Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #26
Normalerweise läute ich die Vorweihnachtszeit für mich persönlich am ersten Dezember ein. In diesem Jahr tue ich das schon heute. Der Grund dafür sind die bizarren Statements zum Thema im Zusammenhang mit COVID-19. Ja, in diesem Jahr werden die Weihnachtsfeiern deutlich anders aussehen oder sogar ausfallen. Das gebietet die Vernunft. Wie selbstverständlich Teile der Politik, aber auch des Medienmilieus Weihnachten für verzichtbar erklären, macht mir allerdings Gedanken. Für viele scheint es unvorstellbar zu sein, aber es gibt intakte Familien und Menschen, die sich deshalb auf Weihnachten im Kreis der Verwandtschaft freuen. Für mich sind die Weihnachtstage immer einer der Höhepunkte des Jahres und ich bedauere sehr, dass es dieses Jahr anders wird.
Geärgert hat mich diese Woche außerdem die “Ich bin eine Quotenfrau”-Kampagne des Stern, die ein Versuch ist, ein negatives Wort positiv zu besetzen. Abgesehen davon, dass damit die vielen Frauen ignoriert werden, die aus guten Gründen gegen eine Frauenquote sind: Der gewollte Bezug zur “Wir haben abgetrieben”-Kampagne ist ein journalistischer Offenbarungseid. Als sei das vergleichbar. Vor dem Hintergrund, dass der Stern kürzlich bekanntgab, seine journalistische Distanz bezüglich “Fridays for Future” und der Bekämpfung des Klimawandels aufgeben zu wollen, wiederum keine Überraschung.
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Nun aber los.
Heute geht es unter Anderem um Rechtsstaatsverständnis und Geschichtsbetrachtung.
Politik und Gesellschaft
Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde eines Arbeitnehmers, der einen dunkelhäutigen Kollegen mit “Ugah, ugah!” angesprochen hatte, nicht zur Entscheidung angenommen und klargestellt, dass Affenlaute keine akzeptable Meinungsäusserung sind. Sehr gut.
Wenn eine Person mit dunkler Hautfarbe nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert werde, dann sei dies "fundamental herabwürdigend", befand eine Kammer des Ersten Senats.
Rassistische Affenlaute fallen nicht unter Meinungsfreiheit - Süddeutsche Zeitung
Soweit so verständlich. Weniger nachvollziehbar, aber nicht minder entlarvend ist die Empörung bestimmter Kreise darüber, dass der Rechtsweg überhaupt beschritten wurde. Da offenbart sich ein bedenkliches Rechtstaatsverständnis. Ich persönlich finde es auch geschmacklos, dass jemand, der sich nachweislich wiederholt rassistisch geäussert und deshalb seinen Job verloren hat, dagegen rechtlich vorgeht. Dass er aber das Recht dazu hat, darf nicht zur Diskussion stehen.
Zum Thema Doppelmoral gibt es ständig neues Futter. In einem Gemeinschaftsinterview mit Lukas Köhler (FDP) und Leonie Bremer (Fridays for Future) trat sie wieder besonders deutlich zutage. Ähnlich wie Luisa Neubauer, die in der Vergangenheit versprach, von nun an nur noch “absolut notwendige” (Also alle, die man persönlich auf der Basis selbst gesetzter Maßstäbe zu solchen erklärt.) Flüge anzutreten, versucht auch Bremer, ihren schadstoffintensiven Lebenswandel zu rechtfertigen. Alle Anderen sollen ihr Verhalten ändern, man selbst darf aber so weiterleben wie immer.
ZEIT ONLINE: Ihr Leben, Frau Bremer, hat sich bisher zwischen Köln, Island und Kanada abgespielt. Werden Sie in Zukunft auch noch so leben können, mit all den Reise- und Konsumfreiheiten?
Bremer: Ich denke natürlich auch über die eigene Verantwortung nach, nur geht es mir darum, die großen Fragen zu identifizieren – und die sind politisch. Wir müssen von Politikern verlangen, das zu tun, was sie unterschrieben haben. Und von der Wirtschaft. Wir müssen die richtigen Personen unter Druck setzen. Das bewirkt viel mehr als im Supermarkt darüber nachzudenken, ob ich eine in Plastik gepackte Banane kaufe oder nicht.
