Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #111
Aktivisten in der Bundesregierung, Doppelmoral und Selbstdarstellung
Prolog
Vor fast 60 Jahren erfand Harvey Ball den “Smiley”. Er wurde beauftragt, zur Motivation der Mitarbeiter einen Button für die Versicherungsgesellschaft “State Mutual Life Assurance Cos. of America” zu entwerfen. Das Symbol hat nicht nicht nur popkulturell eine enorme Bedeutung, es steht insgesamt für das Positive. Ich werde, die Dinge, welche in diesem Newsletter behandelt werden, auch im kommenden Jahr mit einer gewissen Heiterkeit zu betrachten, weil das eher meinem Naturell entspricht, als mich der Erotik des Untergangs zu verschreiben.
Auch 2022 sind wieder einige Menschen im sogenannten “Rabbit Hole” verschwunden, wurden von einem Strudel aus Negativität und Ohnmacht mitgerissen. Die Fixierung auf einen einzigen Themenbereich tut der Psyche nicht gut. Irgendwann wähnt man sich von Feinden umzingelt und die Welt am Rande des Abgrunds. Mit einer korrekten Einschätzung der Wirklichkeit hat das nichts zu tun. Wer behauptet im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, dem sollte man grundsätzlich mit kritischer Distanz begegnen.
Ich schätze sehr, dass es noch Menschen gibt, mit denen man politisch gepflegt unterschiedlicher Meinung und sogar befreundet sein kann. Die sozialen Medien mit ihrer befremdlichen Diskussionskultur bilden nur einen Teil der Realität ab. Wer dort den Hauptteil seiner Zeit verbringt, kann das natürlich nicht wissen.
Das bedeutet nicht, dass kein Grund zur Sorge besteht. In vielen Bereichen gibt es Optimierungsbedarf. In den Sinn kommen da zum Beispiel Bahn, Digitalisierung, Bundeswehr, Steuersystem, Rentensystem, Wohnungsbau, Eigentumsquote, Bürokratie, Bildungssystem und Einwanderung. Auch die Identitätspolitik mit ihren demokratiegefährdenden Auswüchsen ist nach wie vor ein großes Problem.
Leider gibt es in Deutschland zurzeit lediglich einen selektiv-ideologischen Reformwillen. Wenn sich das nicht ändert, wird uns hier irgendwann alles um die Ohren fliegen. Diejenigen, die das kompensieren können, wird das nicht beeinträchtigen. Für die Mehrheit der Bevölkerung brechen dann aber harte Zeiten an.
Der Newsletter geht in die Weihnachtsferien. Weiter geht es am 06.01.2023. Ich bin dankbar, dass diese Publikation auch in diesem Jahr viele Abonnenten hinzugewonnen hat und sich weiterhin großer Beliebtheit erfreut. Auch die vor einiger Zeit aktivierte Kommentarsektion entwickelt sich langsam. Auf Ihr Feedback, welches mich auf vielen Wegen erreicht, lege ich nach wie vor großen Wert. Es erreichen mich auch immer mehr Anfragen, wie man den Newsletter finanziell unterstützen kann. Leider gibt es dafür bisher keine Möglichkeit, weil ich nie in Betracht gezogen hätte, dass dies den Lesern ein Bedürfnis sein würde. Ich werde mir diesbezüglich bis zur nächsten Ausgabe etwas überlegen. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und einen angenehmen Jahreswechsel!
Nun aber los. Heute geht es unter anderem um Aktivisten in der Bundesregierung, Doppelmoral und Selbstdarstellung.
Politik und Gesellschaft
Das Problem von Aktivisten in der Bundesregierung war hier bereits mehrfach Thema. Es sind inzwischen einige. Eine ehemalige Greenpeace-Lobbyistin ist Staatssekretärin im Auswärtigen Amt. Die Lobbyistin Ferda Ataman wurde eine Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Besonders bei dieser Personalie weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Wer davor warnte, den Bock zum Gärtner zu machen, dem wurde entgegnet, er reagiere über.
Nun empfiehlt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf ihrer Website für von Diskriminierung betroffene Muslime die Beratungsstelle “Inssan”, welche mit „Islamic Relief Deutschland“ zusammenarbeitet. Diese Organisation verfügt laut Bundesregierung über „signifikante Verbindungen“ zur Muslimbruderschaft. Der Verfassungsschutz in NRW beobachtet die Bezüge von “Islamic Relief” zur Muslimbruderschaft. Israel stuft den Verein seit 2014 als Finanzsystem der Hamas ein und betrachtet ihn als Terrororganisation.
In der Vergangenheit arbeiteten Führungspersonen von “Inssan” mit Organisationen zusammenarbeiten, die wegen islamistischer Umtriebe vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. Fairerweise muss angemerkt werden, dass der Verein bereits vor Atamans Amtszeit empfohlen wurde. Ihr sind diese Tatsachen allerdings bekannt. Trotzdem sieht sie kein Problem damit, an dieser Empfehlung festzuhalten.
