Marcellus Maximus meint. - Ausgabe #95
Prolog
Im Urlaub habe ich bezüglich der auch hier diskutierten Themen erneut die Erfahrung gemacht, dass man sich in der “normalen” Bevölkerung entweder nicht dafür interessiert oder nicht einmal weiß, dass es diese Debatten überhaupt gibt. Wenn Menschen eine dazu eine Meinung haben, unterscheidet sich diese zudem stark von der hauptsächlich veröffentlichten. Daraus ziehe ich den Schluß, dass man bestimmte Entwicklungen zwar nach wie vor genau im Auge behalten muss, andere dagegen ausschließlich in den sozialen Medien stattfinden bzw. durch bestimmte Formen der Berichterstattung eine Relevanz suggeriert wird, die objektiv nicht existiert. Wenn man sich bei Twitter einloggt, bekommt man den Eindruck, morgen ginge die Welt unter. Diese Dauerempörung und permanente Aufgeregtheit, die der Realität nicht gerecht wird, löst bei mir schon lange Befremden aus. Inzwischen nutze ich das das Netzwerk, das meiner Meinung nach als Diskursmedium ohnehin gescheitert ist, kaum noch.
Online wie offline setzt sich die Entwicklung fort, dass Menschen vergessen, dass sie in Diskussionen nur ihre Meinung äußern und nicht im Besitz der absoluten Wahrheit sind. Andere Standpunkte werden als Folge davon als Unverschämtheit empfunden und mit Empörung quittiert. Wenn die Argumente ausgehen, bleibt nur die Wut. Auffällig ist, dass besonders Menschen, die sonst viel Wert auf Toleranz legen, schnell ein arrogant-autoritäres Gehabe an den Tag legen, wenn jemand es wagt, die im Duktus eines Predigers vorgetragenen Glaubenssätze in Frage zu stellen oder gar zu widerlegen. Da wird der Hippie dann schnell zum Diktator. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, belegt man die Vertreter abweichender Meinungen gar mit abfälligen Schimpfnamen und spricht ihnen ab, genau wie man selbst, durch das Studieren anerkannter Quellen zu ihren Ansichten gelangt zu sein. Wen man im Reich des Bösen verortet, mit dessen Argumenten setzt man sich gar nicht erst auseinander, denn er kann nicht einmal in Teilbereichen richtig liegen. Wer Dinge anders sieht und bewertet, ist nicht satisfaktionsfähig. Hauptsache, im eigenen Kopf bleibt es schön kuschelig. Diesen Trend, der in allen weltanschaulichen Lagern zu beobachten ist, halte ich nach wie vor für sehr gefährlich.
Nun aber los.
Heute geht es unter anderem um Toleranz, strukturelle Probleme und Wunschvorstellungen.
Politik und Gesellschaft
Passend zum Thema, hat sich Alexander Kissler mit Toleranz auseinandergesetzt.
Toleranz ist die Bereitschaft, Meinungen und Handlungen auch dann zu dulden, wenn man sie ablehnt. Der Philosoph Otfried Höffe weist ihr eine doppelte Bestimmung zu: Toleranz müsse in einer Demokratie sowohl Staatsaufgabe als auch Bürgertugend sein. Um beide Aspekte steht es nicht zum Besten, folgt man der jüngsten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Demnach haben nur 26 Prozent der Westdeutschen und sogar nur 9 Prozent der Ostdeutschen den Eindruck, in einer toleranten Gesellschaft zu leben. Das sind alarmierende Zahlen.
Kaum minder dramatisch ist der Befund, dass nur noch 37 Prozent der Befragten sich gerne mit Andersdenkenden austauschen; vor drei Jahren waren es 45 Prozent. Parallel ist in den vergangenen neun Jahren die Gruppe derer stark gewachsen, die in Meinungsverschiedenheiten ein Hindernis für Freundschaften sehen: von 29 auf 42 Prozent. Die Gesellschaft redet sich also öfter und schneller die Köpfe heiss, und sie lässt emotional Versehrte zurück.
Wenn drei von vier Westdeutschen und neun von zehn Ostdeutschen dem Land, in dem sie gemeinsam leben, die allenthalben behauptete Toleranz absprechen, hat der Staat ein gewaltiges Legitimationsproblem. Er predigt offenbar eine Botschaft, die mit der Selbstwahrnehmung seiner Bürger kollidiert.
