Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #42
Die Antwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ lautet 42. Als Douglas Adams Fan weiß man das. Was sich leichter herausfinden lässt, ist, dass dies die 42. Ausgabe des Newsletters ist, denn das steht im Titel.
Einige meiner Leser haben bereits herausgefunden, dass am Dienstag ein neuer Artikel von mir in der Printausgabe der WELT und auch online erschienen ist. Für diejenigen, die das noch nicht wussten, sei hiermit erneut darauf hingewiesen. Freue mich wie immer über Rückmeldungen.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Kompetenz, Verfassungstreue und einen großen Liberalen.
Willkommen im Club!
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Politik und Gesellschaft
Dass ich die AfD trotz der Tatsache, dass sie demokratisch legitimiert ist, nicht für eine demokratische Partei halte, habe ich hier bereits mehrfach erwähnt. Diese Einschätzung gilt auch für die Linkspartei. Demokratisch legitimiert, aber nicht demokratisch. Besonders mit der neuen Vorsitzenden Janine Wissler wurde eine Person an die Spitze gewählt, die nicht nur Aufgrund ihrer - inzwischen beendeten -Mitgliedschaft in zwei Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden (“Marx21” und “Sozialistische Linke”), meiner Meinung nach eine Linksextremistin ist. Ihre Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat bisher hauptsächlich durch ihre umfassende Ahnungslosigkeit (auch bezüglich des eigenen Parteiprogramms) auf sich aufmerksam gemacht. Ihr Interview bei Thilo Jung kann man zum Beispiel nur als Desaster bezeichnen. Nun hat sie sich bei Markus Lanz, den ich als Interviewer sehr schätze, erneut blamiert. Wer darüber nachdenkt, die Linke zu wählen, dem seien beide Interviews ans Herz gelegt. Diese Art des kritischen Nachfragens hätte ich mir übrigens auch von Anne Will beim Gespräch mit Angela Merkel gewünscht, welches eher eine Audienz war.
Markus Lanz vom 31. März 2021 - ZDF
Die Frage der Wählbarkeit bestimmter Parteien stellt sich auch vor dem Hintergrund des geplanten Demokratiefördergesetzes. Hier verlangt die CDU von staatlich geförderten Organisationen ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dieses völlig berechtigte Anliegen versuchen Grüne, SPD und Linkspartei seitdem als “Generalverdacht” zu diskreditieren. Wem ein Bekenntnis zur Verfassung die Empörungsröte ins Gesicht treibt, der sollte kein Geld vom Staat bekommen, sondern auf seine Verfassungstreue überprüft werden.
Der Fraktionssprecher der Union sagte laut Spiegel, der jetzige Entwurf des Gesetzes weiche "in wesentlichen Punkten" von den "Forderungen und Vorstellungen an ein entsprechendes Gesetzesvorhaben" ab. Konkret fordern CDU und CSU ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland von denjenigen, die auf Basis des Gesetzes finanziell gefördert werden könnten. Ein solches Bekenntnis zu verlangen, käme einer Reetablierung der sogenannten Extremismusklausel gleich. Eine solche, von allen Geldempfängern zu unterzeichnende Klausel hatte CDU-Familienministerin Kristina Schröder 2011 eingeführt, ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatten diese drei Jahre später wieder abgeschafft. Auch die Regierung von Sachsen schaffte eine solche Klausel nach längerem Widerstand 2015 ab.
Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, sahen in dieser Klausel eine Generalverdacht, linksextrem zu sein. Seither ist im Zuwendungsbescheid geregelt, dass keine Steuergelder an extremistische Organisationen oder Personen gehen dürfen, auch nicht über Projektpartner. Ein Versuch der Bundesregierung, im Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen automatisch die steuerliche Gemeinnützigkeit zu entziehen, war 2012 ebenfalls gescheitert.
