Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #77
Prolog
Mit dieser Ausgabe ist zum siebten Mal eine Schnapszahl erreicht. Zu dieser passt eine gute Nachricht. Eine Studie hat ergeben, dass bestimmte Mengen Rotwein, Weißwein und Sekt/Champagner das Risiko senken, an COVID-19 zu erkranken. Liest sich komisch, ist aber so.
Das Trashformat “Ich bin ein Star, holt mich hier raus!”, besser bekannt als “Dschungelcamp” gehört normalerweise nicht zum Themenspektrum dieses Newsletters. Nun hat sich dort allerdings etwas interessantes ereignet. Die Teilnehmerin Janina Youssefian wurde aus der Sendung entfernt, weil sie eine Kontrahentin mit dunkler Hautfarbe rassistisch beleidigt hat. Im Rahmen einer Auseinandersetzung sagte sie zu ihr:”Geh doch zurück in den Busch, wo du hingehörst.”. Der Sender RTL reagierte umgehend mit Rauswurf. Eine richtige Entscheidung. In Zeiten, in denen jede Kleinigkeit von interessierten Kreisen als Rassismus diffamiert wird, ist es umso wichtiger echten Rassismus klar zu benennen und zu verurteilen.
Gestern fand im Bundestag eine Orientierungsdebatte zur Impfpflicht statt. Während seiner Rede, sagte Helge Lindh (SPD) den Satz “Und es ist einfach ein vulgäres Verständnis von Freiheit, immer zu denken, Freiheit ist nur rein individuelle Unversehrtheit.” Das ist der neue Sound tiefsitzender Illiberalität. Man kann sich mit guten Argumenten sowohl für als auch gegen eine Impfpflicht einsetzen. Dieser Satz lässt gruseln. Er basiert zudem auf einem Missverständnis. Eine neue Studie hat ergeben, dass die Verringerung der Übertragung der Delta-Variante nach der zweiten Impfung mit der Zeit abnahm und nach 12 Wochen bei Indexpatienten, die Astra Zeneca erhalten hatten, Werte erreichte, die denen von Ungeimpften ähnlich waren und sank bei denjenigen, die Biontech erhalten hatten, erheblich. Auch der Kontaktschutz nahm in den 3 Monaten nach der zweiten Impfung ab. Fremdschutz ist also kein valides Argument für eine Impfpflicht.
Neuen Abonnenten empfehle ich die “About”-Seite. Wer mir in den sozialen Medien folgen möchte, findet Vernetzungsmöglichkeiten auf meiner Website. Bei Twitter kann man zusätzlich die #FreeBlackTwitterGermany-Liste für schwarze Meinungsvielfalt im deutschsprachigen Raum abonnieren.
Nun aber los.
Heute geht es unter anderem um Fake News, die Spaltung der Gesellschaft und eine überfällige Antwort.
Willkommen im Club!
Wurde Ihnen diese Ausgabe weitergeleitet? Melden Sie sich für “Marcellus Maximus meint.” an, um den wöchentlichen Newsletter und weitere Artikel bequem über Ihr Emailpostfach zu empfangen.
Politik und Gesellschaft
Es wird immer wieder darüber diskutiert, ob die Gesellschaft gespalten ist, oder nicht. Meiner Meinung nach ist sie das seit inzwischen einigen Jahren sehr wohl. Andere, wie der kluge Armin Nassehi, sind der Meinung, diese Spaltung gebe es so nicht. Er hat in einem Interview seine immer sehr interessanten Gedankengänge dargelegt.
Was wir bei uns erleben, ist keine Spaltung der Gesellschaft, aber schon eine zum Teil aggressive Form der öffentlichen Diskussion darüber, was sich in den Querdenker-Geschichten zeigt. Was mich interessiert, ist eigentlich nicht so sehr die Spaltung in der sozialen Dimension, also der Blick auf verschiedene Gruppen, sondern das Leben in einer Gesellschaft, die ja nicht aus einem Guss ist. Sie ist vor allem dadurch geprägt, dass wir sehr unterschiedliche Logiken darin haben. Das sind politische, wissenschaftliche, ökonomische, rechtliche und mediale Logiken. Diese Logiken widersprechen sich und es ist schwer, sie in ein schlüssiges Konzept zu bringen.
