Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #63
Die ehemals seriöse Wissenschaftschaftssendung “Quarks” des WDR ist mir in letzter Zeit hauptsächlich durch bizarre Themensetzung aufgefallen. Zuletzt ging es um die hochinteressante Frage, ob Feigen vegan sind, weil in ihnen Bienen sterben. Diese Woche sorgte bezüglich der Sendung allerdings eine eine umstrittene Personalie für Diskussionen.
Auch ich rieb mir erstaunt die Augen, als ich mit einigen Tagen Verspätung mitbekam, dass der WDR die Moderatorin Nemi El-Hassan für die Sendung verpflichtet hat. Sie war mir in den letzten Jahren hauptsächlich negativ ins Bewusstsein gelangt. Das lag an ihrer Mitarbeit beim Format “Datteltäter”, in dem unter dem Deckmantel der Satire mehrfach Islamismus verharmlost wurde. Das ist aber nicht alles.
Sie nahm auch am antisemitischen Al-Quds-Marsch teil und relativierte in einem Video den Dschihad. Die Verpflichtung einer solchen Person für einen öffentlich-rechtlichen Sender hielt ich für hochproblematisch. Glücklicherweise würde der WDR niemals eine Person einstellen, die in der Vergangenheit an einem rechtsextremen Marsch teilgenommen hat und öffentlich rechte Gewalt relativierte. Warum man in diesem Fall wohl nicht so genau hingeschaut hat, konnte ich mir nicht erklären.
Nach heftigen Protesten gab der WDR die Stellungnahme ab, dass El-Hassan die Sendung vorerst nicht moderieren werde. Die Journalistin und Ärztin wird meiner Meinung nach um eine glaubwürdige Erklärung und Distanzierung nicht herumkommen. Die bisher verfügbare Wortmeldung halte ich nicht für ausreichend.
Leider wurde diese Causa auch von manchen genutzt, um fremdenfeindliche Ressentiments auszuleben. Dies ist auf das Schärfste zu verurteilen.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Selbstüberhöhung, Demokratieverständnis und Zeitgeist.
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Politik und Gesellschaft
Die “New York Times” hat ein Portrait über Annalena Baerbock veröffentlicht, in dem sie sich mit Hillary Clinton vergleicht. Abgesehen davon, dass sie - bei aller berechtigter Kritik an Clinton - nicht einmal ansatzweise deren Format hat, sind einige Aussagen einfach falsch. Wenn man das alles liest, möchte man ob dieser erneuten Selbstüberhöhung einer erwiesenen Hochstaplerin in den Tisch beißen, aber letztlich ist es nur eine weitere Peinlichkeit, die zusammen mit den vielen bisherigen Peinlichkeiten die Gewissheit verfestigt, die auch bei den Grünen schon lange herrscht: Man hat auf das falsche Pferd gesetzt, Robert Habeck wäre der bessere Kandidat gewesen. Valerie Höhne hat im “Spiegel” die Geduld aufgebracht, zu kommentieren.
Was ihr passiert sei, sei »in gewisser Weise« vergleichbar mit dem, was in den USA während des Wahlkampfs 2016 der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, widerfahren sei, sagte Baerbock. Sie fuhr fort: »Ich stehe für Erneuerung, andere für den Status Quo und diejenigen, die ein Interesse am Status Quo haben, sehen meine Kandidatur als Kriegserklärung.«
Baerbock ist also quasi Clinton, ihre Kandidatur eine Kriegserklärung. Die Partei wirkt angefasst.
Die Auslassungen der grünen Kanzlerkandidatin sind, das kann man so deutlich sagen, Quatsch. Hillary Clinton war keine »Kriegserklärung« für das Establishment, im Gegenteil. Sie war Außenministerin unter Präsident Barack Obama (auch ein Demokrat), der das Land zuvor acht Jahre regiert hatte. Für Erneuerung stand sie ganz sicher nicht.
Als Baerbock vergaß, ihre Nebeneinkünfte zu melden, verbreitete die CSU in Sozialen Medien ein Bild, das Baerbock mit einem Häufchen-Emoji über dem Kopf zeigte. Die grüne Abgeordnete Katharina Dröge warf der CSU im »Handelsblatt« vor, in »Trump-Manier« zu handeln. Trump-Manier? Bitte. Als im Februar eine Debatte über die Zukunft des Eigenheims eskalierte, sahen die Grünen sich einer »Fake-News-Kampagne« ausgesetzt.
Die Partei verharmlost damit, was Trump der amerikanischen Demokratie angetan hat. Er hat seine Anhänger aufgewiegelt, das Kapitol der Vereinigten Staaten zu stürmen. Das muss man sich einmal klarmachen. Man muss sich vor Augen halten, wie gespalten das Land seit ihm ist. Wie kaputt.
