Prolog
Der Sommer ist nun endgültig vorbei und man kann die Herbstkleidung aus dem Schrank holen. Das ist einerseits schade. Andererseits ist der Leidensdruck durch optisch-ästhetische Zumutungen in Jahreszeiten, in denen die Menschen mehr anhaben, kleiner, als in den warmen Monaten des Jahres.
Es ist bemerkenswert, wie jedes Jahr zur Wiesnzeit aufs Neue versucht wird, vor diesem Hintergrund Geschichtsklitterung zu betreiben und Tracht als etwas reaktionäres/rechtes zu rahmen. Da wird zum Beispiel behauptet, diese sei gar keine bayerische Erfindung, sondern eine der Bielefelder Brüder Julius und Moritz Wallach. Das ist nachweislich unzutreffend.
Die Brüder haben die Tracht erneut populär gemacht, es gab sie aber schon lange vorher. Um die negative Rahmung zu vervollständigen, wird zutreffend darauf hingewiesen, dass das Trachtengeschäft der Wallachs 1938 zwangsweise “arisiert” wurde und die Brüder in die USA emigrierten. Dass sie ihr Geschäft in der Nachkriegszeit wiederbekamen, wird allerdings weggelassen. Diese Tatsache macht die Enteignung natürlich nicht weniger schlimm, gehört aber zur Wahrheit dazu.
Niemand wird dazu gezwungen, Tracht zu tragen oder auf die Wiesn zu gehen. Was daran so unerträglich ist, dass unzählige Menschen auf der ganzen Welt das sehr gerne tun, erschließt sich mir nicht. Sehr beliebt ist die Münchener Sause auch bei Japanern. Ist es eigentlich “Cultural Appropriation”, wenn Besucher aus Tokio Tracht tragen? Diese Frage konnte mir bisher niemand beantworten.
Nun aber los. Heute geht es unter anderem um die Energiewende, Rassismus und Meinungsfreiheit.
Politik und Gesellschaft
Der Physiker und Comedian Vince Ebert hat sich in einem langen Interview zur deutschen Energiewende geäußert. Es enthält sehr interessante Ansätze, die mehr diskutiert werden sollten. Besonders vor dem Hintergrund der fassungslos machenden Aussage von Robert Habeck, es gebe die Chance, trotz fehlender Gaslieferungen gut durch den Winter zu kommen, wenn viel gespart werde und man “ein bisschen Glück mit dem Wetter” habe, ist der Hinweis auf Fakten wohltuend.
Noch mehr Windräder und noch mehr Solaranlagen lösen nicht das Problem, dass in einer windstillen Nacht dann kein Strom zur Verfügung steht. Sämtliche vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke für Strom aus regenerativen Quellen sichern den Bedarf der Bundesrepublik für gerade einmal vierzig Minuten.
Dass erneuerbare Energien nicht grundlastfähig sind. Wenn man Kernkraftwerke abschaltet, muss man an wind- und sonnenarmen Tagen Kohlekraftwerke auf Volllast laufen lassen. Will man auch diese nicht, müssen Gaskraftwerke einspringen. Wer wie die Deutschen auf alle drei Energiegewinnungsarten gleichzeitig verzichten will, ähnelt dem Mann, der vom Dach springt und hofft, rechtzeitig vor der Landung fliegen zu lernen.
Das ändert nichts daran, dass Kernenergie eine Hochrisikotechnologie ist. So hat es der deutsche Wirtschaftsminister Habeck gerade wieder bekräftigt.
Da irrt Herr Habeck. Kernenergie ist keine Hochrisikotechnologie. Selbst der Weltklimarat nennt die Kernenergie einen extrem wichtigen Baustein, um die Klimaziele zu erreichen. Verschiedene Forschergruppen haben den «energy death print» ermittelt. Er gibt für jede Art der Energieerzeugung die Anzahl der Todesopfer pro erzeugter Terawattstunde Strom an.
Nach siebzig Jahren industrieller Nutzung schneidet die Kernenergie am besten ab.
Damit ist freilich das Endlagerproblem nicht gelöst.
Dieses Problem liesse sich technisch lösen, aber das ist politisch nicht gewollt. Die Reaktortypen der vierten Generation könnten sogar von Atommüll betrieben werden. Was dann übrig bliebe, hätte eine derart geringe Strahlung, dass man überhaupt kein Endlager brauchte. Die Deutschen, die die sichersten Kernkraftwerke der Welt bauten, verschliessen sich leider diesen Chancen.
