Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #72
Prolog
Diese Woche erreichte mich ein Leserbrief, dessen Verfasser diesen Newsletter als “Safe Space des gesunden Menschenverstands” bezeichnete. Ich würde mir nie anmaßen, diese Beschreibung zu bestätigen, gefreut hat sie mich dennoch.
Weniger freut mich der anhaltende Trend, dass in Diskussionen Argumente immer seltener inhaltlich bewertet werden, sondern die sie äußernden Personen persönlich diffamiert werden. Im Moment wird das vor allem in der Debatte um COVID-19 offenbar. Natürlich gibt es Menschen, die in den letzten zwei Jahren intellektuell unter die Räder gekommen sind, sich radikalisiert haben und inzwischen Positionen vertreten, die man nur als Verschwörungsmythen bezeichnen kann. Dass inzwischen bereits Menschen als geistig umnachtet oder gar gefährlich markiert und aus dem Diskurs ausgeschlossen werden sollen, die Regierungshandeln hinterfragen, für Freiheit plädieren und Meinungsvielfalt praktizieren, besorgt mich zunehmend. Vor allem auch deshalb, weil die Liste immer länger wird: Stefan Aust, Otto Schily, Sahra Wagenknecht, Svenja Flaßpöhler, um nur einige zu nennen. Alles “Schwurbler”?
Vor allem gegen letztere wird seit Monaten in einem Umfang agitiert, der bestürzt. Das Niveau der Kritik an ihr ist inzwischen so niedrig, dass man sich über ihre Frisur und ihre Kleidung lustig macht. Bizarr ist auch, dass sie neuerdings in einem Atemzug mit Richard David Precht genannt wird, weil die beiden völlig unterschiedliche Positionen vertreten. Prechts Wortmeldungen sind grundsätzlich wirr, Flaßpöhler argumentiert differenziert.
Nun ist die Aktivistin Margarete Stokowski in ihrer aktuellen Spiegel-Kolumne ebenfalls auf diesen Zug aufgesprungen. Würden die von ihr im Artikel skizzierten und wie immer willkürlich aufgestellten Kategorien allerdings konsequent angewendet, müsste auch sie selbst und ein Großteil ihrer Gesinnungsgenossen schweigen. Zudem ist sie bezüglich Flaßpöhler befangen, seit sie sich bei einer Diskussion mit ihr bis auf die Knochen blamiert hat. Das sitzt wohl immer noch tief.
Es ist eine Binsenweisheit, dass man nicht jede Meinung teilen muss, aber Meinungspluralismus ist für eine freie Gesellschaft von unschätzbarem Wert. Die Bereitschaft, Themen differenziert zu betrachten und auf unterschiedlichen Ebenen zu diskutieren, geht leider immer mehr verloren.
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Nun aber los.
Heute geht es unter anderem um Homöopathie, öffentliche Philosophie und alte Ideen in neuem Gewand.
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Politik und Gesellschaft
Natalie Grams-Nobmann hat einen Artikel darüber verfasst, welchen Einfluß Homöopathie auf das rationale Denken hat und wie sich das in der Pandemie bemerkbar macht.
Niemand kann naiv genug sein zu glauben, es hätte keine Folgen, wenn Menschen jahrelang Zuckerkügelchen als sinnvolle »Alternative« zur Medizin angedient werden. Oder wenn das Narrativ bedient wird, Wirksamkeit könne anders als wissenschaftlich erklärbar erzielt werden. Nun aber erwarten wir, dass alle der Wissenschaft und der evidenzbasierten Medizin vertrauen. Während diese gleichzeitig von vielen ziemlich selbstverständlich als »Schulmedizin« der »bösen Pharmaindustrie« diffamiert wird.
Das Flaggschiff der Pseudomedizin, die Homöopathie, nimmt dabei eine besondere Rolle ein, wegen ihrer Verbreitung und vor allem ihres ungerechtfertigten Ansehens, das sie nach wie vor weithin genießt – sie kann den »Einstieg zum Ausstieg aus dem wissenschaftlichen Denken« immens befördern.