Fake News sind schlimm, und es ist schlimm, wenn Politikerinnen im Netz und auf der Straße Hass, Hetze und Lügen ausgesetzt sind. Aber Deutschland ist nicht die USA. Zum Glück. Und wer so tut, als wäre der hiesige Wahlkampf mit der dortigen Fäkalschlacht gleichzusetzen, beweist damit keine politische Klarsicht – sondern nur die eigene Dünnhäutigkeit.
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie defizitär das Verständnis für politische Prozesse und innerparteiliche Demokratie bei Vielen ist bzw. wie wenig sie davon halten, wenn das Ergebnis ihnen nicht gefällt. Die illiberale Splittergruppe innerhalb der FDP namens “Operation Heuss” ruft seit Monaten dazu auf, bei der Landtagswahl in Thüringen nicht den Kandidaten der FDP, sondern den der SPD, Frank Ullrich, zu wählen. Auch Teile der Grünen empfehlen dessen Wahl. Inwieweit das schon parteischädigendes Verhalten ist, muss jeweils parteiintern geklärt werden.
Der Grund für diese Aufrufe ist, den umstrittenen Kandidaten Hans-Georg Maaßen zu verhindern. Demokraten setzen sich für freie und geheime Wahlen ein und üben keinen moralischen Druck aus, einen bestimmten Kandidaten zu wählen, um einen anderen zu "verhindern". Ich selbst sehe Maaßen sehr kritisch und auch seine Radikalisierung nach seiner Absetzung als Verfassungsschutzpräsident ist mir nicht entgangen. Für die Vorwürfe, er sei rechtsradikal, rechtsextrem oder Antisemit, habe ich allerdings bisher keine Beweise gesehen. Die Verwendung des Begriffs “Globalisten” ist jedenfalls keiner. Auch sonst kenne ich bisher nur Interpretationen, Behauptungen und Unterstellungen.
Die Tatsache, dass ein bekannter Neonazi zu seiner Wahl aufruft, ist auch kein Hinweis auf Sympathie für diese Weltanschauung. Bei seiner Wahlkampfveranstaltung wurde dem Neonazi, als er versuchte, dieser beizuwohnen, Hausverbot erteilt. Niemand kann kontrollieren, von wem er instrumentalisiert wird.
Zuletzt wurde über die Frage diskutiert, ob er ein Nazi sei. Hans-Georg Maaßen steht ganz sicher am rechtesten Rand der CDU, aber er ist kein Nazi. Der inflationäre Gebrauch dieses Wortes ist nicht nur infantil und verzerrt die Realität. Er verharmlost auch den Begriff und das damit verbundene Unheil. Wenn jeder ein Nazi ist, dann ist niemand ein Nazi. Wer profitiert davon? Genau.
Kritisiert wurde auch, dass Armin Laschet nichts gegen die Kandidatur von Maaßen unternehme. Wer sich mit innerparteilichen Prozessen und Regularien auskennt weiss, dass er das gar nicht kann.
Die thüringischen Grünen machen bei diesem fragwürdigen Spielchen jedenfalls nicht mit.
Die Grünen werden im Wahlkreis 196 für ihre Kandidatin Stephanie Erben werben und keine Erststimmen-Kampagne zugunsten des SPD-Kandidaten Frank Ullrich starten. Bei einer Beratung des Grünen-Regionalverbandes Schmalkalden-Meiningen-Suhl mit der Landesspitze habe es „derzeit“ keine Mehrheit dafür gegeben, sagte Grünen-Landessprecherin Ann-Sophie Bohm am Donnerstag. Die Grünen-Kandidatin Erben hatte eine Wahlempfehlung für Ullrich zuvor selber ins Spiel gebracht und dabei einen Konsens mit Linken-Bewerber Sandro Witt gesucht. Dieser lehnt aber einen Verzicht zugunsten der SPD ab. Frank Ullrich gilt Prognosen zufolge als einziger Kandidat, der neben Maaßen eine Siegesschance hätte.
Grüne lehnen Erststimmen-Aufruf ab - In Südthüringen
Das Wort “Diversität” ist in aller Munde. Dass damit leider oft keine Meinungsvielfalt gemeint ist, sondern ethnische oder geschlechtliche Merkmale als ausschlaggebend angesehen werden, habe ich in der Vergangenheit oft kritisiert, weil das meiner Meinung nach ein Rückschritt ist. Nun wird die “English Touring Opera” die Hälfte ihrer Musiker in der nächsten Saison nicht mehr beschäftigen. Die Gründe dafür lassen aufhorchen. Auch der “Arts Council” hat sich distanziert. Insgesamt würde ich das eher als “Diversity gone wrong.” bezeichnen.
