Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #60
Die sechzigste Ausgabe des Newsletters. Der geneigte Leser mag davon gelangweilt sein, dass ich es wieder erwähne, aber ich hätte nicht gedacht, dass es einmal soviele Ausgaben geben würde und das Interesse so groß sein würde. Dafür möchte ich mich noch einmal bedanken.
Dass Armin Laschet in einem Interview keine drei Punkte einfallen, die er im Fall seiner Wahl behandeln möchte, bestätigt erneut, wie ungeeignet er für dieses Amt ist. Ich bin mir sicher, dass die CDU ihn am Liebsten aus dem Spiel nehmen würde, was vor dem Hintergrund einer beispiellosen Pannenserie und in Anbetracht der in den Keller rauschenden Umfragewerte nachvollziehbar ist. Wie die Partei das allerdings anstellen könnte, ohne noch größeren Schaden zu verursachen, ist schwer vorstellbar. Die Christdemokraten haben Laschet gegen den entschiedenen Willen der Basis als Kandidaten durchgesetzt, wollten ihn um jeden Preis. Nun wird es eben sehr teuer. Ein ähnliches Problem haben die Grünen, nur ohne die schlechten Werte.
Sawsan Chebli habe ich wegen der oft völlig entgleisten Kritik an ihr schon einige Male verteidigt. Auch wenn ich mit ihr so gut wie nie einer Meinung bin, verurteile ich Beleidigungen und Drohungen. Peinlich war auch das Skandalisieren der Tatsache, dass sie gern Rolex-Uhren trägt. In Deutschland muss niemand darüber Rechenschaft für seine Konsumentscheidungen ablegen. Kritik äussere ich aber sehr wohl an einem ihrer Tweets, in dem sie in dieser Woche im Zusammenhang mit Afghanistan von der “Arroganz des Westens” und der “Wertlosigkeit westlicher Werte” schwadronierte. Das passt nicht nur schlecht mit der Vorliebe für westliche Errungenschaften zusammen, es lässt auch tief blicken.
Interessant fand ich auch die Information, dass es, seit 13 Bundesländer für für 21,4 Millionen Euro die Luca-App gekauft haben, knapp 130.000 Infektionen gab und die App in nur 60 Fällen bei der Kontaktverfolgung helfen konnte.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um kontrollierte Provokation, das Erschleichen einer Karriere und musikalische Sozialisation.
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Politik und Gesellschaft
Wo wir schon bei Skandalen sind, darf auch der Smoothie-Hersteller “True Fruits” nicht fehlen, der in der Vergangenheit bereits mehrmals mit kalkulierten Provokationen und den darauf folgenden Shitstorms seinen Umsatz gesteigert hat. Auf seinen neuesten Flaschen stellt die Firma die im Bundestag vertretenen Parteien und Teile ihrer Programme inklusive zweier ausgedachter Forderungen vor. Edeka hat in einem Akt billige Virtue Signallings die Flaschen der AfD an den Konzern zurückgeschickt und ist damit auf die Strategie von “True Fruits” hereingefallen. Konsequent wäre zudem gewesen, auch die Flaschen der Linkspartei zurückzusenden. Diese Doppelmoral ist allerdings keine Neuigkeit.
Im Netz sorgt das freilich für alle Arten von Reaktionen: Neben Kritik an True Fruits, überhaupt AfD-Flaschen rauszubringen, wird auch Edeka dafür angefeindet, demokratisch gewählte Parteien aus seinen Läden raushalten zu wollen. Gleichzeitig gibt es für beide Seiten Lob, etwa mit Aussagen wie „Demokratiefeinde muss man nicht demokratisch behandeln“ an die Adresse von Edeka oder „Schade, dass es nicht mehr Unternehmen gibt, die so klare Statements von sich geben“, an True Fruits gerichtet.
Für True Fruits dürfte die Reaktion von Edeka einen Werbeeffekt haben, der kaum zu bezahlen ist. Im Vergleich zu früheren Kampagnen des Bonner Saftunternehmens sind die politischen Parteienfläschchen jedenfalls inhaltlich noch harmlos. Die Reaktion auf Edeka hingegen ist es nicht.
True Fruits ist bekannt dafür, mit seinen Werbekampagnen immer so weit zu gehen, dass sich genug Leute finden, die die Aktionen des Unternehmens richtig fürchterlich finden. Provokation ist das Motto, egal ob es um mit Sonnencreme gemalte Penisse auf nackten Frauenrücken geht („Sommer, wann feierst du endlich dein Cumback?“, 2019), einen schwarzen Smoothie mit dem Werbesatz: „Schafft es selten über die Grenze“ (2017) oder das Plakat für den Chiasamen-Saft mit dem Slogan „Bei Samenstau schütteln“, den die Stadt München neben zwei anderen Plakaten prompt verboten hatte (2016).