Deutschland könnte als Hightech-Land in Kerntechnik investieren, in Kernfusion, in emissionsarme Treibstoffe, in grüne Gentechnik. Stattdessen verbieten wir den Verbrenner und steigen aus vielen anderen Technologien aus. Wie will man so die Zukunft gestalten?
Auf dem Index für freiheitliche Forschung rangiert Deutschland weit oben. Andererseits gerät ein hauptsächlich staatlich finanzierter Wissenschaftsbetrieb in die Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln. So entsteht eine indirekte Steuerung. Wer zu jenen Themen forscht, die die Politik favorisiert, zu Wind- und Sonnenenergie, E-Mobilität und Biolandwirtschaft, hat gute Aussichten auf staatliche Gelder. Ein genialer Kernphysiker hat es schwer. Eine Berliner Forschergruppe, die einen Kernreaktor der vierten Generation entwickelte, ist mittlerweile nach Kanada ausgewandert. Das ist ein grosses Drama.
Ihr Nachfolger, Eckart von Hirschhausen, hat kein Problem mit einem gewissen missionarischen Überschwang. Von ihm stammt der Satz, es blieben noch zehn Jahre, «um das Überleben der Menschheit zu sichern».
Da sollte der Kollege mal in den Weltklimabericht schauen. Nirgends ist dort die Rede von einer Katastrophe, einem Untergang, einem Kollaps. Es gibt keinen Point of no Return. Viele Menschen glauben, der Klimawandel wäre vergleichbar mit einem Meteoriten, der auf die Erde zurast. Liest man aber die Berichte des Weltklimarates, so ähnelt der Klimawandel eher einer chronischen Erkrankung wie Diabetes: ein Problem, das man zweifellos behandeln sollte, das aber nicht das Ende der Welt bedeutet. Die apokalyptischen Untergangsszenarien, mit denen pausenlos gedroht wird, sind wissenschaftlich nicht haltbar.
Die Tierrechtsorganisation “Peta”, die in der Vergangenheit bereits Masttierhaltung mit dem Holocaust gleichsetzte, fordert nun, dass fleischessenden Männern untersagt wird Kinder zu zeugen. Man könnte das als bizarre PR-Aktion abtun. Der Vorschlag eines Fortpflanzungsverbots für bestimmte Bevölkerungsgruppen steht allerdings in direkter NS-Tradition. Ob das den Fordernden bewusst ist, oder ob die ideologische Verblendung das klare Denken behindert, kann ich nicht beurteilen. Moralisch bankrott ist “Peta” jedenfalls seit vielen Jahren und erweist damit dem wichtigen Anliegen des Tierschutzes einen Bärendienst. Gern würde ich über die empörten Reaktionen aus dem Milieu berichten, in dem bereits die Frage nach der Herkunft oder der Hinweis auf biologische Fakten als menschenverachtend gilt. Leider gab es keine.
Noch zum Begriff “Toxische Männlichkeit”, der in der Pressemitteilung verwendet wird, wissenschaftlich klingt und den man seit Jahren in Diskussionen immer wieder hört: Toxische Männlichkeit ist unbelegtes Konzept, welches auf dem ebenfalls unbelegten Konzept der “Hegemonic Masculinity” basiert. Bei diesem werden negative Wesenszüge, welche bei jedem Menschen vorkommen können, willkürlich einer Form von Männlichkeit zugeschrieben. Dies ist aber nicht validiert und der theoretische Bezugsrahmen lässt sich auch nicht falsifizieren. Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun.
Auch ein Sex- oder Fortpflanzungsverbot für alle fleischessenden Männer wäre in diesem Kontext zielführend.
Das Phänomen der Cancel Culture, das ja ein reines Hirngespinst ist, hat ein weiteres Opfer gefordert. Begonnen hat die Sache bereits 2019. Erstaunlich, dass der Fall bisher nicht an die Öffentlichkeit gelangte und ich frage mich, wieviele solcher Sachverhalte noch unter der Oberfläche existieren.