Ihr Buch trägt den Titel „Unbehagen“. Es ist das treffende Wort für das Leben in unserer Zeit. Es transportiert die Furcht vor dem unsichtbaren Virus, aber auch das Gefühl des Entzugs von Alltag und Freiheit. Ist bei Ihnen das Unbehagen an einer zerbröselten Gesellschaft gemeint?
Nassehi: Das ist keineswegs nur ein abstraktes Unbehagen, das ist ja eines, das wir in so einer modernen Gesellschaft eigentlich immer haben. Dass eben nicht alles zueinander passt, es viele Widerstände gibt. Im Gegenzug muss man sich nur den Preis vorstellen, wenn es eine Stelle oder Institution gäbe, die das alles zentral organisieren und regeln könnte. Das wäre natürlich das Ende einer liberalen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die tatsächlich mit der Demokratie aufhören müsste. Die Demokratie ist nicht für die Harmonie gemacht, sondern für das Gegenteil. Und jetzt haben wir so eine Stresssituation und stellen fest, wie schwierig es ist, konsistente Lösungen zu hinzukriegen.
Also die jetzige Diskussion über die Impfpflicht wiederholt eigentlich das, was wir bei der Diskussion um den Weihnachtslockdown 2020 hatten. Statt um den Lockdown geht es jetzt um das Impfen. Statt die Ziele klar zu formulieren und politisch ein rechtsfestes Konzept vorzulegen, wird wieder eher halbherzig und uneindeutig kommuniziert. Wie immer man die Notwendigkeit einer allgemeinen Impfpflicht einschätzen soll, schon die Form der Debatte bringt die Zweifler und die Unsicheren einer Impfentscheidung sicher nicht näher. Es werden eher jeden Tag die Zweifel bestätigt. Wenn es wirklich das Ziel ist, die Quote zu erhöhen, und das muss ganz offensichtlich das Ziel sein, dann ist das sehr kontraproduktiv. Das ist, was ich mit diesem Unbehagen meine.
Sie beraten als Wissenschaftler viele Politiker. Was müssten diese beim Impfen anders machen?
Nassehi: Zum Beispiel das Ziel von Maßnahmen genauer formulieren und durch kluge Kampagnen rüberbringen. Es gibt Fachleute für solche Kampagnen, die wissen, wie man Menschen anspricht. Im Wahlkampf und in der Werbung gelingt es ja auch. Man darf nicht glauben, dass sich alle Leute impfen lassen, nur weil der Impfstoff da ist. So einfach ist es nicht. Und es muss leichter sein, an den Impfstoff zu kommen. Israel hat uns das vorgemacht. Die haben teilweise am Strand und in der Bar geimpft. In Deutschland ist das sehr langsam angelaufen. In Köln hat man irgendwann im Laufe des letzten Jahres begonnen, in die Wohnquartiere zu gehen. Von Leuten, die vielleicht nicht jeden Tag die Website des RKI besuchen.
Der Wandel darf also nicht wehtun?
Nassehi: Das ist mir jetzt ein bisschen zu journalistisch. Aber Sie haben einen Punkt getroffen, denn es wird mir immer wieder vorgeworfen, ein konservativer Bremser zu sein. Was ich meine, ist Folgendes. Damit sich Leute klimafreundlich verhalten und zum Beispiel ihr Auto stehen lassen, brauchen sie Alternativen. Und zwar müssen die nicht nur technisch angemessen sein, sondern auch ästhetisch angemessen sein. Sie müssen vielleicht ein Prestige mit produzieren. Sie müssen gar nicht als Verzicht, sondern als Gewinn erscheinen. Dann ändern wir auch unser Verhalten. Das wissen wir aus der aus der Verhaltenstheorie und aus der Sozialpsychologie relativ genau.
Soziologe Armin Nassehi: „Demokratie ist nicht für Harmonie gemacht“ - Augsburger Allgemeine
In der letzten Ausgabe hatte ich über Maja Göpels und ihre Idee eines “Liberalismus 2.0” berichtet. Nun gab es endlich den von mir vermissten Widerspruch eines führenden Liberalen. Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, antwortete im Magazin “Liberal” mit deutlichen Worten.