Damit Toleranz als Bürgertugend die staatliche Aufgabe unterstützen kann, muss der Staat tun, was ihm in Deutschland sehr schwerfällt: Er muss sich weltanschaulich zurückhalten und es ertragen, wenn er auf scharfe, ja schärfste Kritik stösst. Er muss aufhören, von einem hellen und einem dunklen Deutschland zu fabulieren, wie Joachim Gauck es tat, aufhören auch, in der Tradition Angela Merkels und Karl Lauterbachs zwischen hilfreichen und nicht hilfreichen Meinungen zu unterscheiden.
Toleranz lässt sich nicht verordnen - Neue Zürcher Zeitung
Bei der Documenta sind weitere antisemitische Motive aufgetaucht, was mich nicht überrascht. Auch das Verhalten der Verantwortlichen passt ins Bild: Offensichtlich ist dieser Umstand seit Wochen bekannt. Die Werke wurden “strafrechtlich und ikonographisch” bewertet und als “nicht antisemitisch” eingestuft. Das macht in Anbetracht der Bilder dann doch sprachlos.
Vor dem Museum Fridericianum war bereits wenige Tage nach Beginn der documenta ein Werk des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit antisemitischen Motiven zunächst verhüllt und kurz darauf abgehängt worden. Nun hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) auf weitere Elaborate mit israelbezogenem Antisemitismus auf der documenta hingewiesen, und zwar im Museum Fridericianum selbst - im Herzen der Kunstschau in Kassel.
Von der documenta in Kassel gab es am Mittwoch auf eine entsprechende Anfrage der Jüdischen Allgemeinen zunächst keine Stellungnahme. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte Henriette Sölter, die Pressechefin der documenta, man habe die Bilder »strafrechtlich und ikonographisch« untersucht und sie, so die Online-Ausgabe der FAZ vom Mittwoch, nicht als antisemitisch befunden.
Die betreffenden Zeichnungen, so RIAS Hessen, zeigten das Land Palästina, versehen mit Einordnungen, die dem Staat Israel seine Legitimität absprechen. Es seien darin Auszüge aus dem Heft »Ghassan Kanafanis Kinder« enthalten. Ghassan Kanafani war Autor und Sprecher der terroristischen »Volksfront zur Befreiung Palästinas« (PLPF). Er starb 1972 bei einem Anschlag im Libanon. Die Geschichten entstanden laut RIAS zwischen 1962 und 1969.
In der ausgelegten Broschüre fielen laut RIAS Hessen vor allem folgende Bilder auf: »Das obere Bild zeigt eine Frau, die eine hakennasige, auf dem Armeehelm mit einem Davidstern gekennzeichnete Person in den Unterleib tritt. Oben rechts im Bild sind vier Füße zu erkennen. Die mittleren Fußsohlen sind mit Davidsternen gekennzeichnet, während die mit einem arabischen Schriftzug versehenen äußeren Fußsohlen mit einem leider nicht leserlichen arabischen Schriftzug versehen sind.« Es sei anzunehmen, dass hier eine Art Vergewaltigungsszene gezeigt wird. In einer Art Sprechblase heiße es zudem: »West Bank Aufstand (Intifada)«.
In einem weiteren Bild würden israelische Soldaten, gekennzeichnet mit dem Davidstern, als entmenschlichte Roboter abgebildet. Ein Gewehrlauf bedrohe einen Heranwachsenden. Derselbe Typus israelischer Soldat bedrohe hier einen kleinen Jungen, der gänzlich unbewaffnet ist. Hier werde, so RIAS, das Bild des »Kindermörders Israel« reproduziert.
Hakennase, Armeehelm und Davidstern - Jüdische Allgemeine
Einen treffenden Kommentar dazu hat Stefan Laurin geschrieben, der wie immer klare Einordnungen vornimmt.
BDS-Anhänger in der Findungskommission, im künstlerischen Team und bei Ruangrupa, dem Kuratorenkollektiv. Israelhass und Antisemitismus prägen die Documenta fifteen von Beginn an. Und egal was seit Januar 2022 passierte, nachdem das Bündnis gegen Antisemitismus die ersten Vorwürfe erhob, hat sich daran nichts geändert. Die Kuratoren betonen, wenn sie denn überhaupt etwas sagen, dass sie vor allem zuhören und lernen wollen. Das ist zu wenig für eine Gruppe, die darüber bestimmt, wie 42 Millionen Euro ausgegeben werden und die größte internationale deutsche Kunstmesse leitet. Sie hätten sich der Debatte stellen müssen, aber haben daran offenbar kein Interesse. Warum sollten sie das auch haben? Nach fast drei Jahren Arbeit ist die Documenta für Ruangrupa abgehakt. Sie werden schon neue Projekte im Blick haben und ihre Reputation im subventionierten und postmodern ausgerichteten internationalen Biennalezirkus wird durch die Antisemitismusdebatten eher größer geworden sein.
