Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #28
Der Tag beginnt mit der Nachricht, dass das Robert-Koch-Institut fast 30.000 neue COVID-19-Infektionen meldet. Die Regierung berät über erweiterte Maßnahmen, die Lage ist ernst. Ein wenig ratlos lässt mich in diesem Zusammenhang eine weitere Nachricht zurück. Nämlich die, dass Fridays for Future heute bundesweit Demonstrationen veranstaltet. Natürlich ist das erlaubt, in der jetzigen Situation allerdings unfaßbar dumm. Man kann nur hoffen, dass der Impfstoff bald gut verfügbar ist. Diesbezüglich befürworte ich eine Impfpflicht, der natürlich eine offensive Aufklärungskampagne vorausgehen muß. Nur so kann man a) effektiv der Mischung aus Ignoranz und Dummheit begegnen, die dazu führt, dass viele Menschen simpelste Vorsichtsmaßnahmen nicht einhalten und b) dauerhafte Einschränkungen von Grund-/ und Freiheitsrechten verhindern. Das ist ein Spagat, so könnte er gelingen.
So skurril wie peinlich waren die beiden Fälle von Doppelmoral, welche diese Woche bekannt wurden. Die grüne Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina besuchte im Jahr 2017 Malta, um auf dem Rettungsschiff "Sea Eye" zu helfen. Pikantes Detail: Ihr damaliger Lebensgefährte Michael Osterburg war ebenfalls vor Ort. Gegen den ehemaligen Fraktionschef der Grünen in Hamburg-Mitte ermittelt aktuell das Landeskriminalamt wegen Veruntreuung von Fraktionsgeldern in Höhe von 68.000 Euro. Unter Anderem geht es auch um eine Rechnung über 250 Euro für ein Hummeressen an diesem Tag. Bisher ist nicht klar, ob Gallina an diesem Essen teilnahm und ob es über die Fraktion abgerechnet wurde, aber es stellen sich auch sonst Fragen.
Der zweite Fall bezieht sich auf Franz Untersteller, Umweltminister in Baden-Württemberg, der bei einer Tempoüberschreitung erwischt wurde. Die Grünen setzen sich bekanntlich für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern ein. Untersteller genoss den Geschwindigkeitsrausch und überschritt mit einem Tempo von 177 Kilometern pro Stunde die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 57 Stundenkilometer. Auch ich esse gerne gut und schnelles Fahren finde ich ebenfalls nicht verwerflich. Der um sich greifende Puritanismus, die zunehmende Genußfeindlichkeit, das alles halte ich für falsch. Somit würden mich diese Dinge nicht kümmern, wenn sie sich nicht ausgerechnet auf die Grünen bezögen, die sich regelmäßig gegenüber der Bevölkerung als moralische Instanz aufspielen und ihr vorschreiben möchten, wie sie zu leben habe. Das passt einfach nicht zusammen und darum geht es mir.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Elektromobilität, Antisemitismus und #metoo.
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Politik und Gesellschaft
Im Zuge der Bekämpfung von Klimawandel und Umweltverschmutzung wird oft von der Mobilitätswende gesprochen. Benziner weg, Elektroautos her. Dass dies eine Utopie ist und Elektroautos mitnichten umweltfreundlicher sind, weiß jeder, der sich mit dem Thema ohne ideologische Scheuklappen beschäftigt. Ich persönlich wäre ja eher für verstärkte Forschung in Richtung emissionsfreier Kraftstoffe. Dann müsste man den Menschen das Fahren und Fliegen nicht mehr verbieten, was insgesamt eine wesentlich größere Akzeptanz zur Folge hätte.
Dass es den Grünen und anderen Apologeten bestimmter Lösungsansätze nicht um die besten Lösungen, sondern um weltanschaulichen Fundamentalismus geht, weiß ebenfalls jeder, der sich in das Thema einarbeitet. Die Fixierung auf das Elektroauto als eierlegende Wollmilchsau ist aber da und deshalb sollte man sich doch freuen, dass Tesla seine Gigafactory in Brandenburg bauen möchte. Ich freue mich auch, aber wissen Sie, wer sich nicht freut? Umweltschützer.
Man kennt das bereits: Ausgerechnet diejenigen, die sich für Atom-/ und Kohleausstieg einsetzen, gründen Bürgerinitiativen gegen Windräder. Nun wird seit geraumer Zeit auch gegen den Bau der Teslafabrik protestiert. Die Gründe sind bedrohte Tierarten, von denen noch nie jemand gehört hat und die Rodung eines Nutzswalds. Nun hat das Verwaltungsgericht den Wahnsinn gestoppt.