„Dafür müssen wir zunächst überhaupt erst einmal zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit unterscheiden. Es gibt Produktion, und es gibt Finanzierung und Handel. Mehrwert entsteht nur in der Produktion. Doch nicht dort gibt es heute die hohen Vergütungen. Im schlimmsten Fall wird es dadurch für die produktiv Tätigen sehr schwer, Qualität zu generieren und langfristig orientiert zu wirtschaften. So aber läuft uns die Marktwirtschaft aus dem Ruder.“
Nimmt man diese Aussage wörtlich, dann liefert sie eine grobe Missachtung der Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft. Und zwar auf der fundamentalsten denkbaren Ebene: der Theorie der Werte. Dass Finanzierung und Handel keinen „wahren Wert“ schöpfen, ist ein Vorurteil aus den Zeiten der Physiokraten des 18. Jahrhunderts, die nur der Landwirtschaft das Prädikat „Wertschöpfung“ zuordneten; und der Marxisten des 19. und 20. Jahrhunderts, die eine Arbeitswertlehre vertraten, die nicht nur als widerlegt gilt, weil sie subjektive Wertschätzungen ausklammert, sondern auch in der praktischen Umsetzung des real existierenden Sozialismus im 20. Jahrhundert Verheerendes anrichtete, indem sie den gesamten „Ostblock“ zu einer Finanzierungs-, Handels- und Dienstleistungswüste verkommen ließ, in der die Ressourcen zwangsumgelenkt wurden – in Richtung „materieller“ Waren anstatt „immaterieller“ Dienste.
Und in der Tat: Maja Göpels Ausführungen provozierten harte Gegenreaktionen auf Twitter. Darauf reagierte sie selbst zeitnah mit der Deutung ihrer Antwort. Sie distanzierte sich vom Wortlaut der eigenen Aussage, indem sie die Produktivität von Dienstleistungen einräumte, aber dabei eine andere Unterscheidung einführte, und zwar zwischen wertschöpfenden und wertabschöpfenden Tätigkeiten. Dies macht die Sache allerdings nicht besser. Denn dann stellt sich natürlich die Frage, welche Teile einer gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung nach welchen Kriterien als „schöpfend“ und welche lediglich als „abschöpfend“ zu gelten haben. Diese Unterscheidung führt ebenfalls in die Teufelsküche der Willkürlichkeit. Klassisches Beispiel dafür ist die Tätigkeit des Maklers. Er führt Angebot und Nachfrage zusammen und schafft damit laut volkswirtschaftlicher Theorie einen Wert (und lässt sich diesen natürlich vergüten). Schöpfung oder Abschöpfung? Wie sieht es bei Händlern aus? Auf dem Wochenmarkt? An der Börse? Im Groß- und Einzelhandel? Fragen über Fragen, aber kein Ansatz für eine Antwort.
Dabei wird man den Verdacht nicht los, dass es Maja Göpel eigentlich um etwas anderes geht als darum, eine neue Theorie der Werte aufzustellen, was ja auch in der Tat ein allzu gewaltiger Anspruch wäre. Es liegt eher nahe zu vermuten, dass es ihr um die Nachhaltigkeit geht, d. h. darum, ob eine Tätigkeit auf längere Sicht einen positiven Beitrag zu dem erbringt, was man ökologisches, ökonomisches und soziales Kapital einer Gesellschaft nennen könnte; oder ob die Tätigkeit eben diesem Kapital schadet – und damit auch zulasten künftiger Generationen wirkt. Um diese Frage theoretisch zu beantworten, hält die Wirtschaftswissenschaft bewährte und eigentlich unkontroverse Konzepte bereit, nämlich die Theorien der Externalitäten und der öffentlichen Güter, oder allgemein: Theorien des Marktversagens. Diese liefern auch eine feste Grundlage für die politische Debatte und lassen alle möglichen Kontroversen zu.
Und diese Kontroversen finden zu Recht angeregt statt. Die Grenzlinie verläuft dabei ziemlich oft zwischen „liberal“ und „grün“. Liberale wollen recht harte Evidenz für das Marktversagen, und wenn sie dieses akzeptieren, wollen sie Instrumente der Korrektur einsetzen, die nicht zu unnötigen Einschränkungen der individuellen Freiheit und Konsumwahl führen. Grüne sind da weniger zimperlich und greifen relativ schnell zu Geboten und Verboten. Dazwischen mag man wie künftig u. a. in der Ampelkoalition sehr wohl vernünftige Kompromisse finden, aber mit einem „Liberalismus 2.0“ hat dies nichts zu tun. Es geht um die Besiedlung des Niemandslandes zwischen zwei wichtigen Grundphilosophien, die aber – durchaus scharf getrennt – weiter bestehen. Und dabei übrigens, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, gerade junge Menschen zu etwa gleichen Teilen stark ansprechen.