Es gab auf der Documenta bislang keinen Dialog mit dem „globalen Süden“, er wurde immer nur gefordert. Dieser Dialog ist zwischen Unternehmen, Wissenschaftlern und Ingenieuren schon lange Alltag. Das Recruitment aller großen Unternehmen, auch in Deutschland, läuft längst global, die Teams sind gemischt und die Partner über die ganze Welt verteilt. Auf der Documenta diente die Forderung nach dem Dialog mit dem Süden vor allem dazu, Radikale, die den Westen und alles wofür er steht verabscheuen, vor Kritik zu schützen. Selbst wenn sie sich antisemitisch äussern.
Der Job des Schormann-Nachfolgers an der Documenta-Spitze Alexander Farenholtz ist es, die nordhessischen Kunstshow bis zum Ende im September über die Bühne zu bringen und ihr eine irgendwie geartete Zukunft offen zu halten. Das ist der Wunsch von Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle, von Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) und von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) – diesem Ziel wird alles untergeordnet. Philipp Peyman Engel schrieb in der Jüdischen Allgemeinen nach dem Bekanntwerden weiterer antisemitischer Zeichnungen in Kassel: „Am Wochenende hatte er (Farenholtz d.Red) angekündigt, die Ausstellungen nicht in Hinblick auf Antisemitismus überprüfen zu wollen. Stattdessen schwadronierte der Kulturmanager davon, dass »die documenta als Ausstellung auf einem hervorragenden Kurs« sei. »Die Zahlen sind sehr gut, die Stimmung auch.« Nein, das ist sie nicht. Zumindest nicht in der jüdischen Gemeinschaft. Die documenta ist moralisch bankrott.“
Treffender kann man es nicht ausdrücken. Und nein, das werden wahrscheinlich nicht die letzten antisemitischen Bilder sein, die ihren Weg in die Öffentlichkeit finden: Eine Überprüfung aller Bilder will die Documentaleitung nach wie vor nicht, was aber notwendig wäre. Dabei hätte es nie so weit kommen dürfen, dass man eine solche Prüfung fordern muss. Die ideologische Ausrichtung der Ausstellung ist der Grund ihres Scheiterns und die lässt sich nicht mehr ändern.
Documenta: Jede Chance auf einen Dialog ist längst vertan - Ruhrbarone
Der renommierte “Economist” hat in einem brillanten Artikel mit der deutschen Energiepolitik abgerechnet. Darin wird aufgezeigt, dass unsere Haltung nur mit dem Geisterfahrer-Syndrom zu erklären ist.
Put simply, years of complacency have landed Germany in a pickle. Yet even as the establishment comes to terms with the scale of its dilemma, and with the immense challenge of changing course, Germany’s conversation with itself remains strangely parochial and lacking in urgency. Even more odd, in a country that prides itself on the openness of its democracy, is the failure to account for what went awry. Yes, some public figures have rightly been scolded for looking at Russia through rose-tinted lenses. But the systemic nature of Mr Putin’s deceptions and of Germany’s wilful blindness have hardly been explored. No one seems to want to talk about what happened “in the cave”.
Consider Germany’s woeful dependence on Russian fuels. This came about not only because Mr Putin seduced businesses and politicians with low prices, so boosting Russia’s share of Germany’s natural-gas consumption from 30% two decades ago to a 55% chokehold. Decisions were also taken to shrink the supply of energy from other sources. Among numerous examples of such foolishness, the best-known concerns nuclear power. When a tsunami hit the Japanese nuclear reactors at Fukushima in 2011, the government of then-chancellor Angela Merkel flippte aus, shutting down half of Germany’s nuclear generation capacity virtually overnight. It set a closing date for the last three plants of December 2022, a target that is only now being questioned, as crippling power shortages loom. Reflecting the peculiar absence of urgency in German politics, one mooted compromise calls on the Greens to drop their insistence on closing the reactors in exchange for their liberal coalition partners dropping objections to speed limits on the Autobahn.