Lag der Jahresumsatz von True Fruits im Jahr 2018 bei 39,6 Millionen Euro, konnte er im folgenden Jahr um 6 Prozent gesteigert werden. Die Bonner bezeichnen sich selbst Marktführer, der Anteil an Smoothies betrage fast zwei Drittel des Marktes hierzulande. Mit seinen rund 30 Mitarbeitern hat das Unternehmen zuletzt einen Jahresüberschuss von gut 7 Millionen Euro erzielt.
Politische Saftschlacht zwischen Edeka und True Fruits - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Franziska Giffey, der kürzlich wegen Plagiaten der Doktortitel entzogen wurde, steht erneut in der Kritik. Nun scheint auch ihre Masterarbeit einer kritischen Prüfung nicht standzuhalten. Was ich persönlich an dieser Sache problematisch finde, hat nichts mit Moral zu tun. Ohne Masterabschluß und Doktortitel hätte Giffey höchstwahrscheinlich nicht diese Karriere gemacht. Juristisch ist das nicht umsetzbar, aber die Rückzahlung von Gehältern, die sie ohne diese Bildungsabschlüsse nicht erzielt hätte, hielte ich für angemessen.
Schon jetzt aber haben die Forscher 62 Stellen in der 91 Seiten (mit Anhang 141 Seiten) langen Arbeit festgestellt, die sie als mehr oder minder schwere Plagiate bewerten. Auf knapp einem Drittel der Seiten haben sie mindestens einen oder gleich mehrere Absätze gefunden, die wörtlich aus anderen Quellen übernommen wurden, aber nicht als wörtliche Übernahmen gekennzeichnet wurden, sagt Stefanowitsch. Manchmal seien die zu den Inhalten passenden Quellen außerdem erst später im Text genannt oder ganz andere Quellen angegeben worden.
Die Dokumentation der Forscher ist 45 Seiten lang. Passagen aus Giffeys Arbeit stellen sie akribisch und in tabellarischer Form den Originalpassagen gegenüber. Mehrfach wurden in die Masterarbeit ganze Absätze hineinkopiert, ohne ein einziges Wort zu ändern. Manchmal stammen die Originalsätze aus wissenschaftlichen Arbeiten, manchmal wurden sie aber auch von städtischen oder touristischen Webseiten kopiert.
Stefanowitsch korrigiert als Professor an der Freien Universität regelmäßig Abschlussarbeiten. Er weiß, wie sehr Studenten in dieser Phase unter Stress stehen können. Dass man in einer Arbeit mal den Überblick verliere und Fehler mache, dafür habe er Verständnis, sagt er. Das aber scheine hier nicht der Fall zu sein. "Bei diesem flächendeckenden Vorgehen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass es der Verfasserin nicht bewusst war", sagt er.
Ob böser Wille oder Überforderung der Grund war, will Stefanowitsch nicht bewerten. Es wirke allerdings, "als ob gar nicht erst versucht wurde, die Arbeit eigenständig zu formulieren". Dabei habe Franziska Giffey, damals noch unter dem Namen Süllke, vor der Masterarbeit bereits ein Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin abgeschlossen. Auch diesen Abschluss erlangte sie – nach eigenen Angaben von 1998 bis 2001 - an der Fachhochschule, an der sie den Master ablegte. Mit den Regeln des wissenschaftlichen Zitierens hätte sie also bestens vertraut sein müssen, findet Stefanowitsch.
Neue Vorwürfe gegen Giffey: "Ein Flickenteppich aus Plagiaten" - T-Online
Wie man die Migrationskrise des Jahres 2015 auch im Einzelnen bewerten mag: dass es sich dabei auch um einen Kontrollverlust handelte, kann nur bestreiten, wer Fakten ausblendet. Dieses Thema hat die deutsche Gesellschaft tief gespalten und die AfD, die eigentlich tot war, in den Bundestag gespült. Insgesamt eine traumatische Erfahrung, an die man in Deutschland nicht gern erinnert wird. Armin Laschet hat mit seiner Formulierung, 2015 dürfe sich nicht wiederholen im Zusammenhang mit den Vorgängen in Afghanistan deshalb großen Wirbel ausgelöst. Marc Felix Serrao kommentiert diesen treffend in der NZZ.