Nun schlug sie während einer Podiumsdiskussion vor, Transsexuellen, die im Internet Angriffen ausgesetzt sind und dort verbleiben, das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Man könnte das als skurrilen Quatsch abtun. Wer Atamans Wortmeldungen allerdings schon länger verfolgt weiß, dass sie das todernst meint. In Kombination mit ihrem großen Handlungsspielraum ist das hochproblematisch.
Eine weitere Aktivistin in der Bundesregierung ließ diese Woche aufhorchen: Nancy Faeser, deren sehr eigenes Demokratieverständnis ich hier bereits behandelte, möchte nicht nur die Beweislast umkehren, um extremistische Beamte leichter aus dem Staatsdienst entfernen zu können. Wie ein Positionspapier des Innenministeriums belegt, möchte sie auch anlasslos Chatnachrichten durchsuchen können. Das ist höchst fragwürdig und verstößt zudem gegen den Koalitionsvertrag.
Laut dem Positionspapier will das Innenministerium am umstrittenen „Client-Side-Scanning“ festhalten. Der Einsatz dieser Technologie würde dazu führen, dass E-Mails, Messenger-Dienste und weitere Kommunikationsplattformen anlasslos und massenhaft überwacht werden. Beim Client-Side-Scanning werden Inhalte auf den Geräten der Nutzer vor dem Versand von Nachrichten durchsucht und somit eine spätere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unterlaufen.
Faeser stellt sich mit dem Papier gegen den Koalitionsvertrag. Dort heißt es explizit: „Allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab.“
Das Innenministerium widerspricht damit auch dem liberalen Koalitionspartner. Das Justizministerium und das Digitalministerium, beide von der FDP geführt, haben sich deutlich gegen die Chatkontrolle positioniert und dem Innenministerium ihre „Roten Linien“ übersandt, […].
In dem Dokument der FDP-Ministerien heißt es, dass Messenger, Cloud-Speicher und Audiokommunikation im Gesetz ausgenommen werden sollen und Client-Side-Scanning explizit ausgeschlossen werden muss. Außerdem lehnen die Ministerien die Detektion von Grooming und von neuem Material, beispielsweise durch den Einsatz „künstlicher Intelligenz“ ab. Auch eine Identifizierung von Nutzern mittels Personalausweis soll ausgeschlossen werden.
Innenministerin Faeser will Koalitionsvertrag brechen - Netzpolitik
Langsam sollte jedem klarwerden, dass es diesen Leuten nicht um Augenmaß und den Dienst an der Bevölkerung, sondern vor allem um ihre persönliche Agenda geht.
Abgesehen davon, dass Kritik an der sogenannten letzten Generation, gegen die nun wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird, inzwischen auch auch aus der grünen Partei kommt, ist es vor allem seltsam, dass die Argumentation, die für die Razzien gegen Reichsbürger angewendet wurde, hier nicht gelten soll. Bei Prinz Cordhose und seinen Mitstreitern wurde als Beleg für die Richtigkeit der Ermittlungen angeführt, die Behörden hätten das im Vorfeld genau geprüft und bezüglich der Einschätzung drohender Gefahr sei auf sie absolut Verlass. Wenn dann gegen eine Gruppe ermittelt wird, der man ideologisch nahesteht, wird genau diesen Behörden unterstellt, sie übertrieben, seien ahnungslos, korrupt und sowieso Teil einer rechten Verschwörung. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Nikolaus Blome beschäftigt sich im “Spiegel” bezüglich beider Gruppen mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
Rechts der Mitte wird hartnäckig die Lächerlichkeit des präsenilen Putschprinzen auf die gesamte »Reichsbürger«-Szene übertragen. Weil dessen Träume vom neuen deutschen Königreich irreal und fern der Realisierung sind, will man auch Vorbereitungen und Vorbereiter nicht so ernst nehmen: Ein Umsturz habe ja nie gedroht. Das stimmt natürlich, aber den IS oder die RAF haben wir aus gutem Grund alle sehr ernst genommen, obwohl das weltweite Kalifat oder der Aufstand der Arbeitermassen ebenso bloß feuchte Träume waren.
Nicht nachvollziehbar finde ich, dass ich mich jetzt nicht mehr über die Klimaaktivisten der »Letzten Generation« aufregen soll, die ich im Übrigen auch nicht »Terroristen« nennen würde. Links der Mitte wird aus den »Reichsbürger«-Razzien eilfertig abgeleitet, dass man sich über die eskalierenden Blockaden nicht mehr empören könne, weil sie im Vergleich zu einem »Umsturz« oder »Staatsstreich« harmlos zu nennen seien. Seit die Innenministerin über den »Abgrund an Terrorismus« spricht, in den sie geblickt habe, mag sie zur »Letzten Generation« vorerst keine Fragen mehr beantworten, so mein Eindruck. Aber, Himmel, was soll das denn für eine Korrelation sein? Sonntags fährt die Straßenbahn schneller als bergab?