"Industrieländer stehen viel stärker in der Pflicht" - Die Zeit
Dazu nicht ganz uninteressant ist die Information, dass Greta Thunberg für die neue Dokumentation “Ich bin Greta” vom ersten Tag an begleitet wurde. Das bedeutet nämlich, dass die Geschichte, Greta habe den Klimastreik völlig aus sich selbst heraus ohne jede Unterstützung gestartet, wirklich nur eine Geschichte ist. Wer, wie ich, diese Erzählung - unter Anderem auch wegen der professionellen Fotos - von Anfang an für reine PR hielt, wurde als Verschwörungstheoretiker diffamiert. Nun zeigt sich, dass es genauso war. Die Familie Thunberg hat zusammen mit Ingmar Rentzhog hochprofessionalisiert mit Hilfe der Medien die Teilnahme Greta Thunbergs an der Klimakonferenz in Polen lanciert. Ihrer Rede dort wohnte kaum jemand bei, was - ebenfalls aufgrund guter Inszenierung - anfangs nicht auffiel.
Die Diskussion um Rundfunkgebühren und deren Erhöhung kommt nicht zur Ruhe. Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach angemerkt, dass ich das System der öffentlich-rechtlichen Medien für richtig, aber dringend reformbedürftig halte. Meiner Meinung nach würde eine Grundversorgung an Bildung und Nachrichten ausreichen. Unterhaltung kann man den Privaten überlassen. Was die Erhöhung der Gebühren angeht, finde ich es unfassbar darüber überhaupt nachzudenken. Mit acht Milliarden Euro plus einer Milliarde an Nebeneinahmen ist dieser Bereich fürstlich ausgestattet. Wenn man meint, mit diesem Budget nicht auszukommen, könnte man vielleicht über Einsparungen bei den Gehältern nachdenken. Vor Allem könnte man endlich die im Rundfunkstaatsvertrag vorgeschriebene weltanschauliche Ausgewogenheit walten lassen. Nicht nur Propagandafilme wie “Ökozid” sorgen bei mir für Stirnrunzeln, sondern auch vermeintliche Kabarettsendungen, wie die “Heute Show”, die selbst Politik machen, halte ich in einem System, für das jeder Bürger zahlen muss, für deplatziert. Gerade hat die Sendung wieder unrühmlich für Aufmerksamkeit gesorgt.
Satire ist, so definiert es etwa der Duden, eine Kunstgattung, die durch Übertreibung, Ironie und (beißenden) Spott an Personen, Ereignissen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt. Die hauptamtliche Satiresendung des ZDF, Oliver Welkes „heute-show“, fasst das gerne mal so auf, dass Kommentatoren ihre politische Meinung ungefiltert herauspöbeln. Unflätige Vokabeln und persönliche Beschimpfungen sollen offenbar den Kommentar ins Genre der Satire heben, von Ironie keine Spur, aber wenigstens Übertreibung.
Satire kann, wie Klaus Zehrer in seiner „Dialektik der Satire“ schrieb, eingeschliffene Denkgewohnheiten umkrempeln, Selbstgewissheiten in Frage stellen, neue Sichtweisen eröffnen. Die „heute-show“ macht allzu oft das Gegenteil: Denkgewohnheiten einschleifen, Selbstgewissheiten wärmen, Sichtweisen verfestigen.
Gulaschkanone - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Dunkelhäutige, die sich nicht als Opfer sehen und auch sonst nicht die in progressiven Kreisen akzeptierten Ansichten haben, werden ausgegrenzt und diffamiert. Das kenne ich selbst. Ein wesentlich prominenteres Beispiel ist Ayaan Hirsi Ali, die es sich nach wie vor erlaubt, eine eigene Meinung zu haben. How dare she? Ich lese nicht nur ihre Bücher gern, sondern schätze insgesamt sehr, was sie äussert. Nun hat sie der NZZ wieder kluge Antworten gegeben.
Ganz einfach: Ich weigere mich, das Opfer zu sein, das sie in mir sehen wollen. Würde ich es spielen, könnte ich alles bekommen, was ich will. Denn die akademischen Amerikaner sind geradezu besessen von den Themen Rasse und Sklaverei. Wenn ich sie daran erinnere, dass auch die Sklaverei eine Lieferkette kennt, hören sie weg und wechseln das Thema.
