Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #47
Diese Woche lieferte wieder einige Paradebeispiele für Doppelmoral. Eines möchte ich herausgreifen. Am Dienstag fordert eine Sprecherin von “Fridays for Future”, der Schauspieler Volker Bruch solle von der ARD entlassen werden, weil seine Nähe zur Querdenkerbewegung, welche vom Verfassungsschutz beobachtet wird, bekannt wurde. Am nächsten Tag ging “Fridays for Future” ein Bündnis mit der Gruppe “Unteilbar” ein, die keine Berührungsängste mit Antisemiten hat. Zu den Mitunterzeichnern gehörte die vom Verfassungsschutz beobachtete “Interventionistische Linke” und der “Zentralrat der Muslime”, zu dessen Mitgliedsverbänden die rechtsextreme “ATIB” gehört. Hier zeigte sich wieder einmal das rein taktische Verhältnis mancher Gruppierungen zum Rechtsstaat.
Gerne würde ich noch, auf meinen neuen Artikel in der WELT hinzuweisen. Heute ist er auch in der Printausgabe erschienen.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um das Klimaschutzgesetz und Überraschungen.
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Politik und Gesellschaft
Barbara Zehnpfennig hat einen hervorragenden Text über Cancel Culture in der Wissenschaft geschrieben. Hervorragend vor Allem deshalb, weil sie darin zutreffend alle Werkzeuge benennt, derer sich die Aktivisten bedienen.
Das Problem ist, dass der Andersdenkende oft gar nicht mehr die Gelegenheit erhält, seine Position zu begründen. Er hat gegen einen ungeschriebenen Kodex verstoßen, und das macht ihn satisfaktionsunfähig. Wer den Rassismus nicht für eine europäische Erfindung hält, wer im Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung der Frau sieht, wer darauf besteht, dass Geschlecht nicht einfach nur ein gesellschaftliches Konstrukt ist, hat sich in weiten Teilen der akademischen Welt schon so unmöglich gemacht, dass man gar nichts weiter von ihm hören will. Es ist also nicht so, dass man sich bei solchen Positionen auf ein Bombardement von Gegenargumenten einstellen müsste. Der Angriff zielt vielmehr auf die Person.
Da der Antirassismus, der Antieurozentrismus, die Gendertheorie und der Multikulturalismus die Seite des moralisch Guten okkupiert haben, ist der Kritiker dieser Strömungen fraglos der moralisch anrüchigen zuzuordnen. Die Verlagerung der Auseinandersetzung von der Sachebene auf die Ebene des Moralischen erlaubt den Ideologen eine erfrischende Freiheit im Umgang mit den Fakten: Was bedeutet schon die naturwissenschaftliche Forschung zu den Geschlechtern, wenn man solch schöne sozialwissenschaftliche Theorien über die gesellschaftliche Konstruktion des Geschlechts hat? Wen interessieren die historischen Tatsachen zum Thema Sklaverei, wenn man doch weiß, dass hier alle Schuld beim weißen Mann zu suchen ist?
Doch abgesehen davon, dass sich diese angeblichen Einzelfälle häufen, darf nicht übersehen werden, was der für alle spürbare Sanktionsmechanismus der moralischen Ächtung subkutan für Verwüstungen anrichtet. Sichtbar ist nur, wer bereits dem Verdikt verfallen ist. Unsichtbar aber bleiben die vielen, die aus Angst vor einer Ächtung, gegen die man sich eben nicht wehren kann, nicht so reden, wie sie denken, und nicht so forschen, wie sie gerne forschen würden.
Das bedeutet die Ausbreitung des Duckmäusertums und der Heuchelei in die Wissenschaft. Man macht seinen Kotau vor Diversität, Gender und europäischer Universalschuld und versucht, dahinter verborgen doch noch etwas von dem zu retten, was einem eigentlich wichtig ist. Oder man ergibt sich völlig dem Druck und liefert das Geforderte. In beiden Fällen verstärkt man die schon vorhandene Tendenz. Natürlich kann man den Betreffenden vorwerfen, dass sie auf diese Weise an dem Netz mitknüpfen, das sie einschnürt. Aber Heldentum ist eben dünn gesät – und an der Universität, so der Eindruck, den man manchmal haben kann, vielleicht noch dünner als an anderen Orten.
