Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #33
Zur 33. Ausgabe des Newsletters müsste ich eigentlich eine Runde ausgeben, weil Schnapszahl. Das ist leider weder virtuell noch im Moment real möglich. Die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung verhindern dies.
Dass es diese Publikation auf 33 Ausgaben bringt und bisher kein Ende in Sicht ist, hätte ich nicht gedacht, als ich im Juni letzten Jahres damit begann, meine Ansichten zu bestimmten Themen in Form von Kommentaren zu meiner Meinung nach lesenswerten Artikeln aufzuschreiben.
Ohne das substanzlose Geschwafel einer “schweigenden Mehrheit" legitimieren zu wollen, weiß ich, dass es viele Menschen gibt, die ähnlich denken wie ich. Das sehe ich in meinem Umfeld, das zeigt aber auch die steigende Zahl an Abonnenten, über die ich mich sehr freue.
Es wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, dass ich mich mal in die Rassismusdebatte einmischen würde, denn meine Hautfarbe war nie ein relevanter Teil meiner Identität und ist es auch nach wie vor nicht. Wenn ich aber beobachte, wie dieser Diskurs geführt wird und welche Positionen weitgehend unwidersprochen bleiben, muss ich mich einfach dazu äussern.
Ich werde mich auch weiterhin auf keine Seite ziehen lassen oder Teil einer Gruppe werden. Das habe ich mein Leben lang so gehalten. Schwarzweißdenken ist mir fremd, Grautöne und Differenzierung wichtig. Natürlich kann man sich von manchen psychologischen Prozessen nicht freimachen, aber ich versuche es so gut es geht.
Neuen Abonnenten empfehle ich die “About”-Seite. Wer mir in den sozialen Medien folgen möchte, findet Accounts bei Twitter, Instagram und LinkedIn. Bei Twitter kann man auch meine #FreeBlackTwitterGermany-Liste für schwarze Meinungsvielfalt im deutschsprachigen Raum abonnieren.
Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um einen Shitstorm, Quoten und den Anspruch der Wissenschaft.
Willkommen im Club!
Wurde Ihnen diese Ausgabe weitergeleitet? Melden Sie sich für “Marcellus Maximus meint.” an, um den wöchentlichen Newsletter und weitere Artikel bequem über Ihr Emailpostfach zu empfangen.
Politik und Gesellschaft
Letzte Woche beschäftige ich mich hier mit einem Artikel der Tagesspiegel-Journalistin Fatina Keilani, welcher sich mit dem Geschäftsmodell Antirassismus beschäftigte. Damit versetzte sie den Hühnerhof (Inklusive Bezeichnung für alle Hühner bzw. als Hühner Gelesene. Mitgemeint sind natürlich auch Hähne und alle anderen Tiere/Menschen, die sich als Hühner identifizieren.) in helle Aufregung. Dann legte sie mit einem Artikel nach, in dem sie beschrieb, wie sie den Shitstorm erlebte und das im ersten Text Angerissene konkretisierte. Meiner Meinung nach argumentativ brilliant dargelegt. Wie nicht anders zu erwarten, gackerte es noch lauter als beim ersten Mal. Sogar Kollegen forderten bei Twitter öffentlich ihre Entlassung. Sowas habe ich noch nie erlebt und kann nur hoffen, dass die Chefredaktion hinter ihr steht.
In meinem Weltbild ist das eine gute Sache, wenn Migranten in der Gesellschaft ankommen. In dem Weltbild meiner neuen Gegner jedoch nicht, ein Token hat sich nämlich sozusagen selbst versklavt, durch Überanpassung an die Unterdrücker, das ist natürlich schlecht. Aber was ist denn dann gut? Ausgegrenzt sein ist schlecht, aber drin sein – ist auch schlecht? Ein Token arbeite an seiner eigenen Unterdrückung mit, hieß es. Ich fühle mich aber nicht unterdrückt, sondern frei.
Diese meinungsstarke Gruppe ist eine Gefahr für die Pressefreiheit, davon bin ich inzwischen überzeugt. Sie ist bestens in den Redaktionen vernetzt und entwickelt ungeheure Diskursmacht, mit der sie tief in die öffentliche Meinungsbildung eingreift.