Ich sage freiheraus, was ich denke: Die westliche Kultur mit ihrer Entdeckung der Freiheit ist allen anderen Kulturen überlegen, in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart. Sie hat es zustande gebracht, die Unterdrückung der Frau, den Feudalismus und das Stammesdenken zu überwinden. Sie hat gesellschaftliche Offenheit, politische Freiheit, technische Innovation und wirtschaftlichen Wohlstand geschaffen. Ich leugne nicht, dass andere Kulturen ebenfalls ihr Besonderes und Wertvolles haben – aber die Freiheit der westlichen Kultur ist für alle Menschen von unschätzbarem Wert. Das sage ich als gebürtige Somalierin. Und das hören die linksliberalen Eliten nicht gerne.
Und diese Eliten leiden an kognitiver Dissonanz. Sie haben ihr Narrativ, wonach die westliche Kultur bloss auf Unterdrückung, auf der Perpetuierung von Unterdrückern und Unterdrückten beruht. Und wenn dann plötzlich jemand aus einem echten Unrechtsstaat kommt, in dem Menschen systematisch unterdrückt werden, und ihnen sagt, dass sie falschlägen, wenn sie ihre eigene Kultur schlechtmachten und stattdessen fremde Kulturen idealisierten, nun ja, dann haben sie zwei Möglichkeiten. Entweder sie überdenken ihre Position. Oder sie diffamieren die Person, die solche unerhörten Dinge von sich gibt. Normalerweise tun diese Leute Letzteres – und machen die kognitive Dissonanz zum Dauerzustand.
Je schwächer du angeblich bist, desto mehr Macht steht dir zu. Entweder du teilst diese Dogmen, und dann gehörst du dazu, zählst zu den Guten und Gerechten. Oder du weigerst dich, sie anzuerkennen, weil du von den Vorteilen einer individuellen Leistungs- und Kompetenzgesellschaft überzeugt bist, und gehörst zu den Abtrünnigen, die ihre Gnade verwirkt haben. Diese Religionslehre hat ihre Priester. Die wichtigste Priesterin in den USA heisst Alexandria Ocasio-Cortez – mit über zehn Millionen Followern auf Twitter.
Ein weiteres Beispiel für die Arroganz des linksliberalen Milieus in den USA hat bereits Joe Biden geliefert, der sagte, Schwarze, die Trump wählten seien keine echten Schwarzen. Nun hat sich Barack Obama ähnlich herablassend über Hispanics geäussert.
People were surprised about a lot of Hispanic folks who voted for Trump.
But there are a lot of evangelical Hispanics who, you know, the fact that Trump says racist things about Mexicans, or puts detainees, undocumented workers in cages, they think that's less important than the fact that he supports their views on gay marriage or abortion.
Dass die von ihm erwähnten “cages” während seiner Präsidentschaft gebaut wurden, scheint er vergessen zu haben. Während seiner Amtszeit wurden ausserdem ebenfalls Einwandererkinder von ihren Eltern getrennt. Trump wurde dafür scharf kritisiert. Er nicht. Doppelmoral und so.
Mr Obama's mention of "cages" refers to border facilities where hundreds of children separated from adults at the US-Mexico border were held in 2018 under a Trump administration policy that was tougher than anything that had come before.
But these chain-link enclosures were built during the Obama presidency. Some 60,000 unaccompanied minors stopped at the southern border were detained in these cells during one summer alone in 2014.
The Obama administration also separated migrant children from adults at the border, though only in rare circumstances.
Obama criticises Hispanic voters who picked Trump - BBC
Bezüglich des Phänomens “Cancel Culture”, welches ja angeblich ein Mythos ist, gibt es zwei weitere Vorfälle zu vermelden. Mitarbeiter von Penguin Random House Canada haben versucht, das Management dazu zu bringen, das aktuelle Buch von Jordan Peterson nicht zu veröffentlichen.
Four Penguin Random House Canada employees, who did not want to be named due to concerns over their employment, said the company held a town hall about the book Monday, during which executives defended the decision to publish Peterson while employees cited their concerns about platforming someone who is popular in far-right circles.
“He is an icon of hate speech and transphobia and the fact that he’s an icon of white supremacy, regardless of the content of his book, I’m not proud to work for a company that publishes him,” a junior employee who is a member of the LGBTQ community and who attended the town hall told VICE World News.
Another employee said “people were crying in the meeting about how Jordan Peterson has affected their lives.” They said one co-worker discussed how Peterson had radicalized their father and another talked about how publishing the book will negatively affect their non-binary friend.