Was hat Laschet wirklich gesagt? Isoliert betrachtet, mag seine Mahnung in der Tat vieldeutig sein. Aber im Kontext ist der Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit schlicht absurd. «Ich glaube, dass wir jetzt nicht das Signal aussenden sollten, dass Deutschland alle, die jetzt in Not sind, quasi aufnehmen kann.» Und: «Die Konzentration muss darauf gerichtet sein, vor Ort, jetzt diesmal rechtzeitig – anders als 2015 – humanitäre Hilfe zu leisten.»
Natürlich will auch Laschet Afghanen, die der Bundeswehr geholfen haben, und Menschenrechtsaktivisten nach Deutschland einreisen lassen. Aber er zweifelt daran, dass Deutschland die Probleme Afghanistans in Deutschland lösen kann. Und er weiss um die Macht politischer Botschaften und Bilder. Als die scheidende Kanzlerin vor sechs Jahren Selfies mit Flüchtlingen machen liess und ihre Botschaft der Willkommenskultur aussandte, verstanden das Migranten aus aller Welt als Einladung: Deutschland hilft, indem Deutschland Heimat wird. Laschets Botschaft ist eine andere: Deutschland hilft, aber nach den Regeln der Realpolitik. Diese mögen heute nur noch in wenigen deutschen Redaktionen geläufig sein, aber sie gelten im Rest der Welt.
Die Kommentare über den vermeintlichen Fremdenfeind Laschet sagen mehr über die verantwortlichen Medien als über den Kandidaten aus. In den Texten schwingt neben dem Versuch der Diskreditierung auch der Versuch mit, «2015» auf eine ganz bestimmte Weise zu deuten: nicht als temporäres Staatsversagen, im Zuge dessen die Behörden monatelang nicht wussten, wer da eigentlich alles einreiste. Nein, 2015 soll trotz allen seither erschienenen Berichten über die negativen Folgen der massenhaften Einwanderung überwiegend junger und schlecht ausgebildeter Männer immer noch so gesehen werden, wie es diese Medien schon damals beschrieben haben: als Jahr der Bereicherung.
Laschets Pech ist, dass in Deutschlands Redaktionen noch immer viele an diesen Unfug glauben. Sein Vorteil ist, dass es die meisten Bürger, wenn man den Umfragen glauben darf, nicht mehr tun. Wenn sie hören, 2015 solle sich nicht wiederholen, dürften sie zustimmen.
Bloss kein zweites 2015 – Warum Armin Laschet recht hat - Neue Zürcher Zeitung
Kultur
Sechzig Jahre nach dem ursprünglichen Plan des Künstlers Christo wird nun endlich vom 18. September bis 3. Oktober der Pariser Triumphbogen verpackt.
Für die Koordination des immensen Projekts zeichnet die Kunsthistorikerin Laure Martin mit den Neffen von Christo, Vladimir Yavacheff bzw. dem von Jeanne-Claude, Jonathan Henery, verantwortlich. Neben der Vorfinanzierung in der Höhe von 14 Millionen Euro war die Erlaubnis von mehreren Institutionen nötig: zuerst die der staatlichen Organisation „Centre des monuments nationaux“ (der Zentralstelle für Staatsdenkmäler), die den denkmalgeschützten Triumphbogen verwaltet. Und die darauf achtet, dass der Zugang für die Besucher des Gebäudes immer möglich bleibt. Auch die Pariser Stadtverwaltung gab ihr Einverständnis. Ebenso der Präsident des Centre Georges Pompidou und der Direktor des Museums im Pompidou-Zentrum, wo Christo während des Lockdown eine Ausstellung hatte. Sogar Staatspräsident Emmanuel Macron persönlich, umringt von seinem Staatsapparat im Elysée – Palast, erwärmte sich für Christos Paris – Werbung.
Christos letztes Projekt - Weltkunst
Ein Gespräch zur Rolle der Kunstbuchverlage in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Bereits vor einiger Zeit ist eine Dokumentation über Shane McGowan, seines Zeichens ehemaliger Sänger der Pogues, erschienen. Realisiert wurde das Projekt von Johnny Depp, der mir dadurch noch einmal sympathischer geworden ist, als er es sowieso schon war. Die Pogues waren für meine musikalische Sozialisation nicht ganz unwichtig.
Coverversion der Woche: The Jesus And Mary Chain - Ghost Of A Smile
Diese Coverversion passt besonders gut, weil gleich zwei für mich wichtige Bands mit ihr zusammenhängen. Ursprünglich wurde das Stück 1990 von den Pogues eingespielt und von Joe Strummer (The Clash) produziert. Das Cover von The Jesus And Mary Chain ist aus dem Jahr 1994.
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