Da Meinungsvielfalt und der Wettbewerb um die besten Ideen die Grundlage für den Erfolg der Demokratie bilden, ist sie auch eine Gefahr für die Demokratie. Irritiert hat mich, dass auch Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Sender hierbei mitmachten. Journalisten sollen in alle Richtungen Distanz halten, das ist meine Überzeugung. Sie dürfen keine Aktivisten sein.
Wer sich mit den Antirassisten verbündet, ist ein „Ally“. Manche geißeln sich selbst für ihr Weißsein. Zu erleben ist auch eine neue Form der Rassenkunde. Es gibt die unterschiedlichsten Klassifizierungen von Hautfarbe und Diskussionen darüber, wer wen wie nennen darf. Es gibt auch Klassifizierungen nach Sozialisation. Wer Jahrhunderte der Benachteiligung durch Kolonisation hinter sich hat, ist ein top Opfer. Auch sonst, je unterdrückter, desto besser im Opfer-Ranking. Wer es im Leben gut hatte, hat es hier plötzlich schlecht, wegen Privilegien.
„Kümmer’ dich doch einfach nicht drum!“, will ich ihnen zurufen. Guck mal, du liegst gar nicht in Ketten. Wieso ist es wichtig, von irgendwem anerkannt zu werden? Wessen Support kann deine Wunde heilen, die du so öffentlich zur Schau trägst? Das kannst du nur selbst. Mach einfach dein Ding. Es gibt ja auch viele erfolgreiche Menschen mit nichtweißer Hautfarbe, die diesen Weg gegangen sind.
Was ich erlebte, als ich über Antirassismus schrieb - Tagesspiegel
Zu dem Thema passt auch ein Artikel der Französin Caroline Fourest, einer bekennenden Linken, die ich schon länger verfolge. Sie kritisiert Identitätspolitik und damit zusammenhängende Phänomene. So ist sie für bestimmte Kreise zum Feind geworden. Der Text ist ein Ausschnitt aus ihrem Buch “Generation Beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer”, welches auf meiner Leseliste steht.
Man nimmt Anstoß am geringsten Widerspruch, der als „Mikroaggression“ wahrgenommen wird, was so weit geht, dass man „Safe spaces“ fordert: sichere Räume, in denen die Leute unter sich bleiben und lernen, dem Anderssein und der Debatte zu entfliehen. Selbst das Rederecht wird einer Genehmigungspflicht unterworfen, je nach Geschlecht und Hautfarbe. Eine Einschüchterung, die bis zur Entlassung von Professoren geht.
Diese Kulturpolizei geht von keinem autoritären Staat aus, sondern von der Gesellschaft und insbesondere von einer Jugend, die „aufgeweckt“ sein will, weil ultraempfindlich gegen jedwede Ungerechtigkeit. Was großartig wäre, wenn sie dabei nicht auf Unterstellungen und inquisitorische Methoden verfiele. Die Millennials gehören weithin einer identitären Linken an, die den wesentlichen Teil der antirassistischen Bewegungen und der LGBTQI-Szene beherrscht und sogar den Feminismus spaltet.
Ohne einen Aufschrei wird ihr kultureller Sieg vollständig sein. Der Einfluss ihrer Netzwerke auf Gewerkschaften, Fakultäten und politische Parteien wird größer, und sie gewinnen die Oberhand über die Welt der Kultur. Ihre Kabale lasten immer schwerer auf unserem geistigen und künstlerischen Leben. Selten bringt jemand den Mut auf, ihnen zu widersprechen.
Diese Streitigkeiten markieren den wirklichen Bruch sowohl inmitten des Antirassismus als auch zwischen den Generationen. Gestern kämpften Minderheiten gemeinsam gegen Ungleichheiten und patriarchale Herrschaft. Heute kämpfen sie, um herauszufinden, ob der Feminismus „weiß“ oder „schwarz“ ist. „Sag mir, welcher Herkunft du bist, und ich werde dir sagen, ob du reden darfst!“
Weit entfernt davon, die ethnisierenden Kategorien der suprematistischen Rechten in Abrede zu stellen, bestätigt diese identitäre Linke sie und schließt sich selbst darin ein.