Wahre Werte, wirre Werte? - Karl-Heinz Paqué
Erfundene Geschichten über rassistische Vorfälle sind ein zunehmendes Problem in der Berichterstattung. Leider werden sie von vielen Medien so dankbar wie unhinterfragt berichtet, weil sie bei Lesern beliebt sind. Lucien Scherrer hat mit dem amerikanischen Politikwissenschafter Wilfred Reilly darüber gesprochen.
In Ihrem Buch schreiben Sie, dass die Medien in solchen Fällen als Brandbeschleuniger wirken und eine «erschreckende Gutgläubigkeit» gegenüber absurden Storys offenbaren. Wie erklären Sie sich, dass Journalisten nicht zuerst fragen, ob etwas wahr oder falsch ist?
Zunächst ist der wirtschaftliche Druck für die Medien grösser geworden. Es gibt auch in seriösen Medien einen starken Trend zum Sensationalismus, damit die Werbekunden Trucks und Penispillen verkaufen können. Lange Interviews mit Yasir Arafat sind da weniger gefragt, sexuelle Dinge und rassistische Konflikte dagegen sehr attraktiv, um Aufmerksamkeit zu erregen. Zweitens kann man die Tatsache nicht ignorieren, dass die Medien in den USA von der politischen Linken dominiert sind. Das zeigen auch Umfragen. Zusammen ergibt das, dass man auf Sensationsgeschichten fokussiert, welche die eigene Ideologie bestätigen. Sensationalismus und Linksdrall eröffnen ein grosses Feld für diese Race-Storys.
Wie äussert sich der politische Bias in diesen Geschichten?
Die linken Leitmedien konzentrieren sich auf Fälle, in denen Schwarze von Weissen angegriffen werden: «White on black»-Kriminalität. «Black on white» ist dagegen weniger ein Thema, ebenso wie «Black on black». Dies, obwohl die meisten Schwarzen Opfer von Schwarzen werden. Gleichzeitig wird dem Publikum suggeriert, weisse Polizisten würden massenweise Unschuldige ermorden. Jacob Blake, der 2020 in Kenosha von Polizisten angeschossen wurde, wurde von der «New York Times» wie ein Märtyrer verklärt, und Kamala Harris sagte, sie sei stolz auf ihn. Dabei war er vor seiner Verhaftung in das Haus einer Frau eingedrungen, er war wegen sexueller Übergriffe und häuslicher Gewalt gesucht, und er hatte ein Messer dabei.
Auffällig ist, dass angebliche Opfer manchmal auch dann noch von Aktivisten verteidigt werden, wenn sie offensichtlich lügen. Wie erklären Sie sich das?
Was zählt, ist die Erfahrung des Opfers. Wenn Sie sagen, Sie seien ein Opfer, dann sind Sie es, selbst wenn Ihre Geschichte vollkommen verrückt ist. Dieses Muster zeigte sich bereits bei einem der ersten Hoax-Fälle, jenem von Tawana Brawley. Sie behauptete unter grosser medialer Anteilnahme, ein Polizist und der stellvertretende Staatsanwalt hätten sie entführt und tagelang vergewaltigt. In Wahrheit ging es um ein 15-jähriges schwarzes Mädchen, das mit einem Freund ausgegangen war und Angst vor seinem Stiefvater hatte. Dennoch erklärte eine schwarze Bürgerrechtlerin, es sei irrelevant, ob Brawley die Wahrheit sage – irgendetwas Schreckliches müsse ihr widerfahren sein. Fakten sind also unwichtig. Stattdessen wird behauptet, es gebe da draussen etwas, was für alles Leid verantwortlich sei – die Männer, die Reichen, die Weissen oder was auch immer. Die Ideologien dahinter sind verwandt, Critical Race Theory, Critical Feminist Theory, Marxismus und so weiter: Ihre Anhänger sind besessen von der Vorstellung, dass die «weisse» Gesellschaft alle Minderheiten unterdrückt.
Diese Tendenz, so schreiben Sie, ist gefährlich, weil sie Misstrauen und Hass zwischen Gruppen schürt. Wie kann diese Entwicklung gestoppt werden?