Unionsfraktion bremst Demokratiefördergesetz aus - Zeit
Dass Bettina Jarasch auf dem Landesparteitag der Grünen in Berlin mit ihrer Aussage, als Kind sei ihr Berufswunsch Indianerhäuptling gewesen, für Furore gesorgt hat, ist im derzeitigen Klima kaum verwunderlich. Anstatt sich darüber zu freuen, dass Jarasch schon als Kind so emanzipiert war, dass sie sich sogar vorstellen konnte, einen Männerberuf zu ergreifen, war der diverse Hühnerhof in Aufruhr, die entsprechende Stelle wurde aus dem Parteitagsvideo herausgeschnitten und diese Maßnahme mit einem Kommentar erklärt. Indianer geht nämlich gar nicht, muss man wissen. Die Geschmähte entschuldigte sich sogleich und bezeichnete ihre Aussage als “unreflektierte Kindheitserinnerungen”. Wäre das nicht ein guter Name für eine Band? Mir fällt dazu nur das folgende Lied ein, welches nach diesen Maßstäben auf den Müllhaufen der Geschichte gehört.
In letzter Zeit liest und hört man in Diskussionen immer häufiger, Weisse könnten grundsätzlich nicht Opfer von Rassismus sein. Diese Behauptung ist nachweislich unzutreffend. Bereits die Auseinandersetzung mit der Personalie Robert Mugabe widerlegt sie. Einen zu selten beleuchteten Aspekt greift Erica Zingher in der TAZ auf.
Es gibt sie, die lange Tradition von antislawischem und antiosteuropäischem Rassismus in Deutschland. Das sagt Jannis Panagiotidis, Migrationsforscher und Leiter des Recet-Zentrums für Transformationsgeschichte an der Universität Wien. Die aktuelle Debatte zur Frage, ob weiße Menschen Rassismus in Deutschland erleben könnten, hält er für unterkomplex.
Das Problem sei, dass oft so getan werde, als sei Rassismus ein ausschließlich schwarz-weiß binäres Schema, sagt er. Dabei basierte Rassismus besonders in Europa nie ausschließlich auf der Unterscheidung nach Hautfarben. Die sogenannte „Rassentheorie“, wie es sie im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab, hat die Menschheit nicht nur in Weiße und Schwarze unterteilt, sagt Panagiotidis. Sondern in „zivilisierte“ Westeuropäer und „barbarische, rückständige“ Menschen im Osten. Seinen Höhepunkt fand diese Kategorisierung später unter den Nationalsozialisten, die von „slawischen Untermenschen“ sprachen. Auch das antisemitische Bild der „Ostjuden“ hängt historisch damit zusammen.
Unwissen allein wäre ein Zustand, den man ändern könnte. Leider gesellt sich bei manchen Antirassisten auch ein Unwille dazu, Geschichte und Betroffenheit von Osteuropäern anzuerkennen. Als gäbe es eine Angst vor Opferkonkurrenz oder einfach keinen Platz für diese Menschen im antirassistischen Diskurs.
Die Debatte um die deutsche Übersetzung des Gedichts von Amanda Gorman hatte ich hier bereits aufgegriffen. Nun ist sie erschienen und ist - Überraschung! - eine Katastrophe. Gleich mehrere Artikel beschäftigen sich kritisch damit. Einige möchte ich hier empfehlen.
Von der nun vorgelegten Übersetzung hält die Literaturkritikerin nichts. Es sei ein Mittelding zwischen Leitartikel, Hirtenbrief und interdisziplinärem Seminar. „Also, es klingt auf Deutsch vollkommen verfehlt“, so Strigl, „ein uninspirierter Text, kleinmütig, stellenweise unbeholfen und sogar manchmal grammatikalisch falsch. Und davon abgesehen, absolut unmusikalisch“, so ihr vernichtendes Urteil.
