Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #27
In dieser Woche spielte in den Diskussionen nach wie vor die Frage nach der Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine große Rolle. Hier wird wird gern argumentiert, man dürfe nicht dagegen stimmen, weil die AfD es auch tut. Das ist unterkomplex und gleichzeitig hochproblematisch. Abgesehen davon, dass ein identisches Abstimmungsverhalten kein "Paktieren" oder eine "Zusammenarbeit" ist, überlässt man der AfD mit dieser unseriösen Argumentation die Diskursmacht. Sie kann dann darüber bestimmen, welche Themen wie zu bewerten sind bzw. überhaupt noch diskutiert werden können. Das kann niemand ernsthaft wollen, der für eine offene Gesellschaft eintritt. Ich persönlich werde jedenfalls nicht anfangen, die Erde als Scheibe zu beschreiben, nur weil die AfD sie korrekt als Kugel bezeichnet. Und nein, damit gebe ich nicht meine Distanz zur AfD auf. Ich lasse mir von ihr aber auch weder mein Verhalten noch meine Meinung diktieren.
Der Aktivist und Pianist Igor Levit sollte heute ab 09:00 Uhr, veranstaltet von Fridays for Future und Greenpeace für die den Dannenröder Forst rechtswidrig besetzenden Straftäter spielen. Da ich leider anderweitige Verpflichtungen hatte, konnte ich dem Ereignis nicht beiwohnen und weiss deshalb auch nicht, ob er “Autobahn” von Kraftwerk gecovert hat. Das wäre zumindest lustig gewesen.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Rechtsextremismus, Sexualität und Anstand.
Politik und Gesellschaft
Wie ich bereits in der letzten Ausgabe schrieb, wäre ich bezüglich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für umfassende Reformen inklusive einer Trennung der Bereiche. Eine gebührenfinanzierte Grundversorgung an Information und Nachrichten halte ich für völlig ausreichend. Unterhaltung und weitere Sendungen können als freiwillig zubuchbare Optionen erhalten bleiben. Sofern die Nachfrage da ist, werden sich die Formate halten. Alexander Kissler hat ebenfalls mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Nichts aber spricht dafür, dass Deutschland sich weiterhin den teuersten öffentlichrechtlichen Rundfunk der Welt gönnt und dass dieser nun mit zusätzlichen 400 Millionen Euro jährlich unterstützt wird. So hoch wäre die Summe, käme die Erhöhung von monatlich 86 Cent zustande. Bereits in normalen Zeiten wären es 400 Millionen Euro zu viel. Inmitten der Corona-Pandemie mit unabsehbaren wirtschaftlichen Verwerfungen streift ein solcher Betrag die Grenze zur Obszönität.
Um zu informieren, aufzuklären und zu unterhalten, ist vieles nicht nötig, was derzeit als unentbehrlich ausgegeben oder als unabänderlich hingenommen wird: Es braucht keine winzigen Anstalten, die seit Jahren defizitär arbeiten; es braucht keine 74 verschiedenen Radioprogramme; es braucht keine Formate und Magazine, die Vielfalt simulieren, indem sie Einfalt abbilden; es braucht keine politischen Agenten im Gewand des Journalismus; es braucht keine zahllosen Nebenzwecke und Schwesterfirmen; es braucht keine digitale Vollversorgung, die in direkte Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Anbietern tritt; es braucht nicht einmal ein ZDF, das die Angebote der ARD doppelt.
Das Verbieten extremistischer Organisationen ist nicht immer einfach. Das zeigt sich im Moment beim Versuch, der größten rechtsextremistischen Organisation in Deutschland, den türkischen “Grauen Wölfen” das Handwerk zu legen.
Zwar hatte es im November dieses Jahres einen fraktionsübergreifenden Antrag im Bundestag gegeben. Danach sollte das Bundesinnenministerium ein Verbot der "Ülkücü"-Bewegung prüfen, zu der nach Schätzungen in Deutschland mindestens 11.000 türkische Rechtsextremisten gehören sollen. Die rechtlichen Hürden für ein Verbot sind jedoch grundsätzlich hoch. Für ein Verbot der "Grauen Wölfe" sind sie derzeit offenbar zu hoch.
Doch die "Grauen Wölfen" sind eben kein Verein mit einer klaren Struktur, sondern eine Bewegung. Ihre Anhänger sind in drei Dachverbänden und rund 200 Vereinen organisiert, die unterschiedliche Ausrichtungen haben. Daher scheint es in diesem Fall für den Innenminister nicht so ohne weiteres möglich, ein Verbot auszusprechen. Vielmehr sind jetzt offenbar die Innenminister der Bundesländer gefragt, besonders radikale Vereine der Bewegung stärker in den Blick zu nehmen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.