Das ist längst auch wissenschaftlich gut untersucht. Lange bestätigt ist etwa, dass die Neigung zur Homöopathie mit einer geringeren Impfbereitschaft verbunden ist. Zwar sind Homöopathen nicht pauschal Impfgegner, doch belegten bereits mehrere Erhebungen, dass sich das Impfverhalten bei den Ärzten mit homöopathischer Ausrichtung deutlich von dem ihrer nicht homöopathisch tätigen Kollegen unterscheidet. So fand eine Untersuchung schon 2004, dass die Homöopathen vor allem bei den Impfungen gegen gängige Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln deutlich zurückhaltender vorgehen. Als Begründung wurde (tatsächlich!) angeführt, man könne diese Krankheiten sehr gut homöopathisch behandeln. Eine Erhebung im Jahr 2012 ergab, dass Kinderärzte mit Zusatzbezeichnung Homöopathie Kinder häufig später impfen als von der STIKO empfohlen. Nur 32 Prozent der befragten Homöopathen gab an, sich vollständig an die STIKO-Empfehlungen zu halten. Eine in England durchgeführte Umfrage dokumentierte 2003 eine breite Ablehnung der Masern-Mumps-Röteln-Impfung unter homöopathischen Ärzten. Das war zu dieser Zeit noch auf die Auswirkungen der Wakefield-Lüge zurückzuführen (was nebenbei auch zeigt, dass Anhänger von Pseudomedizin wilden Fake News gern zu glauben geneigt sind).
So weit die Ärzteseite. Und wie sieht es mit der Haltung der Patienten und insbesondere der Eltern aus, die für ihre Kinder in Impffragen entscheiden? Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie hat untersucht, ob es eine Korrelation zwischen der Impfbereitschaft gegen Covid-19 und dem Glauben an »Alternativmedizin« gibt, speziell auch dem an Homöopathie. Das Ergebnis finde ich erschreckend: Es zeigt unmissverständlich, dass fehlende Impfbereitschaft vor allem bei Personen festzustellen ist, die »im Allgemeinen alternative Behandlungsverfahren bevorzugen«. Bei den Erwachsenen, die Homöopathie bejahen, sind lediglich rund 47 Prozent bereit, sich impfen zu lassen! Die Neigung zu Homöopathie und Pseudomedizin bringt nicht nur oft ein grundsätzliches Misstrauen gegen die »böse Schulmedizin« mit sich; sie sorgt auch für eine falsche Risikobewertung beim Abwägen zwischen Impfung und Erkrankung.
Eine ergänzende Studie zur Impfbereitschaft von Eltern förderte zu Tage, dass diejenigen, die viel von der Homöopathie hielten, zu 62,4 Prozent (!) Impfungen ablehnten. »Bei der Mehrzahl der Eltern besteht – bei gleichzeitigem Vertrauen in nicht evidenzbasierte Behandlungsmethoden – Unsicherheit bezüglich der Risiken und Nebenwirkungen einer Covid-19-Impfung«, führen die Autoren im Fazit aus. In dieser Gruppe waren, speziell bei Müttern, erhebliche Risikofehleinschätzungen und häufig der Glaube an Impfverschwörungsmythen zu beobachten.
Die Studien belegen also, dass pseudomedizinische Versprechungen ihre Anhängerschaft immer weiter in den Sumpf der Wissenschaftsablehnung führen und zudem die Risikowahrnehmung verzerren. Das hat man jahrelang toleriert und die Kritik daran belächelt. Oder man war zu hoffnungsfroh: Wenn's nicht hilft, so schadet's nicht. Tja. Es schadet doch. Und den Preis dafür zahlen wir jetzt, unter anderem mit den schlechten Impfquoten, die zur verlängerten Corona-Situation beitragen.
Die Folgen führt uns nun die Pandemie drastisch vor Augen. Spätestens jetzt muss klargemacht werden, dass Homöopathie keine Medizin ist. Es muss eine klare Position gegen unwissenschaftliche Mittel und Methoden aller Art her. Heißt konkret für die Homöopathie, aber auch für die Anthroposophie: Aberkennung des Status eines Arzneimittels, raus aus der Apothekenpflicht, raus aus der Kassenerstattung.