Die Umweltverbände hatten die geschützten Tierarten Zauneidechse und Schlingnatter als Argument gegen die Baumfällungen angeführt. „Die Hauptpopulation beider Arten liegt außerhalb des Vorhabengebiets“, stellten die Richter jedoch fest – weshalb die Entscheidung des Umweltamtes nicht zu beanstanden sei. Vorkommen und Lebensräume seien umfassend dokumentiert und zudem ausreichende Vorkehrungen zum Schutz der Tiere getroffen worden. Ferner habe die Verwaltung Ausgleichsmaßnahmen und Umsetzung von Tieren angeordnet, was von Tesla vor Beginn der Arbeiten auch fachgerecht ausgeführt worden sei.
„Daher bewegen sich die nachteiligen Wirkungen des Vorhabens unterhalb der Erheblichkeitsschwelle“, befand das Gericht. “Eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für die Zauneidechse und Schlingnatter ist voraussichtlich nicht zu besorgen.“
Rodung für Gigafactory in Grünheide nun Fall für Oberverwaltungsgericht - Tagesspiegel
Eine weitere gute Nachricht ist, dass die Erhöhung des Rundfunkbeitrags erst einmal vom Tisch ist. Rainer Haseloff, Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, entschied sich, den Rundfunkstaatsvertrag nicht im Parlament zur Abstimmung zu stellen. Wäre es nach SPD und Grünen gegangen, hätte es für die CDU die Verpflichtung gegeben, einen Bruch des Koalitionsvertrages mitzutragen und mitten in einer Wirtschaftskrise den teuersten Rundfunk der Welt weiter zu verteuern - einfach nur, weil die AfD dagegen ist. Wer die "Brandmauer" so definiert, reißt sie selber ein. Gut, dass es nun anders kam.
Damit ist das Vorhaben, zu dem alle anderen Länder bereits ihre Zustimmung erteilt oder angekündigt haben, gestoppt. Der Rundfunkbeitrag bleibt auch nach dem 1. Januar 2021 unverändert bei 17,50 Euro.
Ausgerechnet an einem hohen jüdischen Feiertag, in diesem Fall Hanukkah, fällt steuerfinanzierten Institutionen der mehrheitlich links geprägten deutschen Kulturlandschaft nichts Besseres ein, als eine Lanze für die antisemitische Boykottbewegung BDS zu brechen und die diesbezügliche Resolution des Bundestags als Einschränkung der Meinungsfreiheit zu kritisieren. Ich verlinke die beschämende Erklärung ausdrücklich nicht. Leider wird in Deutschland immer noch zu wenig auf die Ausprägungen der Judenfeindlichkeit hingewiesen, die bei manchen kognitive Dissonanzen auslösen: Linker sowie muslimischer Antisemitismus. Beide sind real und ernstzunehmen.
Seit Ende des Sechstagekrieges sind die Juden in ihrer zionistischen Version für den eher linken deutschen Kulturbetrieb zu einem Ausbund des Kolonialismus geworden. Ihn darf man nach Kräften attackieren. So wurde der Antizionismus allmählich zu einem gerechtfertigten Antisemitismus. „Er ist“, wie der Philosoph Pascal Bruckner schreibt, „die Erlaubnis, demokratischer Antisemit zu sein“. Die Resolution des Bundestages weist letztlich darauf hin. Sie empört nun diejenigen, die sich angesprochen fühlen.
Ein klarer Fall von demokratischem Antisemitismus - Welt
Erinnert sich noch jemand an “Time’s Up”? Die Stiftung war im Zuge der #Metoo Debatte von Prominenten gegründet worden und gibt vor, sich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu engagieren. Innerhalb kurzer Zeit kamen mehrere Millionen an Spenden zusammen. Nun ist klar, dass nur ein Bruchteil der eingenommenen Summe dem vorgeblichen Zweck zugute kam.