Die Hälfte der Orchestermitglieder der English Touring Opera wird in der kommenden Saison nicht mehr beschäftigt, weil die weißen Musiker den Vielfaltskriterien nicht entsprechen. Stattdessen hat das mit 1,78 Millionen Pfund im Jahr vom Steuerzahler subventionierte Ensemble, das seit 1979 Oper in die Regionen bringt, zwölf neue Instrumentalisten engagiert. Die English National Touring Opera beschäftigt im Orchester nur freischaffende Musiker. Viele derer, die jetzt fallen gelassen worden sind, arbeiten nach Auskunft der Musikergewerkschaft allerdings seit zwanzig Jahren oder mehr regelmäßig für das Ensemble.
Der Direktor James Conway teilte ihnen mit, dass die Vielfalt in Übereinstimmung mit den „bindenden Richtlinien“ des für die Verteilung des staatlichen Kulturetats zuständigen Arts Council priorisiert werde. Der Arts Council hat sich jedoch von diesem Schritt distanziert und prüft, ob er im Einklang mit den Bedingungen für den Empfang von Fördergeldern steht.
Vielfalt geht vor - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die Kunstsammlungen Dresden benennen Kunstwerke um, weil deren Titel heute als diskriminierend oder rassistisch empfunden werden. Ich halte das, wie auch das Umschreiben von Literatur oder das Umbenennen von Straßen für falsch. Geschichte nach heutigen Maßstäben zu beurteilen, ist nahezu antiintellektuell. Dazu fällt mir ein Zitat Otto von Habsburgs ein:„Wer sich mit dem Zeitgeist verheiratet, ist morgen verwitwet.“
Die "Zigeunermadonna" heißt jetzt "Madonna mit stehendem Kind". Der "Eskimo mit Bulldogge" trägt nun den Titel "Inuit mit Bulldogge". Und aus "Kopf eines Negerknaben" wurde "Studienkopf eines jungen Mannes". Die Staatlichen Kunstsammlungen haben die Titel von 120 Werken zum Teil komplett verändert und bei 23 weiteren Werken kleinere Veränderungen vorgenommen.
Der "Mohr mit der Smaragdstufe" ist wohl eines der bekanntesten Ausstellungsstücke im Dresdner Grünen Gewölbe. Ein aus Holz geschnitzter nackter schwarzer Mann mit Goldschmuck, der Smaragde trägt. In der Online-Datenbank der Staatlichen Kunstsammlungen wurde das Wort "Mohr" durch vier Sternchen ersetzt.
Speziell das hält Reinhard Spieler für schwierig. Er ist Vorstandsmitglied des Deutschen Museumsbunds und findet, eine Tabuisierung bestimmter Wörter dürfe es in Museen nicht geben. Und wenn sich Titel über die Jahre verändern, dann sollte das auch sichtbar sein. "Ich finde, wir sind als Museen historische Institutionen und wir wollen eigentlich sichtbar machen, dass man in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten andere Werte vertreten hat. Das ist der Sinn von Museen. "
Es sei durchaus denkbar, dass sich die Titel mehrmals ändern. Dann könnte man beispielsweise noch dazusetzen "Von 1920 bis 1950 Zigeunermädchen, von 1950 bis 1980 Was weiß ich Ungarisches Mädchen und seit 2000 Mädchen mit Kopftuch", erläuterte Spieler.
Kunstsammlungen Dresden benennen Exponate um - MDR
Constantin van Lijnden hat ein wirklich hörenswertes Gespräch mit Georg Restle über das Konzept des ”werteorientierten” Journalismus geführt. Dafür, dass Restle diesem Gespräch zugestimmt hat, gebührt ihm Respekt. Viele seiner Kollegen gehen solchen Diskussionen aus dem Weg. Dass er meint, beim WDR gebe es keinen Links-Bias, ist ein Beispiel für Betriebsblindheit. Auch viele seiner weiteren Äußerungen lassen den Blutdruck steigen. Vielleicht am besten direkt nach dem Aufstehen hören, dann wird man schneller wach.
„Sie sind Journalist und bezeichnen Neutralität als rechten Kampfbegriff!“ - Welt
Kultur
Coverversion der Woche: Pia Fraus - Strawberry Wine
Heute hat Bilinda Jayne Butcher, Sängerin und Gitarristin der Band “My Bloody Valentine”, die ich seit meiner Jugend sehr mag, Geburtstag. Deshalb habe ich mich für eines ihrer Lieder entschieden. Die Coverversion der Band Pia Fraus aus Estland, die seit 1998 existiert und die ich ebenfalls schon lange schätze, gefällt mir mindestens genauso gut, wie das Original. Das ist von daher interessant, weil sie sich gar nicht so sehr von ihm unterscheidet, was es noch schwerer macht, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das Original ist von 1987.
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