Yet perhaps Germany’s biggest own goal was scored against its own natural-gas industry. Germans lack the luck of the neighbouring Dutch, whose giant Groningen field, a mere bicycle-ride from the border, has gushed out some $500bn worth of gas since 1959 (allowing this newspaper in 1977 to coin the term “Dutch Disease”). But neither are Germany’s own reserves puny. At the turn of the millennium Germany was pumping out some 20bn cubic metres (bcm) of natural gas a year, enough to meet close to a quarter of national demand. But although geologists think that Germany holds at least 800bcm of exploitable gas, production has not grown but rather collapsed, to a mere 5-6bcm, equivalent to just 10% of imports from Russia.
The reason is simple. Geology dictates that nearly all Germany’s gas can only be extracted using hydraulic fracturing, but the German public holds an irrational fear of fracking. Not just a fear: in 2017 Ms Merkel’s government passed a law that essentially bans commercial fracking, even though German firms have been using the technique in the country since the 1950s, with not a single reported incident of serious environmental damage.
The causes of the public’s fear are not hard to find. In 2008 Exxon, a big American oil firm, proposed expanding the use of fracking at a site in northern Germany. As environmentalists piled in to protest, the increasingly influential Green party joined the fray. So did Russia Today, a pro-Kremlin channel, blaring warnings that fracking causes radiation, birth defects, hormone imbalances, the release of immense volumes of methane and toxic waste, and the poisoning of fish stocks. No less an expert than Mr Putin himself declared, before an international conference, that fracking makes black goop spew out of kitchen taps.
Germans do seem to like fairy tales. “Eventually we gave up trying to explain that fracking is absolutely safe,” sighs Hans-Joachim Kümpel, a former head of the main government advisory body on geoscience. ”I can’t really blame people who have no understanding of subsurface geology, if all they hear is horror stories.”
German gas producers say that given a chance, with today’s even cleaner and safer new fracking methods they could double their output in as little as 18-24 months. At that level Germany could be pumping gas well into the next century. That would trim imports by some $15bn a year. And that is no fairy tale.
Germans have been living in a dream - The Economist
Der kluge Jochen Bittner äußert sich in einem Kommentar zur Frage des Wiedereinstiegs in die Atomkraft ganz ähnlich.
Das neuerliche Regierungsmantra "Wir haben ein Wärmeproblem, kein Stromproblem" ist deshalb gleich mehrfach falsch. Wir leben nämlich in einem europäischen Strommarkt, in dem nur 40 Prozent des Gases zu Wärmezwecken genutzt wird; der Rest wird verstromt oder für Prozesswärme in der Industrie genutzt.
Für den Kontinent zählt also sehr wohl jede Kilowattstunde Strom.
Seltsam vergessen scheint auch, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll, was bedeutet, dass Industrie, Verkehr und Wärmesektor dekarbonisiert werden müssen. Und womit soll das geschehen? Genau: Mit Strom – für Wasserstoff, Elektroautos und Wärmepumpen. Der Thinktank Agora Energiewende schätzt, dass sich der Strombedarf der Bundesrepublik bis zum Jahr 2045 etwa verdoppeln wird, auf 1.000 Terawattstunden, und das dürfte noch konservativ gerechnet sein.
Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren zu schöpfen, ist – angesichts der heutigen Rate von gut 40 Prozent – leider illusorisch. Daran ändert auch die ständige Beschwörung nichts, den Ausbau beschleunigen zu wollen. Dagegen stehen Material- und Handwerkermangel, Windradgegnerinnen und Trassenprotestler, die sich auf Rechtsweggarantien berufen, sowie europäische Naturschutzvorgaben. Hinzu kommt die ungelöste Speicherfrage für Nacht- und Dunkelflautezeiten. Zu glauben, dass diese Hindernisse verschwänden, wenn man das nur ganz, ganz doll wolle, ist Politik im La La Land.
Angela Merkels Energiepolitik war gut gemeint, aber in der Ausführung ein epochaler Fehler, schon wegen des Unökologischen der Reihenfolge, erst aus dem Atomstrom und dann aus den Fossilen auszusteigen. Sicher, es bleibt das richtige Ziel, das Land komplett aus Erneuerbaren zu versorgen. Aber auf dem Weg dahin hat Deutschland auf die falsche Alternative gesetzt. Es gibt keine sauberere, sicherere und verlässlichere Energiequelle als Kernkraft, um den Ausbau zu flankieren.