Wie geräuschlos solche Auseinandersetzungen verlaufen können, zeigt der Fall der Wirtschaftsjuristin Alessandra Asteriti, der bislang unterhalb der öffentlichen Aufmerksamkeitsschwelle blieb. Asteriti, die an der Universität Lüneburg als Juniorprofessorin Wirtschaftsrecht lehrte, hatte 2019 auf Twitter einen längeren Thread darüber geschrieben, warum die körperliche Unterscheidung von Männern und Frauen im internationalen Recht wichtig sei, nämlich deshalb, weil Ausbeutung, Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen sonst nicht darstellbar wären.
Die Tweetfolge löste einen Empörungssturm in LGBTQ-Kreisen aus und fügte Asteritis wissenschaftlicher Laufbahn nach eigener Darstellung empfindlichen Schaden zu. Dass in der Folge ihre Juniorprofessur nicht verlängert und ihr Vertrag zur Onlinelehre gekündigt wurde, lässt sich, wie sie einräumt, nicht klar auf den öffentlichen Druck der Transgender-Aktivisten zurückführen. Klar belegbar seien dagegen die Vorfälle bei einer Onlinekonferenz im September 2020. Dort sollte Asteriti ein Panel leiten, das Studenten ihres Masterprogramms zu Menschenrechten organisiert hatten. Kurz vorher beschwerten sich jedoch einige Studenten über ihre angebliche „Transphobie“ und erreichten, dass die Konferenz in letzter Minute abgebrochen wurde. Asteriti zog sich von der Leitung des Panels zurück.
Schon 2019 war die Universitätsleitung in mehreren Mails aufgefordert worden, Asteriti wegen „transphober“ Ansichten zu entlassen, andernfalls man sich an die Polizei wenden würde. Die Nachfrage dieser Zeitung, ob es diese Mails gibt und wie darauf reagiert wurde, beantwortet die Universität ausweichend. Die Verleumdung bei Arbeitgebern und Entlassungsforderungen sind im Transaktivismus übliche Manöver. In einem weiteren Brief an die Universitätsleitung wird Asteriti als transfeindlicher Unmensch beschrieben, von dessen Nähe große Gefahr für Studenten ausgehe. Wieder wird ihre Entlassung gefordert. Auf Twitter wurde Asteriti außerdem als Nazi beschimpft und mit dem Tode bedroht. Sie schloss ihren Account.
In einem Gespräch mit dem Universitätspräsidenten, der dazu offenbar keine eigene Meinung hatte, erklärte sich Asteriti zu einem Gespräch mit den Studenten bereit, die ihr Transphobie vorwarfen. Es fand im Chancengleichheits-Büro statt und endete nach Asteritis Darstellung im Desaster. Sie sei von Beginn an als Transfeindin attackiert worden und habe sich wie in einer gehirngewaschenen Sekte gefühlt. Die Universität beschränkt sich auf Nachfrage auf die Auskunft, es habe keine Annäherung der Standpunkte gegeben. Die Dozentin hat die Universität inzwischen verlassen. Es brauchte dafür keine Kündigung. Es reicht, dass ein Vertrag nicht verlängert wird. Und wer möchte schon in einem Umfeld arbeiten, in dem man zum Unmensch erklärt werden kann, den man meiden soll, und der Arbeitgeber meint, dass ihn das kaum etwas angeht?
Ende einer Treibjagd - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Zum Ende der Rubrik wieder Sehenswertes. Beim internationalen Literaturfest in Berlin sprachen Glenn Loury, Joyce Nyairo und Thomas Chatterton Williams über Rassismus, Kolonialismus, staatliche Identität und soziale Bewegungen mit Bezug auf den afrikanischen Kontinent und dessen Entwicklungsdynamik. Im Fokus steht auch die Frage nach religiösen, kulturellen und ethnischen Identitäten sowie deren Entwicklung angesichts der gesellschaftlichen Wahrnehmung.
Eine sehr interessante Dokumentation ist “Der Fall Tellkamp - Streit um die Meinungsfreiheit”. Auch deshalb, weil sich einige Protagonisten inzwischen mit schwer überprüfbaren Begründungen von ihrer Mitwirkung distanzieren.