Wenn sich in der Wissenschaft die Haltung breitmacht, die Wahrheit bereits gefunden zu haben, und die Forschung nur noch dem Zweck dient, sie zu verifizieren, trifft das die Wissenschaft im Kern. Wissenschaft ist fortwährende, möglichst vorurteilsfreie, auf jeden Fall aber existenziell auf die sachliche Auseinandersetzung angewiesene Erkenntnis- und Wahrheitssuche. In ihr kann es nur um die Sache gehen, nicht um die Personen, nicht um moralische Qualifizierungen, nicht um politische Zielsetzungen. Wenn das aus dem Blick gerät, ist in der Tat viel verloren. Deshalb sollte man nicht als persönliche Empfindlichkeit abtun, was der Sorge um den Kern wissenschaftlichen Arbeitens entspringt: die Bewahrung des wissenschaftlichen Ethos, das nicht zuletzt darin besteht, die Wissenschaft so weit wie möglich von allen wissenschaftsfremden Einflüssen frei zu halten, selbst wenn diese den eigenen Neigungen und Idiosynkrasien entsprechen.
Worüber man nicht spricht - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Daniel Stelter befasst sich im Manager Magazin mit dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz.
Wer nur auf Verzicht und Begrenzung von Freiheitsrechten beim Thema Klimaschutz setzt, ist auf dem Holzweg. In allen maßgeblichen Studien der führenden deutschen Forschungsinstitute werden hohe Ausgaben für die Erforschung neuer Technologien angemahnt. International zeigen die Überlegungen der neuen US-Administration wie sehr man auf Forschung und Entwicklung als Lösung für die Probleme setzt. Die Gelder, die dafür heute ausgegeben werden, erhöhen den Handlungsspielraum für künftige Generationen. Als Gericht im Jahr 2021 davon auszugehen, dass ab 2030 harte Eingriffe in die Freiheitsrechte erforderlich sein werden, um die Klimaziele zu erreichen, verkennt diesen entscheidenden Hebel.
In die gleiche Kategorie fällt die implizite Billigung deutscher Tabus. Es ist offensichtlich, dass eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bei gleichzeitig rascherer Abschaltung der Kohlekraftwerke das verbliebene CO2-Budget praktisch über Nacht deutlich entlasten würde. Der Weltklimarat IPCC sieht in der Kernenergie beispielsweise ein wesentliches Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. Dabei müssten wir nicht wie unsere Nachbarn neue Kraftwerke bauen, wir könnten die vorhandenen nutzen.
Weitere Tabus wie der Einsatz grüner Treibstoffe und die Förderung von sogenannten Carbon-Capture Technologien werden ebenfalls nicht angetastet. Dabei könnte man doch von dem höchsten deutschen Gericht, wenn es schon eine gerechte Lastenteilung zwischen den Generationen anmahnt erwarten, dass es auch hier für eine nicht-ideologische, am gesellschaftlichen Nutzen orientierte Politik eintritt.
Das Urteil zeichnet ein verstörend statisches, unökonomisches und vor allem technikfeindliches Bild unserer höchsten Richter. Es passt zu einem immer planwirtschaftlicheren Vorgehen der politischen Akteure, die sich sichtlich gefreut haben, ihren Planungshorizont gleich bis zum Jahr 2050 zu verlängern. Sektorale Zielvorgaben für den CO2-Ausstoß pro Jahr bis zum Null-Emissions-Jahr 2050 werden unsere Planungsbehörden demnächst mit dem „Gütesigel“ des Bundesverfassungsgerichts vorlegen.
Das Erreichen der Klimaziele wird so aber nicht wahrscheinlicher, sondern noch unwahrscheinlicher. Ineffizienz und Ineffektivität werden zu einem unnötig hohen Ressourcenverbrauch führen und den Schwerpunkt auf symbolträchtige Einsparungsmaßnahmen legen, statt auf die eigentliche Lösung: Technik und Innovation. Gewinner werden einmal mehr die USA und China werden, die erkannt haben, dass im letzteren der Weg liegt, Klimaschutz und Wohlstandssicherung zu verbinden.
