Prolog
In dieser Woche stellte sich heraus, dass der Brand in einem Flüchtlingsheim in der Nähe von Wismar keinen politischen Hintergrund hatte. Saskia Esken und andere gaben Friedrich Merz wegen seiner mißglückten Wortwahl (“Asyltourismus”) öffentlich eine Mitschuld daran. Tatsächlich bestand aber nie ein kausaler Zusammenhang. Diejenigen, die diesen böswillig konstruierten, sollten sich schleunigst und ebenfalls öffentlich entschuldigen. Solche Behauptungen verschlechtern die Diskussionskultur, für welche sich genau diese Menschen nach eigenen Aussagen einsetzen, weiter.
Der Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Sven Lehmann hat sich in einem Podcast des Magazins “Queer.de” für einen Politiker unangenehm detailreich zu seinem Privatleben geäußert. Ich halte es, bezogen auf die Würde des Amtes und die herausgehobene Stellung, für indiskutabel, dass ein Politiker öffentlich Einzelheiten seines Sexuallebens verbreitet. Das Mäßigungsgebot sollte auch für diesen Themenbereich gelten. Es ist nicht das erste Mal, dass Lehmann meiner Meinung nach massiv Grenzen überschreitet.
Nun aber los. Heute geht es unter anderem um Satire, gute Nachrichten und ein Wahldebakel.
Politik und Gesellschaft
Nicht zum ersten Mal griff auch die “Heute-Show” daneben. Man könnte annehmen, dass sich die Gemüter bezüglich Elon Musk langsam wieder beruhigen. Dem ist nicht so. Bei Twitter eskalierten Social Media-Redakteure der Sendung in Form des folgenden Tweets.
Das Eintreten für Meinungsfreiheit mit dem totalen Krieg gleichzusetzen und Musk in diesem Zusammenhang mit Goebbels zu vergleichen spricht Bände über das Niveau öffentlich-rechtlicher Satire. Der Tweet wurde bis heute nicht gelöscht und es gab meines Wissens auch keine Stellungnahme oder Entschuldigung. Man scheint diese Art der Diffamierung beim ZDF angemessen zu finden. Mich wundert das nicht, denn auch andere Satireformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind eher Propaganda-Sendungen. Da muss man sich dann über scharfe Kritik nicht wundern.
Die Hauptstadt zeigt sich mal wieder von ihrer besten Seite. Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat verfügt, dass die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im gesamten Wahlgebiet wiederholt werden müssen. Dies ist nach Aussage des Gerichts ein einmaliger Vorfall in der Geschichte der Wahlen in der Bundesrepublik. Besonders bitter ist, dass sich Demokratiefeinde aller Lager nun in ihrer Ablehnung und ihren Zweifeln bestätigt sehen. Als sei das Land nicht schon gespalten genug. Man kann die Wiederholung als Chance begreifen, die von den Wählern hoffentlich genutzt wird. Denn eines ist klar: Jede Stimme für SPD, Grüne oder Linke wäre eine Fortsetzung der Dysfunktionalität. Warum vor diesem Hintergrund die Bundestagswahl nur teilweise wiederholt werden soll, erschließt sich mir nicht.
Bei der Verkündung im Plenarsaal lässt Präsidentin Ludgera Selting keinen Zweifel daran, wen das Plenum für das Desaster am Wahltag verantwortlich macht: Die Landeswahlleitung und die Senatsverwaltung für Inneres. Die Wahlen seien derartig schlecht vorbereitet gewesen, dass allein darin schon ein Wahlfehler liege, der dann weitere nach sich gezogen habe.
Selting betonte, es habe sich nicht um Wahlfälschungen oder andere Manipulationen gehandelt. Die 38.000 ehrenamtlichen Wahlhelfer hätten nach Überzeugung des Gerichts vielmehr zumeist alles versucht, um die Probleme zu lösen. Dass dies in vielen Fällen nicht gelungen sei und nicht gelingen konnte, habe an den schweren systemischen Mängeln in der Wahlvorbereitung gelegen.
