Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #56
Diese Woche kam ich kaum hinterher, was alles zur Liste der Dinge, die angeblich rassistisch sind, hinzugefügt wurde. Asterix-Comics, bestimmtes Spielzeug, Design und Wikipedia. Auf die Begründungen muss nicht weiter eingegangen werden, sie sind allesamt absurd. Worauf allerdings hingewiesen werden muss, ist die Tatsache, dass solche grotesken Behauptungen dem seriösen und wichtigen Engagement gegen Rassismus schaden. Aktivisten, die immer neuen vermeintlichen Rassismus finden, geht es nicht um echte Verbesserungen oder auch nur Gleichberechtigung. Sie wollen eine carte blanche des Staates und die komplette Deutungshoheit. Vorher geben sie keine Ruhe. Ich halte das in Kombination mit Sektenstrukturen und teilweise verfassungsfeindlichen Ansichten für gefährlich.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Demokratieverständnis, Sprachspiele und Privilegien.
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Politik und Gesellschaft
Die Lufthansa schafft die Anrede “Sehr geehrte Damen und Herren” ab und begrüßt ihre Passagiere in Zukunft “genderneutral”. Diese Änderung gilt auch für die anderen Fluglinien der Gruppe: Swiss, Austrian Airlines und Eurowings. Das mag banal erscheinen. Es zeigt aber erneut, wie eine bestimmte Weltanschauung in immer mehr Bereiche der Gesellschaft einsickert. Mich würde interessieren, wieviele Menschen pro Monat mit diesen Linien fliegen, die sich weder als Mann noch als Frau bezeichnen.
»Die Crews sind gehalten, eine Ansprache zu wählen, die alle Passagiere anspricht«, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Beschäftigten sollten auf geschlechtsneutrale Formulierungen an Bord ausweichen, hieß es.
Bei der Umstellung handelt es sich dem Airline-Sprecher zufolge um einen »Prozess, der einen gewissen Zeitraum einnimmt«. Die Bemühungen um eine genderneutrale Sprache seien dabei nicht nur auf die Fluggäste beschränkt, sondern bezögen sich auf den gesamten Lufthansa-Konzern.
»Unser Ziel ist es, alle an Bord gleichberechtigt willkommen zu heißen«, sagte ein Sprecher. Je nach Kontext und Situation gebe es dafür unterschiedliche Möglichkeiten. »Vielfalt und Gleichberechtigung sind zentrale Werte für unser Unternehmen und unsere Unternehmenskultur. Diese Haltung wollen wir auch in unserer Sprache zum Ausdruck bringen.«
Lufthansa verzichtet auf »Sehr geehrte Damen und Herren« - Spiegel
Über Pressefreiheit wurde in letzter Zeit auch vor dem Hintergrund problematischer Äusserungen von Hans-Georg Maaßen diskutiert. Nun hat der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“, der das Bundeswirtschaftsministerium in Digitalfragen beraten soll, mit befremdlichen Forderungen auf sich aufmerksam gemacht.
Konkret wird darin die „Gewährleistung einer ausgewogenen Berichterstattung über Börsengänge durch Erlass von Regeln zur Vermeidung einseitig diffamierender Artikel, die sich als regelrechtes IPO- und New-Economy-Bashing unter Finanzredakteuren verbreitet haben“ gefordert. Um dieses Ziel sicherzustellen, bringen die Autoren die „Verpflichtung der Presse zur Berichterstattung auch über kleine IPOs (fallen sonst bei den großen Medien ganz durchs Raster)“ ins Spiel. Es folgt die Aufforderung zur „Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information, bewehrt durch Pflicht zur unverzüglichen Gegendarstellung bei Fehlinformation“.