Wer Globuli sät, wird Impfgegnerschaft ernten - Spektrum der Wissenschaft
Sehr genau wird man die Migrationspolitik der neuen Ampel-Koalition beobachten müssen. Darauf weisen die Punkte hin, die bisher bekannt sind und die Diskussion ist wie erwartet in vollem Gange. Die Opposition bezeichnet die Vorhaben als “zu liberal”, andere Kreise spekulieren über diesbezügliche kognitive Dissonanz in Anbetracht der Migrationspolitik im Fall einer Mehrheit der Grünen, welche sie in Umfragen ja gehabt hätten. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass Ergebnisse von Umfragen, die vom Wahlergebnis nicht bestätigt werden, dann eben doch kein Abbild der Realität waren. Man kann einige der neuen Pläne bezüglich Migrationspolitik berechtigt, seriös und differenziert kritisieren. Die sozialen Medien sind natürlich wie immer der falsche Ort dafür. Berthold Kohler hat sich des Themas in der FAZ angenommen.
Außerordentlich großen Willen, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu formen, offenbart die Koalition auch bei den Themen Migration, Integration und Staatsangehörigkeitsrecht. Auf diesen Feldern breitet die rot-grün-gelbe Allianz die Arme aus wie noch keine deutsche Regierung vor ihr. Zwar erklärt sie, irreguläre Migration reduzieren zu wollen. Aber natürlich nicht auf die harte Tour. Das geht weicher und einfacher: Die Koalition verwandelt irreguläre Migration in reguläre, und das sogar rückwirkend.
Die Willkommenskultur lebt wieder auf: Das sogenannte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ verschafft allen Migranten, die 2015 und 2016 im Zuge der Flüchtlingskrise nach Deutschland kamen, die Möglichkeit, ein dauerhaftes Bleiberecht zu erwerben. Dafür sind Bedingungen zu erfüllen. Doch darf man davon ausgehen, dass die Koalition bei der Prüfung ähnlich nachsichtig sein wird wie bei der Einbürgerung der „sogenannten Gastarbeitergeneration“: Für sie werden die Anforderungen bei den nachzuweisenden Deutschkenntnissen gesenkt.
Die künftige Ausländerpolitik (die keiner mehr so nennen will) orientiert sich damit wie schon zu Zeiten der rot-grünen Regierung an dem Glaubenssatz, die Hauptschuld an misslungener Integration sei nicht bei den Migranten zu suchen, sondern bei der Gesellschaft, die ihre Einwanderer ignoriert oder gar diskriminiert habe.
Tatsächlich hatte die deutsche Politik zu lange die Augen davor verschlossen, dass Deutschland seit den sechziger Jahren zu einem Einwanderungsland geworden ist. Diesen Status kann niemand mehr bestreiten. Die Politik zur Steuerung von Einwanderung und zur Beschleunigung der Integration, das zeigt auch dieser Koalitionsvertrag, folgt aber immer noch lieber alten Multikulti-Träumen, als der harten Realität der Parallelgesellschaften ins Auge zu blicken. Das ist kein Fortschritt, das ist ein Rückschritt.
Alte Multikulti-Träume - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Im Prolog habe ich mich bereits auf die im Moment unter Dauerbeschuß stehende Svenja Flaßpöhler bezogen und auch in der Vergangenheit spielte sie hier immer wieder eine Rolle. Das liegt daran, dass ich sie für eine klügsten Denkerinnen der Gegenwart halte. Das bedeutet nicht, dass ich alle ihre Positionen teile, aber sie regt mich immer wieder dazu an, meine eigenen zu überprüfen. Nun hat Ronald Pohl einen der wenigen differenzierten Artikel über sie verfasst.
Flaßpöhler schreibt Bücher, die auf engstem Raum aktuelle Debattenstände abbilden. Doch in Sensibel, dem jüngsten Titel, wird eben nicht, wie kolportiert, der Gendersensibilität gewaltsam das Wasser abgegraben. Eher schon konstatiert die Chefredakteurin des Philosophie Magazins eine Art Belastungstransfer. Die Quelle des individuell oder von Gruppen gefühlten Schmerzes wird nach außen verlagert. Flaßpöhler sagt: "Muss das Ich sich ändern, um sich den Herausforderungen der Welt anzupassen? Oder muss die Welt sich ändern, um sich den Verletzlichkeiten der Individuen und Gruppen anzupassen?"