Dabei habe sich gezeigt: Tausende Wahlberechtigte hätten ihre Stimme nicht, nicht wirksam, nicht unter zumutbaren Bedingungen oder nicht unbeeinflusst abgeben können. Teilweise kam es zu langen Schlangen vor den Wahllokalen, teilweise wurden Wahllokale zwischenzeitlich geschlossen, weil Stimmzettel fehlten, teilweise wurden Kopien von Stimmzetteln ausgegeben. Dies entspreche nicht den amtlichen Anforderungen an Stimmzettel und hätte nicht zu einer wirksamen Stimmabgabe führen dürfen. Zudem hatte fast die Hälfte der Wahllokale noch nach 18 Uhr geöffnet, 244 Wahllokale sogar noch nach 18:30. Zu diesem Zeitpunkt wurden aber schon erste, auf Nachwahlbefragungen beruhende Prognosen veröffentlicht, was die Wahlberechtigten bei der Stimmabgabe beeinflussen konnte. Die Richter sehen Verstöße gegen die Freiheit, Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl.
Der VerfGH geht davon aus, dass die festgestellten Wahlfehler die Verteilung der Sitze im Abgeordnetenhaus beeinflusst haben. Die Mandatsrelevanz stehe für die Erststimme in 19 der überprüften 22 Wahlkreise und für die Zweitstimme im gesamten Wahlgebiet fest. Allerdings könne nur eine Wiederholung der Wahl im gesamten Wahlgebiet verfassungsrechtliche Standards wieder herstellen. Eine nur punktuelle Berichtigung der Wahl durch eine Wiederholung in einzelnen Wahllokalen komme in Anbetracht der schwerwiegenden und flächendeckenden Fehler nicht in Betracht. Nur die Zweitstimme in ganz Berlin nachwählen zu lassen und nur in einzelnen Bezirken auch die Erststimme, entspreche aber auch nicht den Wahlgrundsätzen und dem Demokratieprinzip. Denn die Repräsentation des Volkswillens durch Wahlen sei nur gesichert, wenn diese den Willen der Wählenden zu einem bestimmten Zeitpunkt abbilden, argumentiert das Gericht.
Das bedeutet auch: Die Berliner Wahlen werden vollständig wiederholt, die Bundestagswahl in Berlin wohl nur zu einem kleinen Teil. Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages hat sich dafür ausgesprochen, dass in 431 Wahlbezirken neu gewählt werden soll – in 327 Wahllokalen und in 104 Briefwahlbezirken habe es schwerwiegende Wahlfehler gegeben.
Diese Wahl war nicht zu retten? - Legal Tribune Online
Dass Frauen in Vorständen zwar in der Minderheit sind, aber dort mehr verdienen als Männer, war hier bereits Thema. Nun hat sich das durch eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY erneut bestätigt. Das wirft erneut Fragen bezüglich der Verschwörungserzählungen des “Patriarchats” und der “gläsernen Decke” auf. Die Tatsache, dass es wenige Frauen in Vorständen gibt, diese aber mehr verdienen als Männer bedeutet, dass es einen Mangel an Frauen gibt, die Willens oder in der Lage sind, solche Positionen zu besetzen. Würden die erwähnten Erzählungen zutreffen und es gäbe genug “geeignete” Frauen, gäbe es keinen Grund, sie besser zu bezahlen. EY-Partner Jens Massmann bestätigt das, indem er darauf hinweist, dass hochqualifizierte Top-Managerinnen weiterhin eine sehr gute Verhandlungsposition haben, weil geeignete Kandidatinnen knapp seien, So erhöhe sich ihr Marktwert und damit auch ihre Vergütung.
Frauen in Vorständen der deutscher Spitzenunternehmen in den Aktienindizes DAX, MDAX und SDAX verdienen noch immer im Schnitt mehr als ihre männlichen Kollegen. Der Gehaltsvorsprung der Top-Managerinnen schrumpfte im vergangenen Jahr allerdings, denn zuletzt sind die Gehälter der Männer vergleichsweise stärker gestiegen. So lautet das Ergebnis einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. "Der Frauenanteil in den Vorstandsgremien wächst nur langsam. Aber zumindest liegen Frauen in der Vergütung vorn", analysierte EY-Partner Jens Massmann.
Und das schon seit Längerem: "Bereits im siebten Jahr lag 2021 die Gesamtdirektvergütung der Frauen oberhalb ihrer männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen", heißt es bei EY.