Als Verfasser werden in dem Positionspapier die Gründerin des Erotik-Start-ups Amorelie Lea-Sophie Cramer, der Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft SGT German Private Equity Christoph Gerlinger sowie der Geschäftsführer des High-Tech-Gründerfonds (HTGF) Alex von Frankenberg genannt. Dass ausgerechnet Letzterer mit von der Partie war, dürfte im Wirtschaftsministerium nicht gut ankommen. Der High-Tech-Gründerfonds zählt zu den Vorzeigeprojekten der Bundesregierung in Rahmen der Start-up-Förderung. Er speist sich sowohl aus öffentlichen Mitteln als auch dem Geld privater Investoren. Insgesamt hat der Beirat Junge Digitale Wirtschaft 29 Mitglieder.
Die Allmachtsträume von Start-ups - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Wolfgang Schäuble, einer der letzten der alten Politikergarde, hat sich in einem Interview unnachahmlich erfrischend und zielgenau zum oben erwähnten Hans-Georg Maaßen und auch zu Annalena Baerbock geäussert.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wirft dem CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen gezieltes Provozieren als Taktik vor. „Herr Maaßen versucht mit Provokationen, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das ist offenbar sein Stil, aber das sollten wir nicht einmal ignorieren“, sagte Schäuble der „Bild am Sonntag“.
Auf die Frage, ob es hier nicht auch Grenzen gebe, sagte Schäuble: „Wie ich hörte, hat Herr Maaßen seine Aussagen richtiggestellt. Ich rate ihm aber: Wenn er so klug sein will, wie er glaubt, dass er es ist, sollte er nicht zu oft Äußerungen machen, die er hinterher korrigieren muss.“
Auf die Frage, ob er sich wünsche, dass Maaßen gewählt wird, sagte Schäuble: „Die Union hat den Anspruch, alle Wahlkreise zu gewinnen, auch in Südthüringen. Und wir wollen auch ihn in die Union integrieren und nicht ausgrenzen.“
Keine Benachteiligung mehr sieht der Bundestagspräsident für Frauen in der heutigen Politik. Auf eine entsprechende Frage der „Bild am Sonntag“ sagte Schäuble: „Früher war es in der Tat so. Zu Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel sind noch Schweißflecken an ihrem Sommerkleid thematisiert worden. Das fand ich unmöglich. Heute haben es Frauen in der Politik nicht mehr schwerer.“
„Es mag sein, dass vieles aufgebauscht ist, aber da gilt der alte Spruch: Wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts verloren. Sie musste wissen, dass die Kanzlerkandidatur ein harter Weg ist.“
Schäuble: Maaßen will mit Provokationen Aufmerksamkeit gewinnen - Handelsblatt
Beate Wilms hat einen hervorragenden Kommentar in der TAZ geschrieben. Darin beschäftigt sie sich mit der unberechtigten Pauschalkritik der heutigen Jugend an der sogenannten Boomergeneration. Natürlich stimme ich nicht allem im Artikel zu, aber grundsätzlich teile ich ihre Meinung.
Hättet Ihr mich gefragt, hätte ich Euch auch etwas anderes erzählt: Zum Beispiel, dass es ein Mythos ist, dass sich Boomer nicht für die Zukunft unseres Planeten interessieren. Wer bitteschön hat denn Anfang der 1980er Jahre gegen das Waldsterben protestiert, das vor allem die Folge des sauren Regens war? Wer hat es geschafft, dass die europäischen Staaten, die USA, Kanada und die Sowjetunion 1983 das Genfer Luftreinhalteabkommen abschlossen?
Dass Rauchgase entschwefelt wurden, sich der Katalysator durchsetzte, Grenzwerte für Schwefeldioxidausstoß und Stickoxide festgelegt wurden? Boomer kämpften gegen ozonschichtvernichtende Fluorchlorkohlenwasserstoffe, gegen Autobahnen, gegen Atomkraftwerke, Wiederaufbereitungsanlagen, Endlager, aber auch gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen im Kalten Krieg – und gegen die Asylpolitik der Bundesregierung.
