Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #31
Diese Woche gab es große Aufregung um die neuen Nutzungsbedingungen von WhatsApp. Auch wenn diese in Europa gar keine Anwendung finden, begrüße ich die erneuten Diskussionen um Datenschutz. Seit fast zehn Jahren rede ich mir den Mund fusselig, um Leuten zu erklären, dass das kein Thema für Nerds ist, sondern jeden betrifft. Es ist ja nicht so, dass das seit den Enthüllungen von Edward Snowden nicht sowieso schon jeder wüsste, aber es war den meisten einfach egal. Ich persönlich habe mir schon länger abgewöhnt, darüber zu diskutieren und bei Argumenten wie “Wer nichts zu verbergen hat, muss sich auch keine Sorgen machen.” oder “Warum sollte sich irgendjemand für meine Daten interessieren?!” schalte ich gedanklich inzwischen auf Durchzug und stelle mir eine schöne Blumenwiese vor. Wer angesichts aller vorhandenen Fakten immer noch nicht verstanden hat, was das Problem ist, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Ich nutze nur noch Threema und Signal. Ende der Debatte.
Eine weiterer Aufreger ist, dass der Duden nun in sogenannter “geschlechtersensibler” Sprache formuliert. Mir ist das Thema Gendern solange egal, wie es auf freiwilliger Basis oder in privaten Einrichtungen bzw. Unternehmen geschieht. Sobald es institutionell/politisch verordnet wird, bin ich vehement dagegen. Warum? Es ist nicht belegt, dass "gendergerechte" Sprache etwas verbessert und die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen. Viele Linguisten sehen sie kritisch und über das verpflichtende Gendern (z.b. in Behörden) wurde nie demokratisch abgestimmt. Mir persönlich reicht das zur Meinungsbildung.
Nun noch etwas in eigener Sache und wer nicht bei Twitter ist, kann den Absatz überspringen. Durch die Praxis in den Medien die immergleichen dunkelhäutigen Protagonisten zum Thema Rassismus (Aber auch zu anderen Themen.) einzuladen, wodurch dann auch nur eine Perspektive auf das Thema vermittelt wird, kann leicht der Eindruck entstehen, alle Dunkelhäutigen würden gleich denken. Das ist natürlich nicht so. Ich habe nun, nach einem Vorbild aus den USA, bei Twitter eine abonnierbare Liste angelegt, in der ich abbilden möchte, dass es unter Schwarzen genausoviel Meinungsvielfalt und Dissenz gibt, wie in allen anderen gesellschaftlichen Gruppen auch. Die bereits ausreichend repräsentierten und natürlich legitimen Perspektiven werden in dieser Liste nicht vorkommen, denn um sie kennenzulernen, muss man nur das Radio anschalten oder eine Zeitung aufschlagen. Wem noch geeignete Accounts einfallen, der empfehle sie mir gern. Ich habe meine Hautfarbe nie übermäßig thematisiert und sie ist auch kein entscheidender Teil meiner Identität. Was sich in den letzten Jahren bezüglich der Situation von Schwarzen in Deutschland und Rassismus im Allgemeinen allerdings an bizarren Narrativen und Prämissen etabliert hat, kann ich nicht länger unkommentiert lassen. Würde sich das auf die sozialen Medien beschränken, wäre es mir egal, denn das ist eine Blase. Diese Dinge greifen aber schon länger auf den Rest der Gesellschaft über und das halte ich in dieser Einseitigkeit für gefährlich.
Link:
Free Black Twitter (DE) / #FreeBlackTwitterGermany
Neuen Abonnenten empfehle ich die “About”-Seite. Wer mir in den sozialen Medien folgen möchte, findet Accounts bei Twitter, Instagram und LinkedIn.
Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Rassismus, soziale Medien und Gutsherrschaft.
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Politik und Gesellschaft
Die Berliner Linken-Vorsitzende Katina Schubert wünscht sich einen Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungskonzerne. Wünschen darf man sich natürlich alles, aber ich wundere mich doch sehr über die Vehemenz, mit der sozialistische Irrtümer immer wieder aus der Mottenkiste geholt werden. Nach dem Desaster mit dem Mietendeckel sollte man eigentlich die Lektion gelernt haben.