In der obersten deutschen Börsenliga, dem DAX mit 40 Unternehmen, verdienten weibliche Vorstandsmitglieder im Mittel 3,45 Millionen Euro und damit 80.000 Euro mehr als ihre Kollegen, die auf 3,37 Millionen Euro kamen. EY zufolge sind Frauen in den DAX-Vorständen am stärksten vertreten.
In den 70 kleineren Firmen des SDAX kassierten weibliche Führungskräfte demnach mit durchschnittlich 1,16 Millionen Euro rund 18 Prozent mehr als ihre Vorstandskollegen.
Vorstandsfrauen verdienen mehr als Männer - Tagesschau
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang war zu Gast beim Demokratie-Forum im Hambacher Schloss und äußerte dort die Meinung, dass er die sogenannte “Letzte Generation” nicht für extremistisch halte.
"Die Letzte Generation ist jetzt tatsächlich so eine spezielle Gruppierung, die sagen, wir müssen durch spezielle Aktionen auf uns aufmerksam machen. Und das, was sie betreiben, das sind tatsächlich auch Straftaten. Das kann man nicht wegdiskutieren. Aber das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt nicht extremistisch."
Extremismus definiert Haldenwang als eine Haltung, die den Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage stellt. Aber genau das täten die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" ja nicht. Im Gegenteil. Sie würden die Regierenden sogar zum Handeln auffordern. "Ich erkenne jedenfalls gegenwärtig nicht, dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet und insofern ist das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz."
Insgesamt eine bemerkenswerte Argumentation, die sicher auch im eigenen Haus für Erstaunen gesorgt hat. Niemand hat je behauptet, die Gruppierung sei bereits mit der RAF gleichzusetzen. Dass Teile die freiheitlich demokratische Grundordnung geringschätzen und als Hindernis betrachten kann man allerdings schwerlich bestreiten. Dass zunehmend ein “Systemwechsel” gefordert wird und die Bewegung in Teilen linksextremistisch unterwandert ist, ebensowenig. Hoffentlich ist man da nicht auf einem Auge blind. Ich bin mir sicher, dass sich ein Teil der Gruppe weiter radikalisieren und eventuell auch in den Untergrund gehen wird. Hoffentlich liege ich mit dieser Prognose falsch.
Verfassungsschutz: "Klimaaktivisten sind keine Extremisten" - SWR
Die deutsche Forschungsgemeinschaft hat neue Diversitätsstandards, welche in vierzehn Identitätskategorien aufgeteilt sind. Der Wahnsinn greift um sich.
Nun hat die DFG etwas Neues: „FOGD“, also „Forschungsorientierte Gleichstellungs- und Diversitätsstandards“. Man ist auf den regenbogenbunten Zug der Diversity aufgesprungen. Wir zitieren, in Bezug auf FOGD, von den Internetseiten der DFG: „In den Blick zu nehmen sind [...] Diversitätsdimensionen, wie Geschlecht und geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, Alter, ethnische Herkunft und Nationalität, soziale Herkunft (beispielsweise unter folgenden Aspekten: ökonomische Situation, Herkunft aus nicht-akademischer Familie, Migrationsgeschichte), Religion und Weltanschauung, Behinderung oder chronische/langwierige Erkrankung. Auch das Zusammenkommen mehrerer Unterschiedsdimensionen in einer Person (Intersektionalität und seine Bedeutung) sollte berücksichtigt werden.“
Das greift ja nun weit über „m/w/d“ hinaus. Da hätten wir, wenn wir uns nicht verzählt haben, vierzehn übergeordnete Identitäten, in die das infrage stehende Individuum, bitte schön, sich einzusortieren habe oder in die es einzusortieren sei.
Ganz unklar im Übrigen, wie viele weitere Klassen sich hinter der „Intersektionalität“ verbergen. Außerdem ist das mit der „sexuellen Orientierung“ und dem Geschlecht ja mittlerweile ganz fluide geworden, das ist ja diverser und wesentlich nebulöser, als man einst dachte. Vierzehn Klassen der Diversität werden da sicher nicht reichen.