Und falls ihr Millennials und Fridays-for-Future-Kids nicht von selbst drauf kommt: Dass vieles nur stockend voranging und manchmal auch erfolglos geblieben ist, liegt nicht daran, dass wir nicht wollten – vieles dauert einfach. Weil Politik und Diplomatie komplizierter sind, als man auf den ersten Blick denkt und es eben auch viele Menschen gibt, die sich von so ein paar Weltverbesserern nicht das Geschäft vermiesen lassen wollen. Und überhaupt: Wir hatten kein Internet und keine Mobiltelefone, mit denen wir uns einfach mal per Knopfdruck vernetzen oder unsere Botschaften verbreiten konnten.
Aber es gibt eben auch die anderen. Die NGOs gründeten, wie Heffa Schücking die Umweltorganisation Urgewald. Oder Peter Fuchs den Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- und Weltwirtschaft PowerShift. Die in die Wissenschaft gingen wie Postwachstumsapologet Niko Paech, Umweltökonomin Claudia Kemfert und Scientists-for-Future-Gründer Gregor Hagedorn.
Hättet Ihr mich gefragt, hätte ich also vielleicht auch einfach gesagt: Die Grenze verläuft nicht zwischen Boomern und Generation X, Y oder Z, sie verläuft zwischen oben und unten. Und sie verläuft zwischen denen, die das Klima retten wollen, und denjenigen, denen es scheißegal ist. Kiddies, kapiert das endlich!
Wir sind nicht privilegiert! - TAZ
Alexander Kissler hat sich in einem Kommentar zu den Auswirkungen von Vorschriften “genderneutraler” Sprache in öffentlichen Einrichtungen und Universitäten befasst.
Selbstverständlich dürfen Privatunternehmen und Privatpersonen im Rahmen geltender Gesetze reden und schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist oder es ihnen mit Blick auf den Wettbewerb opportun erscheint. Wenn eine Bank verspricht, die «Mitarbeitenden» schnürten für die «Anlegenden» einen Plan zum Vermögensaufbau, möge die Bank damit glücklich werden. Ein Verbot der Gendersprache wäre ebenso illiberal, wie es der direkte oder indirekte Zwang zum Gendern ist. Ganz anders verhält es sich mit Städten und Gemeinden, mit Universitäten, Ämtern, Ministerien und öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Wer von der Allgemeinheit finanziert wird und in deren Interesse zu handeln vorgibt, darf sein allgemeines Mandat nicht für weltanschauliche Partikularinteressen zweckentfremden.
Im Genderdeutsch werden Menschen zu Trägern des Rechts, allzeit beleidigt zu sein. Das Gegenüber wird zur Karikatur des misstrauischen Onkels mit Monokel, dem man es nie recht machen kann. Irgendeine Gruppe wird sich immer nicht mitgemeint, immer ausgegrenzt fühlen, und sei es, um im weltanschaulichen Verdrängungswettbewerb gute Karten zu haben. Die gemeinsame Sprache zählt zu den wenigen Verständigungsmitteln, die eine plurale Gesellschaft zusammenhalten. Wenn ein Terrain der Fallstricke noch die harmloseste Formulierung umgibt, wird alles Reden problematisch.
Damit ist das Dilemma des Genderdeutschs benannt. Es begreift sich als Dienst an der Vielfalt und betreibt das Geschäft der Entdifferenzierung. Der Unterschied soll nicht mehr hochleben, die vielen Blumen sollen nicht mehr blühen. Die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen wird reduziert zur gesichtslosen Chiffre. Im generischen Maskulinum waren alle gemeint – jetzt ist jeder ausgeschlossen, auf den nicht durch Platzhalter hingewiesen wird. Da reiches Denken niemals aus einem verarmten Ausdruck entstehen kann, beschneidet der Genderzwang in der Sprache die Kreativität. Er ist ein Elitenprojekt zum Nachteil aller.
Der Zwang zum Gendern schadet allen - Neue Zürcher Zeitung
Thomas Lückerath verknüpft die berechtigte Kritik daran, dass der WDR in der vergangenen Nacht seinem Auftag nicht nachkam, über die Auswirkungen des Starkregens in der Region zu berichten, mit grundsätzlicher Kritik am System der öffentlich-rechtlichen Medien.