Bezüglich Volksentscheiden würde ich mir dann auch eher Abstimmungen darüber wünschen, ob gegen gewalttätige Hausbesetzer, die seit Jahren ein ganzes Viertel terrorisieren oder die Einzelhändler im Pharmabereich aus dem Görlitzer Park, die dazu führen, dass sich ihn abends niemand mehr zu durchqueren traut, endlich rechtsstaatlich konsequent vorgegangen werden soll. Die wahrscheinlichen Ergebnisse würden ihr aber nicht in den weltanschaulichen Kram passen, weshalb sie sich zu diesen Themen natürlich keine Bürgerbeteiligung wünscht.
Eine gute Nachricht ist, dass der Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vorgestern dem Antrag auf einen Untersuchungsausschuß zu den Geschäften der Genossenschaft "Diese eG" zugestimmt hat. Er muss nun noch am am 20. Januar durch den Hauptausschuss und am 28. Januar vom Plenum des Abgeordnetenhauses beschlossen werden. Der Untersuchungsausschuß soll Licht ins Dunkel der Frage bringen, ob und inwiefern Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, das Vorkaufsrecht missbraucht hat. Durch unseriöses Geschäftsgebaren der extra zu diesem Zweck gegründeten Genossenschaft, ist dem Bezirk ein Schaden von 270.000 Euro entstanden, insgesamt ging der Bezirk mit 27 Millionen Euro ins Risiko.
Untersuchungsausschuss zu "Diese eG" wird wahrscheinlicher - RBB
In der letzten Ausgabe war ich kurz darauf eingegangen, ob man sich über die Sperrung von Donald Trump in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter wirklich freuen sollte. Unter Anderem auch deshalb, weil das den Konzernen politische Macht gibt, die sie dann auch in Zukunft jederzeit zur Sperrung anderer missliebiger Personen mißbrauchen können. Nun hat mal wieder Alan Posener zugeschlagen und sich des Themas in einem lesenswerten Artikel angenommen.
Man mag es schwer erträglich finden, dass der Mann noch Präsident der mächtigsten Macht der Erde ist; aber noch schlimmer ist es, dass ein undurchsichtiges Gremium in einem privaten Unternehmen diesem Mann – und jeder anderen Person, die aus welchen Gründen auch immer dem Konzern nicht gefällt – das Recht auf Meinungsäußerung entziehen kann.
Zu den Leuten, die aktuell ungehindert auf Twitter posten können, während Trump einen Maulkorb erhalten hat, gehören Irans Oberster Führer Ali Khamenei, der russische Präsident Wladimir Putin, diverse Sprecherinnen der chinesischen Regierung, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, und Venezuelas Diktator Nicolás Maduro. Glaubt irgendjemand, Trump sei schlimmer als diese Leute?
Aktuell kämpft Roth – auch mit dem Mittel des Pre-Bunk – vor allem gegen Covid-Verschwörungstheorien. Dagegen ist wenig zu sagen, es sei denn, man ist "Querdenker" – oder jemand, der glaubt, auch Querdenker, Impfgegner und sonstige "Covidioten" hätten das Recht, ihre Meinung zu sagen, solange sie nicht zu Gewalt aufrufen. Oder jemand, der sich fragt, wie lange es wohl dauert, bis Leute, die unwissenschaftliche Ansichten zum Klimawandel oder unliebsame Meinungen zum Propheten Mohammed, zum Feminismus oder zum Rassismus vertreten, sich präemptiv desavouiert oder gleich geblockt finden.
Nun macht Twitter aktive Politik im Vorfeld eines Amtsenthebungsverfahrens und beraubt den Präsidenten seiner wichtigsten Waffe. Der große populistische Präsident Theodore Roosevelt nannte diese Waffe den "Bully Pulpit". Das Katheder, von wo aus der Präsident mithilfe der öffentlichen Meinung die Gesetzgeber schikanieren, ja mobben kann. Ich finde, der Kongress sollte den Präsidenten lieber heute als morgen aus dem Amt jagen; ich will nicht, dass Twitter dabei Hilfestellung leistet. Heute ist es Trump. Wer wird es morgen sein?
Heute ist es Trump, doch wer wird es morgen sein? - Die Zeit
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern möchte in Zukunft Beamten, die schon zu DDR-Zeiten beschäftigt waren, höhere Pensionen zahlen. Das geht aus dem Entwurf eines neuen Beamtenversorgungsgesetzes hervor, das der Finanzausschuss des Landtags gestern beriet. Um es mit Peter Lustig auszudrücken:”Klingt komisch, ist aber so.”.