Lange haben Leserschaft und Feuilleton darauf gewartet, nun ist er da: Uwe Tellkamps neuer Roman "Der Schlaf in den Uhren“ erscheint bei Suhrkamp. Viel wurde in den letzten Jahren spekuliert, auch ob der Verlag überhaupt noch zu seinem preisgekrönten Autor steht. Zu groß schienen die Differenzen, seitdem sich Tellkamp 2018 gegen islamische Zuwanderung positionierte und massiver öffentlicher Kritik ausgesetzt sah. Ein Dokumentarfilm von Andreas Gräfenstein (2022, 90 Min)
Der Fall Tellkamp - Streit um die Meinungsfreiheit - 3Sat
Kultur
Coverversion der Woche: Beastie Boys feat. Miho Hatori - Light My Fire
Heute im Jahr 1967 traten die Doors in der Murray the K-Show auf WPIX-TV in New York City mit „People Are Strange“ und „Light My Fire“ auf. Deshalb war klar, dass es Letzteres werden wird.
Das Stück wurde im August 1966 aufgenommen und im Januar 1967 auf dem Debütalbum veröffentlicht. Es wurde am 24. April 1967 als Single veröffentlicht und blieb drei Wochen auf Platz eins der Billboard Hot 100-Charts (am 29. Juli, 5. August und 12. August 1967) und eine Woche in den Cash Box Top 100 , fast ein Jahr nach seiner Aufnahme.
Mich begleitet das Lied bereits seit frühester Kindheit, weil meine Eltern das Album besaßen. Bis heute sind die Doors eine meiner Lieblingsbands. Die ganz andere aber sehr charmante Coverversion der Beastie Boys war bisher an mir vorbeigegangen. Wozu diese Rubrik doch gut ist.
Epilog
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Danke erneut für diese interessante Auswahl.
Vince Ebert bringt für mich die Sache mit den CO2-Emissionen auf den Punkt mit seinem letzten Satz: "Wie bitte schön soll das gelingen? Deutschland hat ja schon Schwierigkeiten, einen simplen Flughafen zu bauen." Dito. Die Absurdität von Scholz' Aussage (und sämtlicher Grünen natürlich) sucht im globalen Kontext - v.a. mit China, die ohne Rücksicht auf Verluste alles an CO2 in die Luft blasen, was geht - ihresgleichen. Die Politik scheint hier unter dem Deckmantel des Klimaschutzes Restriktionen und Steuern für die Gesellschaft einführen zu wollen, die mir sehr unbehaglich sind.
Die PETA-Forderung ist wahrscheinlich das Hirnverbrannteste, was mir diese Woche untergekommen ist. Wir scheinen als Menschheit intellektuell zu regressieren.
Der Bericht zur Cancel Culture erinnerte mich an den Fall Colin Wright in den USA: https://www.thecollegefix.com/evolutionary-biologist-forced-out-of-academia-for-insisting-male-and-female-are-not-social-constructs/
Leider alles andere als ein Einzelfall.
Das Interview mit Herrn Ebert hab ich auch gelesen.
Was er leider verschweigt:
-) Mit den Kernreaktoren der 4. Generation sind vermutlich Dual-Fluid-Reaktoren gemeint. Aber wo ist denn ein funktionierender Reaktor dieser Bauart? Es gibt keine. Es gibt hier nicht mal einen Prototypen. Es gibt nur ein theoretisches Konzept. Da sind wir bei der Kernfusion schon weiter.
-) Zu den Toten muß man ergänzen, daß Krebsfälle durch Strahlung leider oft Jahrzehnte brauchen, bis sie auftauchen. Außerdem ist Krebs auch nicht mit Sicherheit einem AKW-Unfall zuzurechnen. Man weiß ja nie genau, durch welche Umstände ein bestimmter Krebsfall aufgetreten ist. Daher kann das Vergleichen solche Zahlen schon aus diesem Grund nicht sinnvoll sein.
Was wir aber sehen, ist die Tatsache, daß bei Unfällen, die wir in der Vergangenheit hatten, die Auswirkungen gravierend sind. Sowohl Tschernobyl als auch Fukushima machte riesige Gebiete auf Jahrhunderte unbrauchbar. Auch die Kosten sind enorm. (Was im Übrigen auch für den Rückbau von AKW gilt.) Vergleichbare Auswirkungen bei einem Unfall in einem Kohlekraftwerk gibt es nicht.
Schade, daß der Interviewer da nicht näher nachgefragt hat.