Wir beobachten gerade einen Backlash. Immer mehr Leute merken, dass Theorien wie die Critical Race Theory schlicht Nonsens sind. Denn es gibt keine Evidenz für die Grundannahmen dieser Ideologie. Mit Fakten können wir die Kraft der Diskriminierungstheorien brechen, aber ich glaube, sie werden uns noch eine Weile beschäftigen. In einer grossen Studie wurden die Teilnehmer kürzlich gefragt, wie viele unbewaffnete Schwarze in den USA jedes Jahr von der Polizei erschossen würden. Von jenen, die sich als links einstufen, glaubte rund die Hälfte, es seien 1000 bis 10' 000. In Wahrheit sind es zehn bis ein paar Dutzend.
Aber inwiefern soll sich die Lage der Schwarzen verbessert haben?
Für Schwarze ist es in den letzten 70 Jahren viel besser geworden, die Rassendiskriminierung ist verboten, seit 1967 gibt es gezielte Minderheitenförderung. Ich zum Beispiel konnte ein Studium anfangen, weil ich ein Schwarzer aus einer Grossstadt war. Erst als ich in die Universität kam, wurde ich mit all diesen Theorien konfrontiert, die auf marxistischen Lehren beruhen, die von nicht sehr intelligenten Amerikanern übersetzt wurden. Da datet man dann das Business-Girl, das einem erzählt, wie unterdrückt sie war. Für mich war das fast ein Witz, dass diese Leute unterdrückt werden. Aber seit ich an der Universität bin, ist mir bewusst geworden, dass dieser Witz sehr mächtig sein kann.
Niemand bestreitet, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter wichtig ist. Viel mehr wird man unter aufgeklärten Menschen viele finden, die sich aktiv dafür einsetzen. Leider gibt es Tendenzen, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Ziel zu tun haben, es eher torpedieren. Das fängt damit an, dass immer häufiger von “Gleichstellung” gesprochen wird. Diese ist weder erstrebenswert noch erreichbar. Es geht aber weiter. Inzwischen sitzt der (physische und juristische) Mann Markus Ganserer, der sich “Tessa Ganserer” nennt, auf einem Frauenquotenplatz der Grünen im Bundestag. Monty Python lassen grüßen. Diese Angelegenheit ist allerdings nicht lustig, weil sie falsche Signale für die Zukunft setzt. Eine Initiative hat nun Widerspruch beim Wahlprüfungsausschuss eingelegt. Der ausgewählte Artikel löste wie erwartet auch Empörung in den sozialen Medien aus, die eines zeigte: Früher wurde die “Emma” von Konservativen attackiert, heute wird sie von Linken angegriffen. Die Zeiten ändern sich.
Eine politische Dimension bekam diese private Angelegenheit, als Ganserer, zuvor acht Jahre für die Grünen im bayrischen Landtag, im Herbst 2021 für den Bundestag kandidierte: und zwar auf einem Frauenquotenplatz der grünen Liste. Statt einer Frau sitzt also jetzt ein Mensch auf diesem Platz, der körperlich und rechtlich ein Mann ist, sich jedoch als Frau „fühlt“. Möglich ist das bei den Grünen, weil die Partei in ihrem „Frauenstatut“ erklärt: „Von dem Begriff ‚Frauen‘ werden alle erfasst, die sich selbst so definieren.“ Diese parteiinterne Klausel wurde nun jedoch de facto von den deutschen Wahlbehörden übernommen: Ganserer wird im Bundestag und statistisch als Frau geführt.
Dagegen regt sich nun Widerstand. Hinter der Initiative „Geschlecht zählt“ stehen 14 Initiatorinnen und zahlreiche Unterstützer. Die Frauen haben schon im November 2021 beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages Widerspruch gegen die offizielle Anerkennung von Ganserers Mandat eingelegt. „Die Grünen verfolgen die Strategie, die Selbstdefinition des Geschlechts faktisch einzuführen, obwohl es dafür keine rechtliche Grundlage gibt“, erklärt die Initiative auf ihrer Website. „Gültige Rechtslage ist, dass das juristische Geschlecht nur nach dem Transsexuellengesetz (TSG) geändert werden kann. Genau das will Markus Ganserer nach seiner Aussage den Medien gegenüber nicht tun.“ Vielmehr erklärte Ganserer in der taz: „Ein Penis ist nicht per se ein männliches Sexualorgan.“
„Es geht nicht um den persönlichen Fall Ganserer, sondern um die Neudefinition des Begriffs Geschlecht“, erklärt Hilde Schwathe von der Initiative „Geschlecht zählt“. Die "feministische Coach" und Referentin für Frauenfragen ist die „Einspruchsführerin“ des Widerspruchs beim Wahlprüfungsausschuss. Seit die Frauen mit ihrer Website „Geschlecht zählt“ an die Öffentlichkeit gegangen sind, haben sich ihnen Frauen und Männer „aus der ganzen Bundesrepublik angeschlossen“, sagt Schwathe.