Derzeit kein Verbot der "Grauen Wölfe" - Tagesschau
Sexualität ist Privatsache und normalerweise auch kein Teil dieses Newsletters. Wenn allerdings ein Mitglied des Europaparlaments, nämlich Jozsef Szajer, der mitverantwortlich für die Einschränkung der Rechte Homosexueller in Ungarn ist, dabei erwischt wird, wie er einer Orgie von 25 Männern durch die Flucht durch ein Fenster zu entkommen versucht, trifft das genau meinen Humor. Dass er auf diese peinliche Entlarvung seiner Doppelmoral mit Rücktritt reagiert hat, war konsequent.
A member of the European Parliament representing Hungarian Prime Minister Viktor Orban's Fidesz party has resigned from his position in Brussels after he was caught leaving what reports described as a 25-man orgy on Friday.
Jozsef Szajer resigned on Sunday after he admitted to breaching Belgium's strict lockdown rules to attend a sex party, Politico reported on Tuesday. The police found 25 naked men at the gathering, including Szajer and some diplomats, the Belgian newspaper La Dernière Heure reported. The newspaper quoted a local police source as saying, "We interrupted a gang bang."
In den USA ist die Rassismusforschung längst von Aktivisten durchsetzt und Fakten spielen nur noch eine Rolle, wenn sie ins Narrativ passen. Nun wird das Problem, welches Menschen, wie z.b. Necla Kelek in Deutschland seit vielen Jahren benennen, in Europa größer. Ich selbst nehme auch verstärkt wahr, dass bestimmte Wissenschaftsbereiche, wie die Politikwissenschaft immer mehr mit Ideologie angereichert werden. Keine gute Entwicklung.
Der strategische Vorteil eines Rassismusbegriffs, der nicht von individuellen Handlungen abhängig ist, liegt auf der Hand. Und genau dieser Vorteil eröffnet sich mit dem Adjektiv «strukturell». Denn «strukturell» heisst im Vokabular der Critical Race Theory nichts anderes, als dass eine von der weissen Mehrheit geprägte Gesellschaftsordnung und somit auch alle von ihr gegründeten Institutionen automatisch diese Mehrheit privilegieren. Wie genau das vonstattengeht, diese Antwort bleibt man schuldig.
Die CRT-Vertreter sind sich dieses empirischen Mankos natürlich bewusst. Um ihr schärfstes Schwert vor dem Abstumpfen zu bewahren, wenden sie einen Taschenspielertrick an. Dieser geht so: Jeder statistische Unterschied zwischen Weissen und BIPoC beim Bildungserwerb, bei der Arbeitsmarktplatzierung, bei der Zusammensetzung von Regierungen, Parlamenten und Gremien, der zugunsten von Weissen ausfällt, wird als Beleg für strukturellen Rassismus gewertet.
Andere Erklärungsfaktoren werden nicht geduldet bzw. ebenfalls als rassistisch motiviert abgebügelt, unabhängig davon, wie gut sie empirisch abgesichert sind. Gleichermassen wird mit unauflösbaren Widersprüchen verfahren, wie der Tatsache, dass es mittlerweile viele sehr erfolgreiche Afroamerikaner gibt. Oder dem Fakt, dass insbesondere asiatische, aber auch afrikanische Migranten und deren Nachkommen offensichtlich mehr von den Strukturen profitieren als Weisse, da sie höhere Bildungsabschlüsse und Einkommen erzielen.
Eigentlich müsste das Konzept struktureller Rassismus, das sich der Überprüfbarkeit entzieht und das zudem deutliche Merkmale eines Verschwörungsnarrativs trägt, im Wissenschaftsbetrieb chancenlos sein. Dass genau das Gegenteil der Fall ist, zeigt an, wie weit insbesondere an Hochschulen in den USA die moralische Instrumentalisierung von Wissenschaft bereits fortgeschritten ist.
In Deutschland hat sich die Presse mehrheitlich darauf geeinigt, die Republikaner als eine Gruppe stumpfer Bauerntölpel darzustellen. Nun hat Gabriel Sterling, Republikaner und führender Mitarbeiter der Wahlbehörde in Georgia, sich mit einer Wutrede an Donald Trump gewandt, die das Feindbild der deutschen Medienlandschaft erneut als Mythos entlarvt. Der vor Wut bebende und teilweise stotternde Sterling zeigt, dass es natürlich auch anständige Konservative in den USA gibt.
Kultur
Coverversion der Woche: Señor Coconut - Autobahn
Ende 2000 veröffentlichte Uwe Schmidt aka Señor Coconut das Album “El Baile Alemán”, welches auch die Kraftwerk-Coverversion “Autobahn” enthielt. In der ihm üblichen Weise nahm er die Grundelemente des Stücks auf und passte sie seinem Konzept an. Durfte ihn schon live erleben und kann einen Konzertbesuch sehr empfehlen, sobald das wieder möglich ist.