Ein Einstellungsgespräch, in dem der SFB-Chef den Kandidaten fragt, was denn nun seine ethnische Herkunft sei, erfüllt ja mittlerweile den Tatbestand der Mikroaggression. Und was passiert eigentlich, wenn der Chef eines SFBs sich morgen geschlechtlich umdefiniert und zur Chefin wird? Wie rechnet man das auf den Frauenanteil an? Und ist nicht — bei vierzehn Klassen der Diversität, von der Intersektionalität gar nicht zu reden — immer irgendeine Klasse irgendwo schmählich unterrepräsentiert? Wer soll denn da all die Zuschüsse zahlen, wie sie im FOG schon fließen?
Gegen Diversität ist natürlich gar nichts zu sagen: Die Menschen sind es, divers nämlich, und sind nicht über einen Kamm zu scheren. So viele Wissenschaftler, so viele Perspektiven auf die Wissenschaft. Das mag befruchtend und erkenntnisfördernd sein. Man sollte allerdings im Hinterkopf behalten, dass die ideologischen/politischen Programme der Diversitäts- und Identitätspolitik im Kern antiaufklärerisch, totalitarismuskritisch, konstruktivistisch und vor allem machtorientiert sind.
Bestimmten Gruppen ihre Wissenschaft, ihre Narrative, ihre Wirklichkeitskonstruktionen, nur von ihnen zu verfertigen und vorzutragen und auch nur ihnen in diskursiven „Safe Spaces“ zugänglich, immun gegen Kritik, die von anderen Standpunkten aus geäußert werden könnte, denn die universelle Vernunft sei eben ein repressives Werkzeug des falschen Ganzen.
In den Geisteswissenschaften, insonderheit den Geschichts- und Sozialwissenschaften, kann man gerade die polyperspektivische Pulverisierung jedes vernünftigen Ganzheitsanspruches bewundern. Oder, um dialektisch zu sprechen: Das Diversitätsmanagement schlägt um in eine neue Totalität, nämlich den hobbesschen bellum omnium contra omnes, den Kampf um das jeweils schlagkräftigste (Opfer-)Narrativ und um die Macht über die Konstruktion der dazugehörigen Sachverhalte.
In diese Richtung dampft der bunte Zug der Diversity. Noch hat er die Naturwissenschaften nicht erreicht, wahrscheinlich der Widerborstigkeit der Dinge der Natur halber, die sich meist nicht so geschmeidig in die Narrative des Konstruktivismus einfügen wollen, wie mancher es sich erhofft.
Kultur
Coverversion der Woche: Kim Wilde - You Keep Me Hangin’ On
Da heute Kim Wilde Geburtstag hat, in die ich in früher Jugend schwer verliebt war, habe ich mich für diesen Song entschieden. Nicht zuletzt deshalb, weil das Original zu meinen Lieblingsliedern gehört.
Es wurde von Holland-Dozier-Holland komponiert und erstmals 1966 von den Supremes aufgenommen. Diese Aufnahme erreichte Platz eins der Billboard Hot 100. Kim Wilde coverte das Stück, welches sie stilistisch völlig veränderte, 1986 und erreichte damit im Juni 1987 Platz eins der Billboard Hot 100.
Epilog
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Deine Worte sind wie immer ein rationaler Lichtblick in all dem Wahnsinn
Wie immer lesenswert, danke!
Zum Thema Diversität: In den USA sind wir mittlerweile bei 97 Gender-Optionen, das kennt keine Grenzen... https://twitter.com/libsoftiktok/status/1593124015367151618
Ich befürchte, dass der Kommentator der FAZ sehr naiv ist, wenn er glaubt, die Naturwissenschaften seien vom Diversity-Gender-Wahn noch verschont... das zeigte zum einen sehr prominent der absurde Fall um Marie-Luise Vollbrecht (https://twoplustwo.substack.com/p/lets-talk-about-sex-oder-wie-der), zum anderen schwappt aus den USA die Diversity-Welle derzeit ungebrochen herüber, wie Colin Wright hier sehr gut erklärt: https://www.realityslaststand.com/p/sex-is-not-a-spectrum
Mal sehen, ob und wann der gesunde Menschenverstand wieder zurückkehrt...