Gemeinsam ist ihnen gleichwohl das Sektenhafte, das hermetisch Abgeschlossene ihrer Welt- und Moralbilder, der Drang zu Selbstwirksamkeit und Rettung aus höchster Not. Trotzdem überfordert die Koinzidenz von kriminellen Flughafenblockaden der »Letzten Generation« und der Razzien gegen »Reichsbürger« größere Teile der veröffentlichten Meinungsbildung. Bei manchen reicht es jeweils nur für einen Gedanken, das ist ein Armutszeugnis.
Es muss aber möglich sein, über den Prinzen zu lachen und die »Reichsbürger« ernst zu nehmen. Es muss auch möglich sein, sich über Klimakleber und »Reichsbürger« zugleich zu empören, ohne diese gleichzusetzen. Doch die besonders laut Überzeugten auf der Rechten wie der Linken sind außerstande, diese Gleichzeitigkeit zuzulassen oder auch nur zu ertragen. Diese Einseitigkeit und das damit einhergehende Gelassenheitsverbot stiften ihnen Sinn und Identität. Und darum scheint es zuvorderst zu gehen; alles wird für dieses Muster passend gemacht.
Was »Reichsbürger« und »Letzte Generation« unterscheidet – und was nicht - Spiegel
Zum Ende der Rubrik wieder Sehens- und Hörenswertes. Da es wichtig ist, auch über das eigene Milieu zu lachen, fand ich dieses Interview sehr amüsant, in dem Christian Lindner sich selbst interviewt. Genial zusammengeschnitten.
Ich habe die neue Literatursendung von Sophie Passmann gesehen und kann mich der vernichtenden Kritik nur anschließen. Bei dem Thema habe ich mich an die bizarre Show von Kader Loth auf “TierTV” erinnert und wieder Tränen gelacht. Leider fand ich keine ganzen Folgen. Freue mich über hilfreiche Links.
Lars Weisbrod und Ijoma Mangold diskutieren über das Netzwerk Mastodon.
Wenn sich in diesen Wochen eine Alternative zu Twitter herausschält, dann wohl das Open-Source-Angebot Mastodon. Hier schlagen viele Twitter-Flüchtlinge auf – und es kommt inzwischen sogar zu Integrationsproblemen. Die Hyperironiker von Twitter, die einen rauen Ton und Reizüberflutung gewohnt sind, stoßen auf die leisere Atmosphäre von Mastodon, wo Tweets Tröts heißen und alles ein bisschen gemächlicher zugeht. Und die alteingesessenen Mastodon-User sorgen sich: Schleppen die Twitter-Migranten auch die Aggressivität von Musks birdsite ein, die man stets vermeiden wollte?
Gibt es ein soziales Netzwerk, das nicht furchtbar ist? - Zeit
Kultur
Coverversion des Tages: She & Him - Baby, It's Cold Outside
Nachdem einige Unterstützer der #MeToo-Bewegung versucht hatten, das Lied zu verbieten, beschloss ein Radiosender aus Kentucky, es es zwei Stunden lang auf Schleife zu spielen. Beides ist peinlich.
Das Lied wurde 1944 von Frank Loesser geschrieben und erlangte 1949 durch denFilm “Neptune's Daughter” Popularität. Obwohl der Text keinen Bezug zu Weihnachten erkennen lässt, wird es dadurch, das es im Winter spielt, allgemein als Weihnachtslied angesehen.
In den 1940er Jahren wurde von Hollywood-Stars mit Gesangstalent auf Partys erwartet, dass sie Lieder aufführten. Loesser schrieb "Baby, It's Cold Outside", um es mit seiner Frau Lynn Garland bei ihrer Einweihungsparty in New York City im Navarro Hotel zu singen. Sie sangen das Lied, um den Gästen zu signalisieren, dass es Zeit sei zu gehen. Garland schrieb nach der ersten Aufführung: „Wir wurden sofort zu Wohnzimmerstars und auf der Grundlage von ‚Baby‘ jahrelang zu den besten Partys eingeladen. Es war unsere Eintrittskarte zu Kaviar und Trüffeln. Partys wurden um unseren Auftritt herum veranstaltet.“
Nachdem Loesser das Lied jahrelang aufgeführt hatte, verkaufte er es 1948 an MGM für die Komödie “Neptune's Daughter”. Garland war wütend:"Ich fühlte mich so betrogen, als hätte ich ihn mit einer anderen Frau im Bett erwischt." Laut Esther Williams hatten die Produzenten von “Neptune's Daughter” geplant, einen anderen Loesser-Song zu verwenden, aber die Studiozensoren hielten diesen für zu suggestiv und ersetzten ihn durch "Baby". Das Lied gewann 1950 den Oscar für das beste Lied.
She&Him, das Duo bestehend aus der Schauspielerin Zooey Deschanel und Matthew Stephen Ward coverten das Stück im Jahr 2012 und vertauschten die Rollen.
Epilog
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