Ja, Tschernobyl und Fukushima waren Fanale. Aber wären diese Unglücke auch mit denjenigen Reaktoren passiert, die heute in Deutschland laufen? Fachleute bestreiten das vehement. Nach Fukushima habe es zudem Robustheitsprüfungen gegeben, die selbst Flugzeugeinschläge einberechnet hätten. Aber würde ein GAU, so unwahrscheinlich er ist, nicht bedeuten, dass eine ganze Region unbewohnbar wird? Ja. Nur, passiert durch den Klimawandel nicht genau dies in einem viel größeren Maße – und zwar mit Sicherheit?
Stresstest im La La Land - Zeit
Zur bedenklichen Radikalisierung der Klimabewegung und entsprechenden Parallelen zur Entstehung der RAF habe ich mich schon häufig geäußert. Bis heute wundert mich die damit verbundene Gleichgültigeit. Nun ist dazu ein Artikel in der FAZ erschienen.
Entweder wir handeln jetzt, oder es ist zu spät. Das sagt die „Letzte Generation“. Die Mitglieder dieser Gruppierung halten es für notwendig, „Widerstand“ zu leisten, damit die Klimakatastrophe aufgehalten und die Menschheit nicht vernichtet wird. In einem Vortrag, mit dem sie Mitstreiter rekrutieren wollen, sprechen sie von einem System, das den Menschen realitätsferne Geschichten erzähle, damit sie ruhig bleiben und den Kurs beibehalten. Doch dieser Kurs führe die Menschen in die Vernichtung. Der Regierung wirft die Gruppe vor, den Untergang zu finanzieren. Eine krude Weltsicht, die an Verschwörungstheoretiker und Extremisten rechts und links erinnert.
In dieser Situation radikalisieren sich Teile der Klimabewegung immer mehr. Fridays for Future waren noch vor allem die netten Schüler. Die „Letzte Generation“ ist das nicht mehr, sondern ein aggressiv auftretender Störer im Berufsverkehr. Die Frage ist, was als Nächstes kommt, wenn auch diese Gruppe mit ihrer „Widerstandsform“ gescheitert ist.
Der Einfluss gewaltbereiter Linksextremer in der Klimabewegung nimmt zu. Längst diskutieren Aktivisten über Gewalt – und was Gewalt überhaupt ist. Wie weit kann und soll man gehen, um die Welt und die Menschheit zu retten? Eine Ökodiktatur schaffen? Zerstören, was die Welt kaputt macht? Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht von Fridays for Future, witzelte vor Kurzem im Netz, dass man darüber nachdenke, wie man eine Ölpipeline in die Luft sprengen könne. Ein schlechter Ökoterroristen-Witz, der aber zeigt, wie tief solche Gedanken schon in der Bewegung verwurzelt sind. „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“ ist ein Buch des schwedischen Klimaschutzaktivisten Andreas Malm. Er ruft zu Sabotage auf und ist für eine Eskalation der Proteste. Sachen, so meint Malm, dürfe man beschädigen. Es ist die sinnentleerte Erzählung, die man von gewaltbereiten Linksextremen schon lange kennt: Gewalt gegen Dinge ist keine Gewalt, sondern in ihrem Fall eine Art legitimer Notwehr.
Die Grenze, die nicht überschritten werden darf, ist für Malm die Gewalt gegen Menschen. Verbrechen wie etwa die Ermordung von Ölmanagern existierten glücklicherweise nur in der Phantasie einiger weniger Geistesgestörter, behauptet er. Doch selbst Mitglieder der Klimabewegung sehen, dass es an den Rändern ihrer Bewegung die Romantik einer grünen RAF gibt und dass diese Romantik durchaus Sogwirkung entfaltet. Der Klimaaktivist Tadzio Müller hat eine solche Terrororganisation im vergangenen Jahr vorhergesagt. Ein kleiner Teil der Klimabewegung werde in den Untergrund gehen. Die Schuld gibt Müller der Gesellschaft. Wenn die so weitermache, entscheide sie sich für Militanz, nicht die, die militant werden. Eine absurde Rechtfertigung und Verschiebung der Schuld.
Der Gedanke einer Klima-RAF ist allerdings tatsächlich nicht so fernliegend. Wenn man wie etwa die „Letzte Generation“ davon ausgeht, dass das Ende der Menschheit bevorsteht, könnten manche auch bereit sein, weiter zu gehen, als die eigenen Hände festzukleben oder eine Pipeline in die Luft zu jagen. Was ist schon ein Menschenleben, wenn man die Welt retten muss? Vielleicht hat Malm recht, wenn er sagt, dass es nur wenige Geistesgestörte mit Mord-Gedankenspielen gibt. Doch auch das kann leider für Terror reichen – nur wird der sicher nicht die Welt retten.