Lange ist es her, dass das Unglück die Unterdrückten sowohl mit Würde als auch mit einem dicken Fell ausstattete. Die Älteren haben wirkliche Erniedrigungen erduldet, keine „Mikroaggressionen“. Die „Beleidigten“ der identitären Linken haben die Gewalt des Kampfes gegen die Rassentrennung, die Apartheid oder den Nazismus nie kennengelernt. Sie haben sich weder für das Recht auf Abtreibung geschlagen noch für das Recht zu lieben, ohne verhaftet zu werden (wie bei den Stonewall-Unruhen in New York 1969). Sie proben den Aufstand gegen asiatisches Essen in der Kantine und gegen Yoga. Ihre empfindliche Haut reagiert allergisch auf den geringsten Verdruss. Diese zur Verletzlichkeit gesteigerte Empfindsamkeit gibt den Antirassismus der Lächerlichkeit preis.
"Rassistisch" - Na und? - Emma
Über die Zukunft der CDU nach der Wahl von Armin Laschet als Parteivorsitzenden macht sich FDP-Generalsekretär Volker Wissing Gedanken und äußer dabei einige Punkte, die haargenau so auch meine Meinung zu dem Thema widerspiegeln.
Für die Freien Demokraten war die Wahl auch sehr aufschlussreich, da sie deutlich macht, in welche Richtung sich die CDU künftig bewegen will. Und die Antwort ist: So richtig weiß sie das selbst nicht. Jedenfalls hat die Nichtwahl von Friedrich Merz gezeigt, dass eine klassisch konservativ-marktwirtschaftliche Politik innerhalb der Partei nicht mehr mehrheitsfähig ist.
Die Bundeskanzlerin hat sich eher als oberste Verwalterin denn als oberste Gestalterin gesehen. Ihre Politik ist administrativ geprägt. Gut zu verwalten ist kein Fehler. Allerdings untergräbt eine Politik, die vor allem administrativ gedacht wird, demokratische Prozesse. Die kaum verhohlene Geringschätzung der Bundeskanzlerin für die politische Debatte ist eine logische Konsequenz. Wo Politik aus administrativer Perspektive vor allem umsetzungsorientiert gedacht wird, verliert die politische Debatte an Gewicht.
Warum sollen ein Parlament oder eine Partei um das Für und Wider von Positionen ringen, wenn die Verwaltung kompetent beurteilen kann, was gut für das Land ist? Das mag für einige vernünftig klingen, aber eine solche Einstellung sediert eine Demokratie. Wenn Menschen nicht um politische Entscheidungen ringen, abwägen und im Zweifel kontrovers streiten, verkommt die Legitimation zur reinen Formsache.
Nachdem die Union das Programm der Sozialdemokratie erfolgreich umgesetzt hat, strebt sie nun eine Koalition mit den Grünen an. Auch das ist folgerichtig. Die Union braucht offenbar einen Ideengeber, sie braucht eine Gestaltungskraft, weil sie selbst keine eigene sein möchte.
Menschen engagieren sich nicht in Parteien, um sich von diesen sagen zu lassen, welche Meinung sie fortan vertreten sollen, sie wollen Teil einer Gemeinschaft sein, die eigene Werte lebt. Gerhard Schröder wollte die SPD neu ausrichten und der Partei die sogenannte Neue Mitte erschließen. Die Folge der inhaltlichen Neuausrichtung der Partei war ein kurzfristiger Erfolg, aber dann auch die Entstehung einer linken Partei und damit verbunden eine seither andauernde Schwächung der SPD.
Angela Merkel hat die Neuausrichtung der CDU weitgehend am Programm der SPD ausgerichtet, die Folgen sind ähnlich. Die AfD war gerade in ihrer Gründungsphase eine Art Heimatvertriebenenverband der Union. Ob Bernd Lucke, Konrad Adam oder Alexander Gauland, um nur einige zu nennen, sie alle sind ehemalige CDU-Mitglieder, die durch die inhaltliche Neuausrichtung der Partei politisch heimatlos gemacht wurden. Die schlimme Folge für unser Land ist eine rechtsextreme Partei.