Hymne auf die amerikanische Tradition - Deutschlandfunk
So bricht sich in dieser Übersetzung die Debatte der vergangenen Wochen, dass jemand, der gewisse Erfahrungen nicht teilt, nicht befähigt wäre, über etwas zu sprechen, auf kuriose Weise. Denn trotz zweier Beteiligter nichtweißer Hautfarbe ist die Übersetzung danebengegangen. Hat sich das Team zu sehr auf politische Korrektheit und Authentizität durch gelebte Diversität verlassen, statt aufs handwerkliche Einmaleins? Zeichnet die Profession literarischen Übersetzens doch aus, ein Werk unabhängig von der eigenen Biografie dem Textmaterial angemessen und in Kenntnis von Tradition und Registern zu übertragen.
Gorman-Gedicht: Deutsche Übersetzung in höchstem Maß missglückt - Der Standard
Dieser Identitätscombo, bestehend aus einer schwarzen Akademikerin, einer deutschen Amerikanistin und einer Deutsch-Türkin, soll es im Kollektiv gelingen, sich in Gormans Verse »einzufühlen«. Die Deutsch-Türkin hat mit Gorman zwar selbst unter identitätspolitischen Prämissen nichts gemein, passt aber ideologisch gut ins Programm. Warum es einer ganzen Arbeitsgruppe bedarf, um ein Gedicht zu übersetzen, das schon im Original nicht besonders kompliziert zu verstehen ist, bleibt das Geheimnis des Verlags. Selbst in dessen Öffentlichkeitsabteilung müsste es eigentlich noch Leute geben, die sich daran erinnern, dass früher einmal Eva Moldenhauer im identitätspolitisch unkorrekten Alleingang Claude Simon übertragen hat, und dass Klaus Reichert, der in unübertroffener Weise das im Grunde unübersetzbare Werk von Lewis Carroll ebenso wie James Joyces »Finnegan’s Wake« ins Deutsche überführte, dies nicht dank seiner Fähigkeiten als weißer Mann, sondern als für sprachliche Nuancen sensibler Anglist tat.
Doch bei diesen Beispielen handelt es sich um Weltliteratur, also um eine Sphäre, in die zwar Robert Frost gehört (den Paul Celan ins Deutsche übertrug), aber nicht Amanda Gorman, von deren Gedicht, wie bei Poptexten üblich, längst deutsche Übersetzungen im Netz kursieren, ohne dass es PR-trainierten Literaturexperten, die statt über den Gegenstand ihrer Arbeit nur über Identitäten, Sprechorte und Herkünfte zu reden gelernt haben, überhaupt aufgefallen wäre. Ein Literaturbetrieb, der über die Frage, wer am besten geeignet ist, Gedichte zu übersetzen, monatelange Diskussionen führt, stellt damit eines unter Beweis: dass ihm das Objekt seiner Arbeit abhanden gekommen ist, weil seine Angestellten verlernt haben, an den Gegenständen, mit denen sie sich beschäftigen, spezifische Erfahrungen zu machen. Mit dieser Unfähigkeit gesteht die Identitätspolitik ihre eigene Banalität ein: Sie ist unfähig, irgendetwas zur Erkenntnis der Objekte beizutragen, mit denen sie sich beschäftigt, und kann deshalb statt Gegenstand von Kritik nur Gegenstand von Erledigung sein.
Bahnbrechende Banalität - Jungle World
Gestern im Jahr 2016 starb mit Hans-Dietrich Genscher ein großer Liberaler, von dem eines meiner Lieblingszitate stammt:
Den guten Lotsen erkennt man an der ruhigen Hand und nicht an der lautesten Stimme.
Ein sehr interessantes Gespräch hat er 2014 mit Alfred Schier bei Phoenix geführt.
Kultur
Coverversion der Woche: Amy Winehouse - Will You Still Love Me Tomorrow
Das Stück wurde von Carole King und Gerry Goffin geschrieben, im Jahr 1961 landete es in der Version der Shirelles in den USA auf Platz Eins der Charts. Das grandiose Original ist ein Slowfox, die phantastische Coverversion von Amy Winehouse deutlich langsamer.