Bisher bekommen Beamte für ihre Zeit im Unrechtsstaatsapparat nach dem Ende des Berufslebens eine Rente und somit letztendlich weniger Ruhegeld. Diese vermeintliche Ungerechtigkeit soll nun mit einer rückwirkenden Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes zum 01. Januar 2019 beseitigt werden. Eine Unterscheidung zwischen Ost- und West-Biografien sei nicht mehr zeitgemäß, meint die Landesregierung.
Die Argumentation, dass damit Helfer des Regimes bevorzugt würden, weil für das Funktionieren des Systems auch die vielen Mitarbeiter in den staatlichen Organen und Verwaltungen verantwortlich gewesen seien, lässt sie nicht gelten. Einen Schlag ins Gesicht der Opfer des Regimes sieht sie ebenfalls nicht.
Mit diesem Vorhaben stellt die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern systemnahe Tätigkeiten für die ehemalige DDR mit Tätigkeiten für eine nach rechtsstaatlichen Grundsätzen arbeitenden öffentlichen Verwaltung gleich.
Man kann Regime nicht gleichsetzen, aber vor Allem den Umgang mit ihnen kann man sehr wohl vergleichen. Qualitativ spielte die DDR natürlich in einer ganz anderen Liga als der Hitlerstaat, aber trotzdem war sie der zweite Unrechtsstaat auf deutschem Boden.
Gerade weil die Geschichte von Beamten im Dritten Reich und die teils nahtlose Fortsetzung ihrer Karrieren in der Bundesrepublik kein Ruhmesblatt in der Geschichte Deutschland ist, sollte man jetzt nicht mit den gleichen faulen Ausreden und Relativierungen ein falsches Vorhaben durchpeitschen. Brandenburg, Berlin und auch der Bund sehen das genauso, weshalb sie eine solche Regelung ablehnen.
Ich hatte hier bereits thematisiert, dass verschiedene “Kulturschaffende” (Oh, the irony…) in einer öffentlichen Stellungnahme den Anti BDS-Beschluss der Bundesregierung kritisiert haben. Insgesamt eine sehr unappetitliche Sache. Nicht nur, weil sich darunter auch nicht wenige staatlich geförderte Institutionen befinden. Michael Wolffsohn hat dazu die passenden Worte gefunden.
Ist BDS «antijüdisch»? Sind die Unterstützer von BDS «Antisemiten»? BDS verlangt scheinbar «nur» Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen den jüdischen Staat. Im oft übersehenen oder meist verschwiegenen Kleingeschriebenen fordert BDS die Rückkehr der – heute rund 7 Millionen – palästinensischen Flüchtlinge von 1947/48 und 1967 samt ihren Nachfahren. Für Israel eine demografische Atombombe. Das wäre so, als würde Deutschland heute die Rückkehr der 12 Millionen Ostflüchtlinge, inklusive Nachfahren, verlangen. Ein Unding, es sei denn, man meinte, «Schlesien, das Sudetenland, Königsberg usw. sind unser».
Die Rückkehr der noch heute so genannten Flüchtlinge würde strukturell das Ende Israels als jüdischer Staat bedeuten.
Kein Wort darüber, dass BDS, an britischen und amerikanischen Universitäten eine Meinungsmacht, ständig gegen die Wissenschaftsfreiheit verstösst. Zum Teil mit körperlichem «Nachdruck» werden systematisch israelische Wissenschafter oder deren Partner am Reden gehindert, Spitzenforscher ausgeladen, boykottiert oder ihr Wirken sabotiert. So verkommt Wissenschaft selbstverschuldet zur Dienstmagd der Ideologie.
Sie singt im Chor derer, die kontrafaktisch behaupten, dass jene Kritik unterdrückt werde und vor allem Israel den «Friedensprozess» sabotiere. Kein Wort darüber, dass Palästina-Funktionäre alle territorialen und programmiert nationalen, kompromissgeprägten Selbstbestimmungsangebote aus- oder zerschlugen, zum Beispiel: den Uno-Teilungsplan von 1947, das Camp-David-Abkommen 1978, den israelisch-ägyptischen Friedensvertrag 1979, den Oslo-Washington-Vertrag 1993, Ehud Baraks Angebot zur Rückgabe von 97 Prozent des Westjordanlandes 2000, Israels Rückzug aus Südlibanon 2000, Israels Rückzug aus Gaza 2005, Ehud Olmerts Angebot zur Rückgabe von 98 Prozent des Westjordanlandes mit Ostjerusalem als Hauptstadt eines Palästina-Staates sowie die offenen oder faktischen Friedensschlüsse 2020 mit den arabischen Staaten, die des palästinensischen Dauer-Neins überdrüssig sind.