Die CDU macht sich selbst zum Zwerg - Welt
Zur bereits in der letzten Woche thematisierten geplante Migrantenquote, die selbst in der SPD für verfassungswidrig gehalten wird, hat sich die CDU-Politikerin Birgül Akpinar in einem Interview geäussert. Es ist zwar keine Neuigkeit, aber Menschen mit Migrationshintergrund denken nicht alle gleich und sie speziell sieht eine Migrantenquote sehr kritisch. Das kann ich gut verstehen, denn mir geht es nicht anders.
Ich möchte nicht, dass die Leute denken, die Frau ist da nur reingekommen, weil sie diesen Migrationshintergrund hat, egal, ob im Beruf oder in der Partei. Ich bin doch kein Feigenblatt. Ich möchte weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Ich möchte einfach nur die gleichen Chancen bekommen – wie jeder andere auch.
„Die Migrationsquote spaltet die Gesellschaft“ - Cicero
Da in Zeiten der sozialen Medien auch wichtige Debatten schnell versanden, muss man auf bestimmte Dinge immer wieder hinzuweisen. Alan Posener befasst sich noch einmal mit der umstrittenen Initiative „GG 5.3 Weltoffenheit“, über die ich hier bereits berichtete, und damit, was in ihrem Windschatten noch erreicht werden soll.
Man kann sich deshalb nur wundern, wenn die von zahlreichen deutschen Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen formulierte Initiative „GG 5.3 Weltoffenheit“ diese Freiheit von Wissenschaft und Kunst offenbar infrage stellt. Dort heißt es, die „ureigene Funktion“ von „Künsten und Wissenschaften“ bestehe in „der kritischen Reflexion der gesellschaftlichen Ordnungen und der Öffnung für alternative Weltentwürfe“. Zu Deutsch: Kunst und Wissenschaft sind nicht frei, sondern haben links zu sein, kritisch und utopisch.
Wie man aus Abgeordnetenkreisen erfahren konnte, warteten die Kulturfunktionäre, bis ihre Etats für das kommende Jahr vom Parlament gebilligt wurden, um – ohne Rücksprache mit den Abgeordneten – einen Tag später mit ihrer Kritik am Parlament an die Öffentlichkeit zu gehen. Was einiges über deren Zivilcourage sagt.
Es fällt auf, dass sich die Chefs unserer wichtigsten Kultureinrichtungen nicht dazu durchringen können, den Islamismus beim Namen zu nennen. Als hätten wir es mit jüdischen Angriffen auf Moscheen zu tun oder mit apokalyptischen Christen, die in massenmörderischer Absicht Lastwagen in Ramadan-Feiern hineinfahren. Bei so viel Feigheit muss man nicht von „Kampf“ reden.
Und gegen den Linksextremismus wird schon gar nicht gekämpft, als habe es die G-20-Krawalle nie gegeben, als gäbe es keine linke Cancel-Culture an deutschen Hochschulen, wo die künftige Bildungselite des Landes erzogen wird.
Nein, hier gilt es, Buchstaben und Geist des Grundgesetzes gegen jene zu verteidigen, die es im Mund führen, um es zu verraten. Die Wissenschaft ist frei. Sie hat nicht die Aufgabe, linke oder rechte Utopien zu entwerfen; ihre „ureigene Funktion“ ist das Erkennen dessen, was war und ist, egal wem es passt oder nicht passt.
Wissenschaft folgt Neugierde nach Fakten, nicht Vorgaben linker Funktionäre - Welt
Kultur
Coverversion der Woche: Bryan Ferry - The ‘In’ Crowd
Der Song wurde 1964 von den Brüdern Billy und Gene Page komponiert sowie arrangiert. Veröffentlich wurde er dann ebenfalls 1964 auf Dobie Grays Album “Dobie Gray Sings for "In" Crowders That Go "Go-Go”. Die Version von Bryan Ferry hat etwas Manisches, was für mich den Reiz ausmacht. Die Originalversion grooved dafür mehr.