„Die Grünen haben mit dem Fall Ganserer das Selbstbestimmungsgesetz, das noch im Sommer 2021 im Bundestag abgelehnt wurde, einfach de facto eingeführt“, erklärt Hilde Schwathe. Tatsächlich ist die Wahl der Grünen von Ganserer auf einen Frauenquotenplatz eine widerrechtliche Vorwegnahme des von ihnen geplanten „Selbstbestimmungsgesetzes“, nach dem das „gefühlte“ Geschlecht zukünftig über dem biologischen stehen soll (siehe auch das am 23. März erscheinende Buch, herausgegeben von Alice Schwarzer und Chantal Louis: „TRANSSEXUALITÄT. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift“).
„Bevölkerung und Medien sollen daran gewöhnt werden, dass die Kategorie Geschlecht in unserem Rechtssystem neu definiert werden soll: Wer Frau und wer Mann ist, soll nicht mehr auf objektiv feststellbaren, körperlich-biologischen Merkmalen beruhen, sondern auf einer ‚Gender-‚ bzw. ‚Geschlechtsidentität‘, die auf einem subjektiven Gefühl beruht, das sich aus Stereotypen und Geschlechterklischees speist“, vermutet die Initiative. Und das betrifft keineswegs nur den Bundestag oder andere Gremien mit quotierten Frauenplätzen. „Sollte sich dieser Geschlechtsbegriff durchsetzen“, so Schwathe, „hätte das Auswirkungen auf alle Gesetze, in denen das Geschlecht relevant ist: vom Familienrecht bis zum Strafrecht. Auch der Gesundheitsbereich und Opfer-Täter-Statistiken sind betroffen.“
Ganserer: Die Quotenfrau - Emma
Zum Ende der Rubrik Hörenswertes. Canan Topçu spricht mit Jörg Thadeusz über ihre Sicht auf Rassismus in Deutschland und ihr neues Buch.
Es gibt in unserer Gesellschaft nicht mehr, sondern weniger Rassismus, sagt die Journalistin und Buchautorin Canan Topçu. Aus ihrer Sicht verlaufen Diskussionen aber oft zu sehr nach dem Schema "Wir sind die Opfer und das da sind die Weißen, die Täter". Mit Jörg Thadeusz hat die Journalistin und Buchautorin diskutiert, wie ein offener, wutfreier Dialog aussehen kann.
Canan Topçu - Offener Dialog statt Rassismus - WDR 2
Alexander Kissler diskutiert mit einem Mitbegründer von “Ende Gelände” in der Sendung “Streitkultur” über die Frage der Legitimation friedlicher Sabotage.
Klimabewegung – Ist friedliche Sabotage legitim? T. Müller vs. A. Kissler - Deutschlandfunk
Kultur
Coverversion der Woche: The Grateful Dead - Turn On Your Love Light
Zum heutigen Geburtstag von Bobby Bland war die Auswahl kein Problem. Seinen größten Hit “Turn On Your Love Light” schrieb und veröffentlichte er 1961. Dieser stieg am 4. Dezember 1961 in die Billboard R & B-Charts ein und hielt sich fünfzehn Wochen auf Platz zwei. In den Top-40 erreichte er Platz 28, eine der höchsten Platzierungen von Bland in den Pop-Charts. 1999 erhielt der Song einen Grammy Hall of Fame Award und wurde in die Rock and Roll Hall of Fame-Liste der „500 Songs that Shaped Rock and Roll“ aufgenommen.
Die Coverversion gehörte seit mindestens 1967 zum Liverepertoire von The Grateful Dead, die ihn oft bis zu 30 Minuten ausdehnten.
Epilog
Wenn Ihnen diese Ausgabe gefallen hat, leiten Sie sie gern an Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder weiter. Vielen Dank im Voraus!