Aber BDS-Aktivisten wollen Israel als jüdischen Staat vernichten. Wirksam, mit oder ohne Gewalt. Damit gefährden sie unbestreitbar strukturell das Überleben aller Juden. Das kann man nur antijüdisch beziehungsweise antisemitisch nennen. Viele und keineswegs alle BDS-Freunde und -Förderer, geschweige denn die jüdischen, sind willentlich antijüdisch. Nicht ihr subjektiver Wille, doch ihre objektive Wirkung ist antijüdisch beziehungsweise antisemitisch.
BDS und ihre Sympathisanten: Die nützlichen Idioten der Antisemiten - Neue Zürcher Zeitung
Wolfgang Streeck, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts hat einen sehr langen und sehr interessanten Artikel zu COVID-19 und den Auswirkungen auf die Gesellschaft geschrieben. Auch wenn ich nicht alle seiner Schlußfolgerungen teile, werden in ihm wichtige Fragen aufgeworfen. Fragen, deren seriöse Beantwortung viel Unruhe in der Bevölkerung beseitigen und auch die Verschwörungstheorien der sogenannten “Querdenker” nachhaltig widerlegen könnte. Ich freue mich, dass vermehrt auch seriöse Stimmen eine Plattform bekommen, die in ihrer Deutung der Ereignisse dem Diskurs neue, bedenkenswerte Perspektiven hinzufügen. Es geht bei dieser Pandemie nämlich nicht nur um Wissenschaft, sondern auch um die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Mit einem “Is halt jetzt so.” wird man die Leute nicht dauerhaft bei der Stange halten.
Wissenschaftlern folgen? Ja doch, aber welchen? - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Eine Initiative fordert, dass Donald Trumps Gastauftritt aus dem Film „Kevin – Allein in New York“ herausgeschnitten wird. Eine wirklich gute Idee. Ich würde allerdings anregen, ihn lieber aus “The Apprentice” zu entfernen. Das wäre nachhaltiger. Manchmal möchte man sich die Haare ausreißen. Aber hey, Cancel Culture ist doch nur ein Mythos.
Auf change.org ist bereits eine Petition mit der Forderung eingegangen, Trump in dem Film durch Joe Biden zu ersetzen.
Ein „Bravo“ von Macaulay Culkin - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kultur
Neu auf meiner Film-/ und Serienliste ist “Pretend It's a City”, eine Serie von Gesprächen, die Martin Scorcese mit der New Yorker Schriftstellerin Fran Lebowitz führt. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich mit ihr beschäftigt. Im Jahr 2010 drehte er bereits die sehr gute Dokumentation "Public Speaking". Wie das nun auf Serienlänge funktioniert, werde ich berichten, wenn ich damit durch bin. Kritische Stimmen vermelden bereits, es sei zu lang. Natürlich freue ich mich über Rückmeldungen.
Ebenfalls neu auf oben genannter Liste ist “Philharmoniker – Our history”, eine mehrteilige Dokumentation über die Berliner Philharmoniker, von der die erste Folge bereits verfügbar ist.
Coverversion der Woche: Marcin Gaye-I Heard It Through The Grapevine
Da vor drei Tagen im Jahr 1959 mit Motown Records eines meiner Lieblingslabels gegründet wurde, muss es natürlich eine Motown-Coverversion sein. Der von Norman Whitfield und Barrett Strong komponierte Song wurde zuerst 1966 von Smokey Robinson & The Miracles aufgenommen, allerdings zuerst nicht veröffentlicht.
Danach standen Gladys Knight & The Pips ab dem 2. Dezember 1967 damit sechs Wochen lang auf Platz 1 der US-R&B-Charts. Gladys Knight schreibt dazu in ihrer Autbiographie:„Es war eine Arbeitserlaubnis, und danach konnten wir uns vor Aufträgen kaum retten.“. Das kann ich mir vorstellen, obwohl die Urversion mit Abstand am Liebsten mag.
Die Interpretation von Marvin Gaye wurde dann 1968 veröffentlicht und wurde nicht nur ebenfalls ein Hit, sondern ist bis heute die bekannteste Version.