Wie die jetzt veröffentlichte Steuererklärung zeigt, sammelten die Stiftung im Gründungsjahr fast 3,7 Millionen Dollar, gab davon aber nur etwa 300.000 Dollar an den Legal Defense Fund weiter. Die Gehälter, die Time’s Up zahlte, lagen dagegen unerwartet hoch. Lisa Borders, früher Chefin der Nationalen Gesellschaft für Frauenbasketball, bekam als Leiterin der Stiftung im Jahr 2018 mehr als 340.000 Dollar – obwohl sie bereits nach vier Monaten wegen Missbrauchsvorwürfen gegen ihren Sohn Gary „Dijon“ Bowden wieder ausgeschieden war. Marketingchefin Rachel Terrace verdiente 295.000 Dollar, Schatzmeisterin Rebecca Goldman mehr als 250.000 Dollar. Auch Time’s Up Now, die Lobbygruppe der Stiftung, sparte nicht. Laut Steuerunterlagen gab sie 2018 fast 160.000 Dollar für Treffen und Konferenzen aus, unter anderem in einem Luxusresort im kalifornischen Ort Ojai.
Steuerunterlagen wecken Zweifel an Time’s Up - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Der angebliche Mythos Cancel Culture hat ein weiteres Opfer gefordert. Es handelt sich dabei um den Travestiekünstler bzw. Comedian “Kay Ray”, der 25 Jahre im Hamburger Schmidt-Theater auftrat, in dem ich selbst einige Male zu verschiedenen Anlässen Gast war. Mir war er bisher allerdings nicht bekannt. Das Theater beendete die Zusammenarbeit nun aufgrund anonymer Beschwerden von Mitarbeitern. Genaue Gründe möchte es nicht nennen. Alexander Kissler hat nachgefragt.
Mein Humor ist grenzenlos. Er schiesst in alle Richtungen. Ich bezeichne mich als Berserker der Comedy. Das hat bisher immer funktioniert. Aber seit der Zeitgeist dreht, gibt es Probleme. Darüber liesse sich mit einer Theaterleitung ja reden. Stattdessen wurde das Programm gecancelt.
Ich teile gegen alle aus. Wir haben die ganzen Probleme auf der Welt, weil wir uns nur noch in Gruppen definieren. Für mich gibt es letztlich nur zwei Gruppen: Mensch oder Arschloch. Hautfarbe, Herkommen, Religion, sexuelle Orientierung sind mir alle egal.
Man redet zu schnell anderen Menschen ein, sie müssten beleidigt sein. Will gewissermassen Leuten über die Strasse helfen, die eine solche Hilfe gar nicht erbeten haben. Oder man verbittet sich Witze gegen eine bestimmte Klientel. Auch wer auf eine überkorrekte Sprache Wert legt, wird bei mir nicht glücklich. […] Aber mich treibt die Sorge um, dass generell ein böses Tuscheln um sich greift, und plötzlich ist man nicht mehr da.
Mit dem Totschlagargument, man könne sich in Gruppen, denen man nicht angehöre, nicht hineinversetzen, wird Kunst verhindert.
«Früher war es bunter»: Der Komiker Kay Ray über die neue Lust am Canceln - Neue Zürcher Zeitung
Kultur
Coverversion der Woche: Marianne Faithfull - As Tears Go By
Geschrieben wurde der Song von Keith Richards, Mick Jagger und dem damaligen Manager der Rolling Stones, Andrew Loog Oldham. Zuerst nahm ihn die damals siebzehnjährige Marianne Faithfull im Jahr 1964 auf und landete damit auf Platz Neun der britischen Charts. Ob das Stück extra für sie geschrieben wurde, ist nicht ganz klar. Im Jahr 1980 sagte Faithfull dazu “All that stuff about how Mick wrote it for me was awfully nice but untrue.”. Dieser Aussage widersprach sie allerdings selbst, als sie den Titel zehn Jahre später im Klappentext ihre Albums “Blazing Away” als “"the song that Mick Jagger and Keith Richard wrote for me," beschrieb. In ihrer Autobiographie wiederum schreibt sie "'As Tears Go By' was not, contrary to popular folklore, written for me, but it fitted me so perfectly it might as well had been.".
Klar ist, dass die Rolling Stones selbst das Lied ein Jahr später ebenfalls aufnahmen.
Marianne Faithfulls Stimme veränderte sich im Laufe der Jahre stark und ihre heutige Version klingt deutlich anders, aber nicht minder gut. Ich durfte sie live erleben und auch kennenlernen. Eine großartige Frau, die alle Höhen und Tiefen des Showgeschäfts durchlebt hat und immer noch mit erhobenem Haupt auf der Bühne steht. Mir gefällt ihre neue Stimme sogar besser, weil man ihre ganze Lebenserfahrung heraushört.
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