Die Transformation des Trauma-Begriffs zeige, so Flaßpöhler gegenüber dem "Standard", die Tendenz an. Die Welt habe Rückbau zu betreiben, um vor der Empfindlichkeit von Gruppen zu kapitulieren. "Das halte ich für eine bedenkliche Entwicklung, weil es die Sensibilität verabsolutiert. Was passiert? Man imaginiert den Menschen als offene Wunde, die man vor jeder Infektion schützen muss. Der Blick geht dabei nur nach außen, in die Strukturen. Diese problematisiert man mit Blick auf die Zumutungen, vor denen das Subjekt zu bewahren sei."
Wohin mit subversiven Anwandlungen? Wie soll man die Gefälle erklären, die aus der Verkehrung einer vorgefundenen Hierarchie resultieren? "Ich sehe es als einen Fortschritt an, dass wir eine neue Vielstimmigkeit innerhalb der Debatte wahrnehmen. Marginalisierte Gruppen fordern Rederecht ein. Diese Entwicklung ist sehr zu begrüßen. Aber diese Debatten, die wir über Rassismus und Sexismus führen, sind nur deshalb möglich geworden, weil wir in einer sehr fortschrittlichen Gesellschaft leben. Sie bilden den Ausweis dafür, wie gleichberechtigt westliche Gesellschaften heute eingerichtet sind. Das berühmte Tocqueville-Paradox bezeichnet das: Je gleichberechtigter Gesellschaften sind, desto sensibler werden wir für noch bestehende Differenzen."
Manchmal schlage Schmerz in Rigidität um, in Härte. Dann fällt die Sensibilität mit Aggressivität in eins. Empfindlichkeit vermengt sich mit Empfindsamkeit. Flaßpöhler pflegt die Rolle der Philosophin als öffentliche Person: Empörungswellen rinnen an ihr ab. Es gebe allemal genug "Sexismen und Unwuchten" in unserer Gesellschaft zu kritisieren: "Aber diese Gesellschaft bietet eben auch sehr viele Möglichkeiten, die von Frauen häufig nicht ergriffen werden. Da brauchen wir eine selbstkritische Perspektive von uns Feministinnen auf uns selbst."
Kein Wunder somit, dass Flaßpöhler den Rückzug von Kathederphilosophinnen scharf kritisiert, die, weil sie das Konzept eines "biologischen" Geschlechts hochhalten, von Transaktivisten attackiert werden. So unlängst geschehen im Fall der Philosophin Kathleen Stock, die ihre Professur an der University of Sussex aufgab. Deutschlands umtriebigste Philosophin meint dazu: "Hier wird Moral in Recht überführt. Diese Dynamik stellt für eine Demokratie, die sich selbst freiheitlich nennt, eine ernste Bedrohung dar. Natürlich gehört die Transgender-Community zu den eher marginalisierten Gruppen, da gibt es auch rechtlich viel aufzuarbeiten. Man hat sich die Argumente dieser Menschen sehr genau anzuhören. Aber darum geht es in dem Fall ja nicht. Es soll die eigene Marginalisierung funktionalisiert und umgekehrt werden, um aus der vermeintlichen Opferposition heraus moralische Macht auszuüben."
Philosophin Svenja Flaßpöhler: Platons Tochter im Clubfauteuil - Der Standard
Den heutigen Geburtstag von Marion Gräfin Dönhoff möchte ich zum Anlaß nehmen, auf ihren legendären Artikel von 1971 hinzuweisen, in dem sie sich mit Liberalismus beschäftigt.
Es dauerte nicht lang, da waren wir zwischen zwei Fronten. Daß wir uns bemühen wollten, die Nazi-Ära mit ihrem vaterländischen Brimborium zu liquidieren und daß dies manchen ärgern würde, das war klar. Aber daß wir uns sehr bald auch mit den Befreiern vom Nazismus im Konflikt befanden, das hatten wir nicht vorausgesehen – mit ihnen, die die alte Erkenntnis, daß Macht korrumpiert, von neuem bestätigten. Ihr Ziel, die Umerziehung der Deutschen, war zwar auch unser Ziel gewesen, aber die Mittel, mit denen sie dies gelegentlich zu erreichen versuchten, konnte niemand gutheißen, der gerade erst einen Unrechtstaat hinter sich gebracht hatte.