“The company since June has been doing all these anti-racist and allyship things and them publishing Peterson’s book completely goes against this. It just makes all of their previous efforts seem completely performative,” the employee added.
Penguin Random House Staff Confront Publisher About New Jordan Peterson Book - Vice
Der Verlag hat glücklicherweise an seiner Entscheidung festgehalten. Was viele nicht verstehen ist, dass es sich nicht erst um Cancel Culture handelt, wenn die Versuche von Erfolg gekrönt sind.
Ein weiteres Beispiel ist Suzanne Moore, die aufgrund angeblich transfeindlicher Artikel ihren Job beim “Guardian” verlor. Über dreihundert Kollegen hatten sich in einem offenen Brief an die Chefredaktion gewandt und Konsequenzen gefordert.
„Was würden Sie tun, wenn 338 Kollegen Sie mobben?“, fragt die Autorin verzweifelt - Welt
Alexander Grau hat in der NZZ einen lesenswerten Artikel über historisches Bewusstsein geschrieben.
Denkmäler werden geschleift, Institutionen und Strassen umbenannt, alte Texte überarbeitet und Museumsbestände kritisch durchforstet. Nie zuvor in der Geschichte stand eine Gesellschaft ihrer eigenen Vergangenheit mit so viel Reserviertheit gegenüber. Gilt das 19. Jahrhundert als das Zeitalter des Historismus, also des Bewusstseins für die eigene Geschichtlichkeit und von deren Verklärung, so droht das 21. Jahrhundert eine Epoche der vollständigen Enthistorisierung zu werden, der Preisgabe des historischen Denkens.
Erinnerungskultur im Namen der guten Sache, sei es Antikolonialismus, Antiimperialismus oder Antifaschismus, gerät zur vorsätzlichen Enthistorisierung. Die Geschichte verschwindet hinter der Lehre, die man aus ihr zu ziehen vorgibt. Was übrig bleibt, ist Haltung ohne Kenntnisse.
Wie sehr in den historischen Diskursen der westlichen Welt inzwischen die moralische Bewertung das Gespür für historische Zusammenhänge ersetzt hat, konnte man im Sommer anlässlich der «Black Lives Matter»-Demonstrationen erleben. Denn wer Denkmäler von Kolumbus, Churchill oder Bismarck schleifen möchte, weil diese Eroberer, Rassisten oder Kriegstreiber waren, bemüht sich nicht um ein historisches Verstehen, sondern walzt Geschichte im Namen aktueller Moralvorstellungen nieder. Doch Moral ist selbst ein historisches Phänomen, eingebunden in Diskurse, Narrative und Sinnkonstituenten ihrer Zeit. Wer sich weigert, diese zu verstehen, versteht nichts.
Genau diese Bereitschaft nimmt aber rapide ab. Das Interesse am Unbekannten wird ersetzt durch vorgefertigte Raster, mit denen man historische Phänomene moralisch einordnet. Der faktische Erkenntniswert ist dabei gering, die narzisstische Selbstbetätigung jedoch umso höher. Man bleibt intellektuell im Jetzt festgefroren.
Doch wer schon die eigene Vergangenheit nicht verstehen will, ist auch unfähig, das wirklich Fremde zu begreifen. Die Ideologie kultureller Offenheit und Toleranz entlarvt sich daher gerade dort als verlogen, wo sie die Geschichte der eigenen Kultur als menschenverachtend aburteilt. Hier hat der xenophobe Reflex lediglich seine Stossrichtung geändert.
Man umarmt das exotische Fremde und verdammt die eigene Vergangenheit. Doch Aufgeschlossenheit für das Fremdartige schult sich zunächst an der eigenen Geschichte, da sich diese als Aspekt einer exotischen Welt bagatellisieren lässt. Vor allem aber schärft die vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit das Bewusstsein für die Wandelbarkeit von Werten, Normen und angeblich ewigen Wahrheiten.
Kultur
Coverversion der Woche: The Ronettes - Frosty The Snowman
Die von Phils Spector zu dem von ihm zur Marke gemachten Soundbombast aufgeblasene Version der Ronettes wurde im Jahr 1963 aufgenommen. Komponiert wurde das Stück von Walter "Jack" Rollins und Steve Nelson. Zuerst aufgenommen haben es Gene Autry und die Cass County Boys im Jahr 1950.