Klimaschutzgesetz: Wir brauchen Effizienz statt Planwirtschaft - Manager Magazin
Immer Menschen lehnen es ab, sich mit Meinungen zu beschäftigen, die sie nicht teilen. Darüber, und auch über die moralische Aufladung von Diskursen, hat Heiko Heinisch einen Text geschrieben. Er enthält einige Punkte, auf die ich auch bereits seit Jahren hinweise. Dieser Text hat mich ebenfalls daran erinnert, dass ich mir mal wieder alte ORF Club 2-Ausgaben anschauen wollte.
Anders als heute waren sich die Beteiligten offenbar noch bewusst, dass das politische Spektrum von rechts bis links – hier sind nicht die extremistischen Ränder gemeint – reicht und man auch und gerade in einer Demokratie auf einer Bühne nicht nur mit dem Kontrahenten, sondern vor allem für das Publikum diskutiert. Dieses gedachte man noch nicht mit Moralismus und Empörung, sondern mit Argumenten zu überzeugen.
In den vergangenen Jahrzehnten ist einer wachsenden Gruppe die Fähigkeit abhandengekommen, andere Meinungen zu ertragen und in Anders-Meinenden Menschen zu sehen, die als solche Respekt verdienen. Von allzu vielen werden andere Meinungen und die für sie vorgebrachten Argumente nicht mehr als Herausforderung oder auch als Verpflichtung betrachtet, die eigenen Argumente zu schärfen, vielleicht auch einmal in Frage zu stellen, sondern als Zumutung. Menschen, die andere Meinungen vertreten, werden schnell zum Feind, mit Verachtung gestraft, abgewertet und diffamiert. Wer die Corona-Maßnahmen auch nur kritisch betrachtet, läuft Gefahr, als „Covidiot“ bezeichnet zu werden, der Menschenleben gefährde; wer gegen den UN-Migrationspakt argumentiert – und sei es auch mit klassisch linken Argumenten –, ist ein „Nazi“; wer nicht in den Chor einstimmt, der Lisa Eckhart und Dieter Nuhr rechter Gesinnung bezichtigt, dem wird eine solche unterstellt. Kurz gesagt sind es heute immer weniger die Argumente, die den öffentlichen Diskurs bestimmen, als Moralkeulen.
Meinungsblasen und Moralkeulen - Nu
Mich befremdet grundsätzlich das Gebaren von Interviewern wie Jan Böhmermann, Kurt Krömer oder Tilo Jung. Gäste, die den Genannten sympathisch sind, müssen keine kritische Frage fürchten. Alle anderen werden dagegen übertrieben hart und oft am Rande der Unverschämtheit befragt. Sehr unangenehm. Bezüglich Letzterem muss ich allerdings relativieren. Tilo Jung scheint eine Art Sinneswandel durchgemacht zu haben. Schon das in der letzten Woche thematisierte Gespräch mit Lars Feld war sehr angenehm. Nun hat er nachgelegt und Dieter Nuhr eingeladen. Auch dieser Austausch war sehr interessant und vor allem seriös. Hoffentlich behält er das bei.
Zum Ende dieser Rubrik noch eine interessante Diskussion zwischen Judith Sevinç Basad und Anna Rosenwasser zum Thema Cancel Culture. Man mag es so empfinden, dass dieses Thema in letzter Zeit zuviel Aufmerksamkeit bekommt. Dieser Meinung bin ich nicht. Natürlich wird es mehr beleuchtet, als in der Vergangenheit. Nachdem die dahinter stehenden Phänomene in den letzten Jahren allerdings so gut wie gar keine Rolle in den großen Medien spielten, ist es völlig in Ordnung, dass sie im Moment besonders viel behandelt werden.
Ist Cancel Culture demokratisch oder totalitär? - SRF
Kultur
Coverversion der Woche: Billy Preston - I Got You (I Feel Good)
Ursprünglich von James Brown komponiert, im Jahr 1965 aufgenommen, handelt es sich beim Original um eines der bekanntesten Lieder der Welt. Weniger geläufig ist die großartige Version von Billy Preston, welcher den meisten durch seine Zusammenarbeit mit den Beatles bekannt sein dürfte. Man achte auf das Setting der Originalversion.