debattenkultur. Bravo! Beide Texte sind lesenswert.
Gegenwart und Zukunft des Journalismus: Die Zeit der Neutralität ist vorbei - DER SPIEGEL - Kultur
Der Meinungschef der “New York Times” musste gehen, weil er einen Gastbeitrag im Trump-Duktus veröffentlicht hat - und einem überholten Ideal von neutralem Journalismus nachhing.
Der Kollege Philipp Oehmke schrieb an dieser Stelle, die Zeit der Neutralität im Journalismus sei vorbei. Er hat doppelt unrecht.
Zum Thema der journalistischen Seriösität passt auch das nächste Thema. Der Youtuber “Rezo” hatte mehreren Medien bezüglich seiner Person falsche Berichterstattung unterstellt. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung warf er vor, zwei Drittel der dort veröffentlichten Texte über ihn seien fehlerhaft. Dies hat die Zeitung untersucht und den Vorwurf mit einem Text sowie einem Video kommentiert. Fazit: Nichts dahinter.
„Die Zerstörung der Presse“: Stellungnahme zum Vorwurf falscher Berichterstattung
Der Youtuber Rezo wirft uns vor, zwei Drittel unserer Texte über ihn enthielten Fehler. Seine Vorwürfe sind in fast allen Punkten…
Berlin hat ein Antidiskriminierungsgesetz. Klingt erst einmal gut, denn gegen Diskriminierung ist ja jeder. Mit diesem Gesetz (Dem ersten in Deutschland dieser Art.) soll Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, gegen Diskriminierung in der Verwaltung vorzugehen. Toll, oder? Nicht wirklich. Wenn man sich dieses Gesetz genauer anschaut, wird mir vor Allem bei der Stelle unwohl, in der es heisst, dass vermeintlich Betroffene nur Tatsachen „glaubhaft“ machen müssen, die das Vorliegen einer Diskriminierung „überwiegend wahrscheinlich“ machen. Die Behörde muss die Vorwürfe in einem solchen Fall prüfen und beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Damit verbunden ist die Möglichkeit der Schadenersatzklage gegen das Land Berlin. Eine Klagewelle ist vorauszusehen. Das ist ein faktisches Aushebeln der Unschuldsvermutung, eine Beweislastumkehr und ein Generalverdacht gegenüber Mitgliedern des öffentlichen Dienstes. Da wundert es mich nicht, dass Kritik nicht nur in Berlin laut wird, sondern auch aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern, sowie Schleswig-Holstein zu hören ist. Letzteres will deshalb auch keine Landespolizisten mehr nach Berlin schicken.
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Interessant fand ich ein satirisches Video von “Zoos Media”, welches sich damit beschäftigt, wie ehrliche Werbung von PETA aussähe. Die darin enthaltenen Aussagen sind in der Videobeschreibung mit Quellen belegt. Ich stand PETA aus anderen Gründen immer kritisch gegenüber, aber diese Dinge wusste ich noch nicht.
In den letzten Monaten las und hörte man vielerorts, Corona verschlimmere die Situation für Frauen und werfe sie in die Situation der 50er Jahre zurück. Hier lässt sich viel eher eine Verbesserung feststellen, auch wenn Frauen nach wie vor den Großteil der sogenannten “Care-Arbeit” verrichten. Ein Rückfall in die Zeit von Heinz Erhardt und “Pack die Badehose ein.” ist allerdings - entgegen aller Alarmdurchsagen motivierter Kreise nicht zu befürchten.
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Zum Schluß der Rubrik das Beste. Maxim Biller hat in der Zeit einen grandiosen Text über linke Identitätspolitik geschrieben. Ich kann jedem nur empfehlen, das Testabo abzuschließen, es lohnt sich. Der beste Text, den ich seit Langem gelesen habe. Der groovt richtig. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre es der, so schreiben zu können.
https://www.zeit.de/2020/24/identitaetspolitik-opfergruppen-zensur-kunst-moral
Kultur
Kulturhauptstadt Berlin? Nach dem Abwandern von Sammlung Flick, dem me Collectors Room und der die Julia Stoschek Collection, sollte eigentlich helle Aufregung herrschen. Nun verliert die Stadt auch noch die Fashion Week an Frankfurt. Die Politik scheint damit aber offenbar nicht nur kein Problem zu haben, sondern die Entwicklung sogar zu begrüßen. Zitat:“Und das ist kein Unfall, sondern Absicht. Der rot-rot-grüne Senat und, wenn man ehrlich ist, auch die Mehrheit der Berliner, hassen das Elitäre, Raffinierte, Teure. Wenn die Flick-Sammlung geht, vermisst man nicht die Bruce-Nauman-Skulpturen, sondern freut sich, einen weiteren Milliardär vertrieben zu haben. Insofern ist das kein Scheitern der Politik. Sondern im Gegenteil ihr Triumph.”
Modemessen gehen nach Frankfurt: Und damit triumphiert in Berlin die Provinzialität - WELT
Die wichtigen Berliner Modemessen ziehen ins wirtschaftsstarke Frankfurt, Berlin als Modestadt scheint beerdigt. Ist das das Ende der Fashion Week? Wäre das schlimm? Dem Berliner Senat zumindest würde diese Selbstverzwergung doch ins Konzept passen.
Nachdem gemeldet wurde, dass UKTV die Folge “The Germans” der Serie “Fawlty Towers” aus dem Programm genommen hat, verlinke ich diese hier, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann. Als Monty Python-Fan seit meiner Kindheit sehe ich das als meine Pflicht an. Nur, wer völlig humorlos ist und noch nie von Ironie oder Sarkasmus bzw. Überzeichnung als Kunstform gehört hat, kann sich davon angegriffen fühlen. John Cleese hat der erstmaligen Beschneidung der Folge im Jahr 2013 zwar zugestimmt, aber ich halte das trotzdem für falsch.