Es ist nicht mehr vermittelbar. Nicht den Beitragszahlern, nicht der Medienpolitik oder dem Fachjournalismus: Wenn der finanziell großzügig ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunk wie hier im Falle des WDR es in akuten Krisensituationen nicht schafft, ein verlässliches Informationsangebot für das Sendegebiet zu liefern, was wohl unbestritten zur Kernaufgabe gehört, dann wird bei all den Sparbemühungen der Häuser, an den falschen Stellen gespart. Der WDR betont so gerne "Wir sind der Westen", doch genau den hat man in der Nacht zu Donnerstag im Stich gelassen.
Während die Talsperren überlaufen, mehrere Städte nächtliche Evakuierungen einleiten und Bürger möglicherweise erstmals in ihrem Leben von den Sirenen des Katastrophenalarms aus dem Schlaf gerissen werden und möglicherweise verstört wissen wollen, was gerade los ist - unterlässt der WDR jede Hilfeleistung. Dabei war die Dramatik der Nacht absehbar. Im TV läuft jedoch unbeirrt die Doku "Vom Traum zum Terror - München 72", im Radio - etwa bei WDR 2 - die übliche Übernahme der ARD-Popnacht. Nicht einmal ein Laufband informiert oder verweist auf den einsamen Ticker auf der Website. Fast drei Stunden lang spitzt sich die Lage zu, ohne dass der WDR in den Programmen berichtet.
Es ist ein Sinnbild für absurde Prioritäten, wenn das Radioprogramm der ARD-Popnacht zwar gewohnheitsmäßig mehrfach die Stunde für Staumeldungen oder einen liegen gebliebenen Reifen auf der Fahrbahn irgendwo zwischen Frankfurt und Karlsruhe unterbrochen wird, aber die Radiohörer in NRW mit Katastrophenalarm und Evakuierungsanweisungen allein gelassen werden, weil in den trägen Behörden, die sich WDR Hörfunk und WDR Fernsehen nennen, gar nicht vorgesehen scheint, dass sich mal jemand in einer außergewöhnlichen Situation auf den WDR verlassen wollen könnte.
Dieser WDR in der Verantwortung von Tom Buhrow, Jörg Schönenborn und Valerie Weber jedoch hat heute Nacht versagt. Was nützen da sicher tolle Innovation-Labs, Dialoge zur Zukunft und anderer Firlefanz, wenn es an den Grundlagen eines verlässlichen Programms scheitert. Nun, die Rechtfertigungen werden wieder so eloquent sein wie die Einsicht spärlich. Der Status Quo, begrenzte Mitteln etc. Nein, dafür beobachtet auch DWDL.de schon zu lange das immer gleiche Schauspiel. Diese Argumente sind Augenwischerei: Es ist nicht länger vermittelbar, dass bei einer stolzen finanziellen Ausstattung ausgerechnet für die regionale Information als Kerngenre kein Geld da sein soll.
Unterlassene Hilfeleistung: WDR lässt den Westen im Stich - DWDL
Zum Ende der Rubrik der Hinweis auf ein sehr gutes Gespräch zwischen Gregor Gysi und Stefan Aust.
Kultur
Coverversion der Woche: The Pastels - Different Drum
Da heute Linda Ronstadt Geburtstag hat und einer ihrer Songs zu meinen Lieblingsstücken gehört, heute “Different Drum”, bei dem es sich bereits um eine Coverversion handelt. Komponiert wurde das Lied von Mike Nesmith, später Mitglied der Monkees, im Jahr 1965. Zuerst nahmen ihn die Greenbriar Boys 1966 auf. Ebenfalls von 1966 ist auch die Version von Linda Ronstadt bzw. ihrer damaligen Band The Stone Poneys. Der Titel wurde häufig gecovert und die Version der Lemonheads (1990) oder die von Susanna Hoffs (2006) finde ich sehr gelungen. Meine liebste Interpretation nach der von Ronstadt ist allerdings die der Pastels, weil der nölige Gesang und der Perspektivenwechsel sehr gut passen.