So lernten wir schon damals erkennen, was uns heute wieder zugute kommt: daß der legitime Platz des Liberalen zwischen allen Stühlen ist, daß es ihn also nicht kümmern darf, wenn er von allen Seiten beschimpft wird.
Und noch einen anderen Grundsatz liberaler Weltanschauung begriffen wir damals, und ihn haben wir seither nie wieder aus den Augen verloren: nämlich, daß es gar nicht so sehr auf das Ziel ankommt – hehre Ziele hat schließlich jeder –, sondern vor allem auf die Mittel, mit denen jene Ziele erreicht werden sollen, auf die Methoden, mit denen man sie durchzusetzen versucht.
Darum waren wir auch gegen das Verbot der KPD und später nicht für ein Verbot der NPD. Argumente in der Auseinandersetzung und Reformen, die das Entstehen radikaler Gruppen überflüssig machen, das schien uns der weit vernünftigere Weg zu dem, was doch allein das Ziel sein kann (wenn schon über Ziele geredet werden muß), nämlich dem größtmöglichen Maß an Freiheit und Gerechtigkeit.
Mit solchen Maximen ausgerüstet haben wir bis zum heutigen Tage bestehen können. Und wer stark genug ist, den gelegentlichen Vorwurf der Linken – "Ihr Reaktionäre" – zu ertragen und vor den Rechten nicht in die Knie zu gehen, die uns zuweilen als Anarchisten bezeichnen, der kann auch der Zukunft getrost entgegensehen – selbst wenn der Liberalismus immer wieder totgesagt wird.
Heute ist es Mode geworden, den Liberalen als einen Wischi-Waschi-Bürger abzuwerten, als einen, der seinen Sowohl-als-auch-Standpunkt in klugen Reden zu verteidigen weiß, der aber eben nur redet und nie handelt. Diese von den Radikalen rechter und linker Prägung gebastelte liberale Vogelscheuche dient der Heroisierung unreflektierten Taten; jener Taten, die um des grandiosen Zieles willen ohne Bedacht, ohne Zögern, ohne Rücksicht auf irgendwen und irgendwas getan werden.
Zum Ende der Rubrik wieder Sehenswertes. Sahra Wagenknecht spricht mit Eric Gujer über Identitätspolitik und Cancel Culture.
Früher wählten die Arbeiter linke Parteien, und diese kämpften für höhere Löhne. Heute interessieren sich Linke für Gendersternchen, Migration und Identitätspolitik – und die Arbeiter wählen häufig Rechtspopulisten. Das gilt nicht nur für die Schweiz oder Deutschland. Ähnliches sieht man in Frankreich und den Vereinigten Staaten. Die neue Linke lebt in Grossstädten und ist akademisch gebildet. Wie konnte es so weit kommen? Und wie passt dazu Olaf Scholz’ Wahlsieg? Mit der deutschen Politikerin und Publizistin Sahra Wagenknecht spricht NZZ-Chefredaktor Eric Gujer.
Svenja Flaßpöhler spricht mit Richard David Precht über das Thema “Sensibilisieren wir uns zu Tode?”.
Kultur
Coverversion der Woche: Generation X - Gimme Some Truth
Mit der neuen Beatles-Dokumentation “Get Back” bin ich noch nicht durch, aber meine Begeisterung kennt schon jetzt keine Grenzen mehr. Ein Highlight ist bisher die Entstehung eines meiner Lieblingssongs “Gimme Some Truth”.
Das Stück wurde erst 1971 auf Lennons Soloalbum “Imagine” veröffentlicht. Co-produziert hat es Phil Spector und die Slidegitarre spielt George Harrison, den Bass bedient Klaus Voormann. Die Punktauglichkeit des Werks bewies die Band Generation X mit ihrem Sänger Billy Idol dann im Jahr 1978, womit sich der Kreis wieder schließt.
Epilog
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