Grüne Armee Fraktion? - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Eine bei Instagram veröffentlichte Bilderreihe, des sonst von mir sehr geschätzten Senders “Phoenix”, kompilierte auf sehr eigene Art unterschiedliche “politische Skandale” und stellte dabei einen bisher nur auf Behauptungen basierenden Sachverhalt (Christian Lindner und das sogenannte #Porschegate) in eine Reihe mit massivsten rechtsstaatlich nachgewiesenen Verfehlungen, wie z.b. Einschränkung der Pressefreiheit (Spiegel-Affäre) und den Konsum kinderpornographischen Materials (Edathy). Überraschend unseriös.
Insgesamt anstrengend ist die mit Lobbyismus verbundene Doppelmoral: Lobbyarbeit für genehme Themen wird begrüßt, Lobbyarbeit für nicht genehme Themen fundamental abgelehnt.
Genau das Milieu, das im Moment das vermeintliche #Porschegate kritisiert, hatte kein Problem damit, dass Annalena Baerbock die Lobbyistin Jennifer Morgan zur Staatssekretärin im Auswärtigen Amt machte. Hätte Volker Wissing den Chef vom ADAC als Staatssekretär ins Verkehrsministerium berufen, wäre die Hölle los gewesen.
Bei welchen Themen man Lobbyismus gutheißt und bei welchen nicht, hängt maßgeblich von der eigenen Weltanschauung ab. Auch wenn gern so getan wird, als sei es anders: Ein objektives gut oder schlecht bzw. richtig oder falsch gibt es diesbezüglich nicht.
Wegen der Sommerpause des Newsletter kann ich hier erst jetzt darauf hinweisen, dass es mein Tweet zum “Muster der Vielfalt” der BVG in das "9 Minuten Netto"-Format von Jan Fleischhauer geschafft hat. Zu sehen ist das Ganze ab 05:36. Fühle mich geehrt.
Der hier thematisierte, abgesagte Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht wurde inzwischen nachgeholt. Laut Augenzeugen waren vorwiegend Journalisten anwesend. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahm sie aus nachvollziehbaren Gründen nicht teil. Stattdessen diskutierte sie mit Prof. Uwe Steinhoff und Dr. Alexander Korte über das Thema “Geschlecht und Cancel Culture. Sehenswert!
Hier diskutiert ein Podium im Rahmen des ARD-Diversity-Tags 2022 über “geschlechtergerechte” Sprache. Zwischendurch und am Ende werden Umfragen gemacht, die beide klare Ergebnisse gegen das Gendern ergeben. Das ficht die Diskutanten nicht an. Als Fazit der Diskussion wird gezogen, man müsse die Diskussion im nächsten Jahr wiederholen. Dieses Aufeinandertreffen von Ideologie und Realität hätte sich Monty Python nicht besser ausdenken können.
Gendern - Modeerscheinung oder Sprach(r)evolution? - Bayerischer Rundfunk
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Kultur
Lemonheads - Different Drum
Linda Ronstadt wurde heute im Jahr 2014 im Weißen Haus mit der “National Medal of Arts” ausgezeichnet. Diese Ehrung war ein ganz besonderer Moment für Ronstadt, die es im April des Jahres nicht zu ihrer Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame schaffte, weil die Parkinson-Krankheit ihre Reisefähigkeit einschränkte. Die Sängerin wurde mit dem Rollstuhl in den East Room gebracht, ging aber selbst auf die Bühne, um ihre Auszeichnung entgegenzunehmen.
"Different Drum", wovon ich hier bereits Coverversionen vorstellte, wurde 1964 vom amerikanischen Singer-Songwriter Michael Nesmith geschrieben. Zuerst nahmen es The Greenbriar Boys für ihr 1966er Album “Better late than never!” auf. Nesmith bot es auch den Monkees an, aber die Produzenten der TV-Show, die schon früh eine große Kontrolle über die musikalische Produktion der Gruppe hatten, lehnten es ab.
Das Lied wurde 1967 populär, als es von den Stone Poneys mit Linda Ronstadt aufgenommen wurde. Nesmith nahm seine eigene Version erst 1972 auf. Mir persönlich gefällt die Version von Linda Ronstadt am Besten, aber auch diese von den Lemonheads aus dem Jahr 1990 ist sehr gut.
Epilog
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